„Normungsarbeit lebt vom Fachwissen und Enthusiasmus der Beteiligten“1 | 04 | 25

Messen, Prüfen, Kalbrierlabor

Die aktive Gestaltung der nationalen und internationalen Normungsarbeit zählt zu den Aufgabenschwerpunkten der DGQ. Mitglieder haben die Möglichkeit, sich aktiv in der Normung zu engagieren und so die Leitplanken des Qualitätsmanagements weiterzuentwickeln. Beate Kulessa, lange Jahre im Leitungsteam des DGQ-Regionalkreises Braunschweig aktiv und im Namen der DGQ in der Normung tätig, gibt im Interview einen Einblick in ihre Motivation für das Thema und berichtet von ihren Erfahrungen.

Frau Kulessa, was ist Ihre Motivation, sich in der Normungsarbeit zu engagieren?

Beate Kulessa: Mein persönliches Motto lautet „Wissen teilen“: Dazu bietet mir das Engagement in der Normung natürlich tolle Möglichkeiten. Bereits seit Beginn meiner aktiven Berufstätigkeit arbeite ich in Normungsgremien mit. Die Arbeit dort hat ja oft den Ruf, sehr trocken zu sein – zu Unrecht. Denn auch wenn um jedes Wort, jede Definition, jeden Satz gerungen wird: Normungsarbeit lebt vom Fachwissen und Enthusiasmus der Beteiligten.

Sie sind im Auftrag der DGQ in verschiedenen Normungsgremien aktiv. Inwiefern zahlt Ihre Erfahrung aus Ihrer langjährigen Tätigkeit für die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), einen bedeutenden Akteur der Qualitätsinfrastruktur, darauf ein?

Beate Kulessa: Ohne die Erfahrungen aus meiner Berufstätigkeit kann ich mir die Mitarbeit in den Normungsgremien nicht vorstellen. Nach meinem Studium der Automatisierungstechnik konnte ich über 40 Jahre Berufserfahrung sammeln, davon ca. 30 Jahre in der PTB. Die Metrologie erwies sich in meinem Leben als prägend.

Die Diskussionen und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Herstellern – viele davon sind führend in ihrem Fachgebiet –, um neue Prüfverfahren zu entwickeln und diese anzuwenden, waren für mich wegweisend und förderten mein Bewusstsein für regelsetzende und normative Arbeit. So kann ich in den Normungsgremien das Wissen aus der praktischen Tätigkeit in verschiedenen Laboratorien – etwa Explosionsschutz und gesetzliches Messwesen – bei der Prüfung und Zulassung von Messgeräten, der Herstellerüberwachung und der Akkreditierung einbringen.

Wie kamen Sie das erste Mal mit dem Thema Normung in Berührung und was haben Sie daraus mitgenommen?

Beate Kulessa: Bereits an meinem ersten Arbeitstag in der PTB musste ich erst die geltende Norm studieren, bevor ich ein Gerät prüfen und zulassen durfte (und konnte). Das war zwar ein etwas öder Einstieg, aber ich verstand schnell, dass es heißt: Du musst die Normen kennen, um sie einhalten zu können. Geht es um die Entwicklung neuer Verfahren, muss man einfach den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik, der in geltenden Normen festgeschrieben ist, kennen.

Als in den 90er Jahren europäische Richtlinien regelten, dass bestimmte Messgeräte nicht mehr nur durch alleiniges Prüfen zugelassen und in Verkehr gebracht werden dürfen, sondern auch die Überwachung des Qualitätssicherungssystems beim Herstellungsprozess einbezogen werden musste, kam ich mit dem Thema Qualitätssicherung, Auditierung und der ISO 9001 in Berührung. In der Folge ließ ich mich bei der DGQ zur Qualitätsmanagerin und Auditorin ausbilden. Von da an waren neben den technischen Normen die verschiedenen Managementnormen meine beruflichen Begleiter.

Mittlerweile sind Sie in verschiedenen Normungsgremien für die DGQ im Einsatz. Wie kam es dazu?

Beate Kulessa: Durch meine Tätigkeit im Rahmen des Deutschen Kalibrierdiensts (DKD) und der nationalen Akkreditierungsstelle DakkS war ich im Netzwerk der Kalibrierlaboratorien nicht unbekannt und hatte mir ein umfassendes Fachwissen angeeignet. Parallel hatte ich verschiedene weitere ehrenamtlichen Tätigkeiten bei der DGQ aufgenommen, darunter die Leitung des Regionalkreises Braunschweig. Der konkrete Anlass für meine DGQ-Normungstätigkeit war dann, dass die Kalibrierrichtlinien für mechanische und elektrische Größen, die in ihrer Nomenklatur den Zusatz „DGQ“ tragen, inhaltlich unterfüttert werden sollten. Also bat mich die DGQ um Mitarbeit, was ich gerne angenommen habe.

Können Sie uns einen kurzen Überblick über Ihre wesentlichen Normungsengagements geben?

Beate Kulessa: Für die DGQ arbeite ich im Fachausschuss des Vereins Deutscher Ingenieure „VDI/VDE-GMA FA 4.12 Kalibrieren von Messmitteln für elektrische Größen“ mit. Dabei geht es um die Erarbeitung von VDI/VDE DGQ DKD-Kalibrierrichtlinien zum besseren Verständnis zwischen Kalibrierern einerseits und Nutzern andererseits. Des Weiteren bin ich Gast in der Regionalgruppe Hannover des DIN Ausschusses Normenpraxis (ANP). Hier fungiere ich als Schnittstelle zwischen dem DIN Ausschuss und dem DGQ-Regionalkreis Braunschweig. Das gibt mir die Möglichkeit, die Themen unserer Regionalkreis-Veranstaltungen in die Normung einzubringen.

Darüber hinaus bin ich in den DKD Fachausschüssen „Masse und Waagen“ sowie „Hochfrequenz und Optik“ tätig, in denen sich Leitende aus akkreditierten Kalibrierlaboratorien, Mitarbeitende der DakkS und der PTB zu aktuellen Themen austauschen.

Was ist für Sie das Spannende daran, wenn Sie ein neues Normungsvorhaben begleiten bzw. eine Norm mitgestalten?

Beate Kulessa: Über die rein formalen Fragen hinaus, ob und wie ich mein Fachwissen einbringen kann und welcher Zeitaufwand zu erwarten ist, ist für mich das Spannende an jedem neuen Normungsprojekt das intensive Ringen um klare Beschreibungen und die Diskussion zwischen den „alten Hasen“ und den Einsteigern, bis Konsens erreicht werden kann.

Welche Erwartungen richten Sie an die verschiedenen Akteure bei DGQ und DIN bzw. ISO?

Beate Kulessa: Normungsarbeit ist eine Daueraufgabe. Daher ist es wichtig, eine Kontinuität in der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Organisationen zu haben. Diese aufrechtzuerhalten bzw. weiterzuführen, halte ich für unerlässlich.

Wie erleben Sie Normungsarbeit und welche Hauptaktivitäten sind für Sie damit verbunden?

Beate Kulessa: Durch die Pandemiezeit ist auch in der Normungsarbeit die Online-Veranstaltung zur Hauptkommunikationsplattform geworden – für die Arbeit am Normentext ein inzwischen durchaus erfolgreiches und zeitsparendes Mittel. Einmal jährlich treffen wir uns zudem in Präsenz, sind dann bei einem Hersteller zu Gast und erleben den Stand der Technik unmittelbar. Diesen direkten Austausch empfinden alle Teilnehmenden stets als sehr inspirierend für die Zusammenarbeit und als mehrwertstiftende Ergänzung zur Online-Zusammenarbeit.

Wenn Sie einen Appell an den Nachwuchs aussprechen würden: Warum lohnt sich das Engagement in der Normungsarbeit?

Beate Kulessa: Das Großartige an der Normungsarbeit ist: Man schaut über den eigenen Tellerrand, lernt von den „alten Hasen“ und knüpft ein tolles Netzwerk. Die Zusammenarbeit macht Spaß und spätestens, wenn der Weißdruck der Norm bzw. Richtlinie erscheint, stellt sich ein Erfolgsgefühl ein.

Hinzukommt: Am Ende weiß ich als Beteiligte genau, warum, weshalb, wieso diese bestimmte Formulierung so und nicht anders gewählt wurde.

Kommen wir zu Ihrer Erfahrung in den Bereichen Akkreditierung und Zertifizierung: Sie waren bis vor Kurzem als Auditorin für die PTB tätig und sind aktuell als Begutachterin der DAkkS aktiv. Was macht hier für Sie den Reiz aus?

Beate Kulessa: Nach meiner Ausbildung bei der DGQ zur Qualitätsmanagerin und Auditorin hatte mich das QM-Fieber gepackt. Ich habe mit meinen Kolleginnen und Kollegen das Wissen geteilt und ihr Bewusstsein für den Auditierungsprozess, intern und extern, geweckt. Ab 2007 war ich in der Akkreditierungsstelle des DKD – später der DAkkS – tätig und habe mich auch dort um die Fortbildung der Begutachter bemüht.

Prüfen – Bewerten – Zertifizieren – Akkreditieren: Das gehört für mich zusammen und jeder Baustein hat etwas Tolles. Indem ich heute noch als Begutachterin unterwegs sein darf, erweitere ich mein Wissen kontinuierlich – damit sind wir wieder bei meinem eingangs genannten persönlichen Motto. War ich zunächst hauptsächlich als Systembegutachterin in Kalibrierlaboratorien unterwegs, bin ich das zurzeit mehr in Prüflaboratorien. Das ist deshalb spannend, da ich mich mit Verordnungen beschäftigen kann, die in unserem Alltag sichtbarer sind – wie beispielsweise die Trinkwasser-Verordnung.

Ihre Karriere haben Sie im Qualitätsmanagement begonnen und kamen in den Jahren danach beruflich mit verschiedenen Stationen der Qualitätsinfrastruktur in Berührung. Wie ist es Ihnen gelungen, diese unterschiedlichen Perspektiven miteinander zu verbinden?

Beate Kulessa: Nach meiner DGQ-Ausbildung im QM wurde ich zeitweise Teil der PTB-Arbeitsgruppe „Qualitätswesen“ und habe dort begonnen, interne Audits einzuführen. Die Verbindung in die Fachgruppen Explosionsschutz, elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) und Waagen hat mir geholfen, auch dort erste Auditversuche zu starten. In diesen Bereichen galten damals EU-Richtlinien, die Herstelleraudits vorsahen. Dadurch war es leicht, die Mitarbeitenden auch für interne Audits zu gewinnen: Was man extern vor Ort erlebte, konnte man mit den internen Gegebenheiten vergleichen und Verbesserungspotential für die eigene Tätigkeiten heben. Prozesse optimieren, Mauern einreisen, Neues testen und eine gewisse Neugier hat mir bei den unterschiedlichsten Tätigkeiten immer geholfen.

Welche Rolle kommt Ihrer Meinung nach der DGQ in der Qualitätsinfrastruktur zu und was ist das Spannende daran?

Beate Kulessa: Qualitätsinfrastruktur ohne die DGQ kann ich mir nicht vorstellen. Immerhin steckt Qualität bereits im Namen – das verpflichtet. Wir Mitglieder können im Namen der DGQ in der Normung mitarbeiten, in Netzwerkgruppen wie den Regionalkreisen mehr Bewusstsein und Verständnis für Regelungen und neue Entwicklungen schaffen sowie über Realisierungen im Unternehmen nachdenken.

Von zentraler Bedeutung ist: Qualitäter an den Schnittstellen zwischen Geschäftsstelle und Produktion müssen überzeugen können. Und über je mehr Wissen sie verfügen, desto erfolgreicher können sie das auch umsetzen. In diesem Sinne wünsche ich allen Qualitätern viel Erfolg dabei, engagiert euch in der Gemeinschaft der DGQ – hier bekommt ihr viel zurück.

 

Informieren Sie sich zur Normungsarbeit auf unserer Themenseite Normung

Normung und Standardisierung setzen Leitplanken für Gesellschaft und Wirtschaft. Als Fachgesellschaft hat die DGQ sich zum Ziel gesetzt, das Know-how und die Methoden im Bereich Qualität und Qualitätsmanagement weiterzuentwickeln, über neueste Erkenntnisse zu informieren und deren praktische Umsetzung zu fördern. Über die Entsendung haupt- und ehrenamtlicher Vertreter wirkt die DGQ sowohl in der nationalen als auch der internationalen Normungsarbeit zum Thema Qualität und Qualitätsmanagement aktiv mit. Weitere Informationen finden Sie dazu auf unserer Themenseite Normung »

Über den Autor: DGQ

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