Die Q-Welt von morgen gestalten: Als DGQ-Mitglieder in der Normung aktiv1 | 10 | 24

Q-Welt gestalten

Über die DGQ haben Mitglieder die Möglichkeit, sich aktiv in der Normung einzubringen und so Einfluss auf die Rahmenbedingungen des Qualitätsmanagements zu nehmen. Im Interview berichten zwei DGQ-Mitglieder, die seit Kurzem für die DGQ in der Normungsarbeit unterwegs sind, von ihrer Motivation, ihren Erwartungen und ersten Erfahrungen in der Welt von DIN, ISO & Co.

Prof. Dr. Linda Chalupova, Professorin für Umwelt und Nachhaltigkeit an der Hochschule Fulda, Mitglied im Leitungsteam des Fachkreises Nachhaltigkeit, ist in der Normung aktiv im DIN-Normungsausschuss 175-00-03 AA zur Erarbeitung der ISO 53001 – „Management Systems for UN Sustainable Development Goals – Requirements“.

Friedemann Weber, Senior Quality Manager bei BMTS Technology, engagiert sich im DIN-Normungsausschuss 147 00 01 AA mit dem Schwerpunkt Terminologie sowie im Rahmen der Revision der ISO 9000 in der Arbeitsgruppe WG2 SC1 „Revision of ISO 9000“ des für Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung verantwortlichen ISO Technical Committee 176.

Was war Ihre Motivation, sich in der Normungsarbeit zu engagieren?

 

Prof. Dr. Linda Chalupova Friedemann Weber
Meine Motivation? Ganz einfach: Nachhaltigkeit in den Alltag bringen! Normen bieten die Chance, gute Ideen fest zu verankern. Ich wollte sicherstellen, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Modewort bleibt, sondern in unsere Standards einfließt. Außerdem mag ich es, wenn Dinge klar und strukturiert sind – und Normen helfen uns, gemeinsame Spielregeln für ein nachhaltigeres Morgen zu schaffen. Normung ist für mich also wie ein Kompass. Die Arbeit in Normungsgremien bietet Nutzen in zweifacher Hinsicht: Man lernt Normen und ihre Entstehung sehr gut kennen und kann sie aktiv mitgestalten. Ein sehr anschauliches Beispiel stellt die nach ISO 9000 festgelegte Definition der Begriffe Nacharbeit und Reparatur dar. Diese Unterschiede sind für mich als interner Auditor wichtig, um eine korrekte Bewertung der Prozesse im Audit vornehmen zu können. Rückwirkend kann ich aus meiner beruflichen Erfahrung Einfluss auf die Beschreibung derartiger Begriffe nehmen, damit die Anwender aus der Norm auch einen Nutzen ziehen können.

Was ist Ihnen besonders wichtig, wenn Sie eine neues Normungsvorhaben begleiten bzw. eine Norm mitgestalten?

 

Prof. Dr. Linda Chalupova Friedemann Weber
Mir ist besonders wichtig, dass die Norm praxisnah und zukunftsorientiert ist. Sie muss so gestaltet sein, dass sie für Unternehmen umsetzbar ist und gleichzeitig ökologische und soziale Verantwortung fördert. Außerdem achte ich darauf, dass die verschiedenen Interessen –Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft – fair und sinnvoll abgewogen werden. Am Ende soll die Norm nicht nur Regeln setzen, sondern auch Innovationen anstoßen und den Weg für eine nachhaltige Zukunftsperspektive ebnen. Und wenn dabei kreative Lösungen herauskommen, die sogar Freude bereiten, dann habe ich mein Ziel erreicht. Normen sind wie Leitplanken in unserem Tun, die die Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen ermöglichen und vereinfachen. Daher kommt einem sinnvollen und anwendbaren Ausgestalten von Normen eine sehr wichtige Bedeutung zu. Wenn Normen abstrakt bleiben, fragt man sich schnell, welchen Sinn solch eine Norm hat. Nur Normen, deren Inhalt der Anwender versteht und in denen er dadurch auch einen Sinn sieht, finden im Alltag die nötige Akzeptanz.

Wie sind Sie zur aktiven Mitarbeit in die Normungsarbeit gekommen?

 

Prof. Dr. Linda Chalupova Friedemann Weber
Mein Weg in die Normungsarbeit begann, als ich merkte, dass viele nachhaltige Ideen oft an der Umsetzung scheitern, weil es keine klaren Standards gibt. Also dachte ich mir: Warum nicht selbst mitgestalten? Durchs Netzwerk hat sich dann ein Normungsweg ergeben. Jetzt bin ich Teil unterschiedlicher (inter-)nationaler Teams, die dafür sorgen, dass nachhaltige Lösungen nicht nur möglich, sondern auch zur Norm werden. Vor einigen Jahren las ich in der QZ Online einen Artikel über die Normungsarbeit. Der Artikel warb für die Mitarbeit in den DIN-Normungsgremien, woraufhin ich Thomas Votsmeier, Leiter Normung DGQ, mein Interesse schrieb. Es ging in dem Artikel u. a. um die Frage, wie erläutere ich einen Begriff derart, dass er sich überall auf dieser Welt einheitlich anwenden lässt. Es wurde in dem Artikel zu einer Mitarbeit in dem Normungsgremium für Terminologie eingeladen, was mich ansprach. Ich möchte gern an der transparenten Erarbeitung von Normen mitwirken.

Geben Sie uns einen kurzen Eindruck, wie Sie Normungsarbeit erleben und welche Hauptaktivitäten für Sie damit verbunden sind.

 

Prof. Dr. Linda Chalupova Friedemann Weber
Normungsarbeit ist für mich wie ein kreativer Workshop mit klarem Ziel. Es geht darum, unterschiedliche Perspektiven zusammenzubringen, intensiv zu diskutieren und am Ende eine Lösung zu finden, die für alle funktioniert. Hauptsächlich bin ich damit beschäftigt, Anforderungen der Praxis sowie Wissenschaft zu integrieren, Entwürfe zu prüfen und sicherzustellen, dass die Nachhaltigkeit nicht zu kurz kommt. Es ist spannend, weil man direkt sieht, wie aus Ideen handfeste Standards entstehen. Manchmal fühlt es sich an, als würden wir zusammen an einem riesigen Puzzle arbeiten. Ich erlebe die Normungsarbeit in sehr unterschiedlichen Facetten: Zum einen ringen wir teilweise um jedes Wort, wenn es um eine der Sache dienliche Formulierung geht. Zum anderen spielen auch nationale Interessen eine Rolle. Die Kunst liegt in einem für alle tragbaren Kompromiss.

Ist die Realität so, wie Sie sich die Normungsarbeit vorgestellt haben, oder gab es etwas, was sie überrascht hat?

 

Prof. Dr. Linda Chalupova Friedemann Weber
Die Realität der Normungsarbeit hat mich durchaus überrascht – positiv! Ich hatte erwartet, dass es viel starrer und formeller zugeht. Es sind lebendige Diskussionen, tiefgehende Fachgespräche und hin und wieder auch ein humorvoller Austausch, um die Kreativität am Laufen zu halten. Was mich besonders überrascht hat, ist der starke Zusammenhalt und das gemeinsame Ziel, wirklich etwas Gutes zu bewirken. Natürlich gibt es auch Herausforderungen, aber am Ende überwiegt das Gefühl, dass wir mit unserer Arbeit positive Veränderungen bewirken können. Und ehrlich gesagt: Das macht richtig Spaß – ich hätte nie gedacht, dass Normung so inspirierend sein kann. Nein. Mir war von Anfang an bewusst, dass Normungsarbeit kein Spaziergang ist. Hier sind fachliche und soziale Kompetenzen gefragt. In einem internationalen Gremium nehmen Vertreter aus vielen Ländern und damit sehr unterschiedlichen Kulturen teil. Es ist eine Kunst, neben dem eigentlichen Sachthema auch die verschiedenen Herangehensweisen so zusammenzuführen, dass alle Beteiligten sich verstanden wissen und mit dem Ergebnis mitgehen können. Gerade für diesen Prozess der Diskussion und der Konsensfindung ist die soziale Kompetenz wichtig.

Inwieweit konnte die DGQ Sie auf Ihrem Weg unterstützen?

 

Prof. Dr. Linda Chalupova Friedemann Weber
Die DGQ hat mich auf meinem Weg sehr gut unterstützt, indem sie wertvolle Netzwerke und praxisnahe Weiterbildungsmöglichkeiten bietet. Besonders schätze ich den Austausch mit Expertengremien aus verschiedenen Bereichen, der mir hilft, meine Blickwinkel zu erweitern. Die DGQ schafft eine Plattform, auf der Theorie und Praxis zusammenkommen, und das trägt dazu bei, mein Wissen in die Normungsarbeit effektiv einzubringen. Dank des Engagements von Herrn Votsmeier wurde ich schnell als Mitglied in den Gremien aufgenommen. Das DIN hat für die Aufnahme neuer Mitglieder einen eigenen Prozess: Man nimmt zunächst als Besucher an einer Sitzung teil. Bleibt man nach wie vor interessiert, kann man zwei weiteren Sitzungen besuchen. Anschließend wird dann durch das Gremium über die Aufnahme entschieden.

Welche Erwartungen richten Sie an die verschiedenen Player bei DGQ und DIN bzw. ISO?

 

Prof. Dr. Linda Chalupova Friedemann Weber
Meine Erwartungen an die Player bei DGQ, DIN und ISO sind klar: Zusammenarbeit auf Augenhöhe, Transparenz und Offenheit für innovative Ideen. Es ist wichtig, dass alle Akteure ihre Bedürfnisse einbringen und gemeinsam an praktikablen Lösungen arbeiten. Besonders erwarte ich, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Randthema ist, sondern zentral verankert wird. Wenn wir zusammen mutig und konstruktiv denken, können wir Normen schaffen, die wirklich langfristig tragfähig sind. Wir alle wollen von guten und sinnvollen Normen profitieren. Folglich erwarte ich während des Gestaltungsprozess ein Verständnis für die verschiedenen Ansichten. Jedes Mitglied in einem solchen Gremium vertritt sein Land und seine Branche wie Industriebranche, öffentliche Einrichtungen, usw. Somit treffen unterschiedliche Erwartungen und Ansichten aufeinander.

Wie würden Sie andere von einem Engagement in der Normungsarbeit überzeugen? Warum lohnt es sich?

 

Prof. Dr. Linda Chalupova Friedemann Weber
Normungsarbeit lohnt sich, weil man hier die Chance hat, die Spielregeln für die kommenden Entwicklungen mitzugestalten. Wenn Sie möchten, dass Ihre Ideen nicht nur in der Schublade landen, sondern wirklich etwas bewegen, ist dies der richtige Ort. Sie arbeiten mit Expert:innen zusammen, lernen ständig dazu und sehen direkt, wie Ihre Beiträge in konkrete Standards fließen. Außerdem: Es macht einfach Spaß, gemeinsam mit verschiedenen Teams an Lösungen zu feilen, die nachhaltig und praxisnah sind. Normung ist also nicht nur sinnvoll, sondern auch extrem erfüllend. Und wer weiß – vielleicht entdecken Sie dabei eine ganz neue Leidenschaft für das Setzen von Standards! Vom Engagement in der Normungsarbeit profitieren am Ende alle. Sie muss getan werden, denn sie bringt einen vielfältigen Nutzen. In einer globalisierten Welt wie heute helfen Standards und damit vereinheitlichte Prozesse, das Zusammenleben rund um den Globus zu vereinfachen: Wir erleichtern damit die weltweite Zusammenarbeit und sind somit effizienter. An diesem Nutzen sind wir alle interessiert.

Informieren Sie sich zur Normungsarbeit auf unserer Themenseite Normung

Normung und Standardisierung setzen Leitplanken für Gesellschaft und Wirtschaft. Als Fachgesellschaft hat die DGQ sich zum Ziel gesetzt, das Know-how und die Methoden im Bereich Qualität und Qualitätsmanagement weiterzuentwickeln, über neueste Erkenntnisse zu informieren und deren praktische Umsetzung zu fördern. Über die Entsendung haupt- und ehrenamtlicher Vertreter wirkt die DGQ sowohl in der nationalen als auch der internationalen Normungsarbeit zum Thema Qualität und Qualitätsmanagement aktiv mit. Weitere Informationen finden Sie dazu auf unserer Themenseite Normung »

 

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