Licht und viel Schatten am Tag der Pflegenden 202312 | 05 | 23

Tag der Pflege, Tag der Pflegenden, Hände, Schutz

Die Post-Corona-Zeit bringt den Pflegenden in Deutschland Ernüchterung. Sie fallen aus dem öffentlichen Aufmerksamkeits-Spot zurück in den täglichen Pflegenotstand. An ihrem Jahrestag stehen beruflich Pflegende hierzulande wieder im Schatten, es gibt nur wenige Lichtblicke.

Ein Aufschrei für die Branche

Das Jahr beginnt mit einem dramatischen Appell des internationalen Pflegerates. Der fordert angesichts des weltweiten Mangels an Pflegefach-Personal die Ausrufung des globalen Pflegenotstandes. Die Personal-Misere in dem Bereich ist also nicht auf unser Land beschränkt.

Hierzulande spitzt sich die Situation bereits seit geraumer Zeit zu. Das hatte auch die Ampel-Regierung konstatiert und im Koalitionsvertrag versprochen, die Herausforderung anzunehmen. Dort wird die Situation in der Pflege immerhin als „dramatisch“ beschrieben (Koalitionsvertrag 2021-2025 von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, S.81).

Schwache Signale aus der Politik

Tatsächlich waren die verantwortlichen Ministerien aber seit der Regierungsbildung vor allem mit der Bewältigung der Pandemie und anderer Krisen beschäftigt. Die Umsetzung der Pläne in Sachen Pflege ließ auf sich warten. Nun scheint sich endlich etwas zu tun.

Doch der Entwurf für das Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (PUEG) steht mächtig in der Kritik der Verbände, weil es zu wenige Antworten auf die im Koalitionsvertrag aufgeworfenen Fragen gibt. Mit einem weiteren Entwurf für ein Pflegestudiumstärkungsgesetz (PflStudStG) soll nun außerdem ein Anreiz für eine Teil-Akademisierung geschaffen werden. Dass die Attraktivität des Berufsfeldes Pflege durch Studienangebote steigen würde, ist zahlreich belegt. Die angekündigte Stärkung bezieht sich aber lediglich auf die Ausbildungsvergütung, die Studierende nun erhalten sollen – so wie bereits ihre Kolleg:innen in der grundständigen Ausbildung.

Damit kann zwar die Ungleichbehandlung aufgefangen werden, die nach der verpflichtenden Vergütung für Pflege-Berufsausbildungen entstanden war. Zur Benennung von Kompetenzen und Vorbehaltsaufgaben für Pflege-Akademiker:innen kommt es allerdings nicht. Das wäre die Voraussetzung für eine echte Steigerung der Attraktivität entsprechender Berufswege und des Berufsfeldes insgesamt. Doch dieser Schritt bleibt aus. Solange aber ein Pflegestudium keine wirklichen Vorteile für die spätere Pflege-Karriere bietet, wirkt eine Ausbildungsvergütung nur vordergründig.

Young Nurses und pflegende Angehörige

In diese Lage hinein starten in diesem Jahr die ersten Absolvent:innen der neuen Pflegausbildung. Die Reform hatte die Vorgängerregierung angestoßen. Deutschland verlässt damit einen jahrelangen Sonderweg, bei dem es unterschiedliche grundständige Ausbildungen in der Pflege gab und fasst sie zu einer sogenannten generalistischen zusammen – wie international üblich.

Das neue Curriculum ist inzwischen drei Jahre alt, also eine volle Ausbildungskarriere in der Pflege, und die ersten generalistisch ausgebildeten Pflegefachfrauen und -männer treten in den beruflichen Wettbewerb. Dort erwartet sie der pflegerische Alltag: die auseinanderdriftende Alterspyramide mit viel mehr Nachfrage als Angebot, ein überbordendes Regelwerk aus Gesetzen, Richtlinien, Vorgaben und nicht zuletzt die enorme Theorie-Praxis-Lücke – alles noch verstärkt durch großen Aufholbedarf in der Digitalisierung. In vielen Einrichtungen regiert der fachliche Rotstift. Und frisch gebackene Pflegefachleute müssen fortan lernen, einen verstetigten Mangel zu bewältigen. Das pflegerische Know-how der jungen Fachkräfte muss sich den Zwängen der „Rennpflege“ unterordnen und zu pflegende Personen so schnell wie möglich satt und sauber zu bekommen. Attraktive Arbeitsbedingungen in der Pflege bleiben flächendeckend ein Wunsch für die Zukunft.

Unter den geschilderten Defiziten leiden auch die pflegenden Angehörigen. Die bilden eigentlich die größte Pflegendengruppe. Sie erhalten mit den Reformen der Ampelkoalition etwas mehr Pflegegeld. Eine entscheidende Hilfe ist das nicht. Selbst auf einen eigenen Tag zu ihren Ehren warten sie noch!

Zu beklagen gibt es eine Menge. Doch wie sähe an diesem Tag die rosarote Pflegenden-Wunschwelt aus, gekrönt mit einem pflegefachlichen „Q“? Was Wertschätzung, Fachlichkeit und Attraktivität des Berufsfeldes anbelangt, könnten wir den Blick über die Grenzen wagen. In der Nachbarschaft gibt es gute Beispiele. Mit etwas Mut gegenüber der mächtigen Medizin-Lobby in Deutschland ließen sich aus den Niederlanden, Schweden und der Schweiz praktikable Rezepte kopieren, um den beruflich Pflegenden hierzulande ein attraktives Arbeitsumfeld zu kreieren. Wohlan, vielleicht im nächsten Jahr?

Über den Autor: Holger Dudel

Holger Dudel ist Fachreferent Pflege der DGQ. Er ist gelernter Krankenpfleger und studierter Pflegepädagoge und Pflegewissenschaftler. Er hat zuvor Leitungsfunktionen bei privaten, kommunalen und freigemeinnützigen Trägern der Langzeitpflege auf Bundesebene innegehabt. Qualität im Sozialwesen bedeutet für ihn, dass neben objektiver Evidenz auch das „Subjektive“, Haltung und Beziehung ihren Platz haben.

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