Darf ich Sie mal ‘was fragen? – Warum sind Sie eigentlich Qualitätsmanager oder -managerin geworden?26 | 01 | 22

Kleine Jungs meiner Generation wollten Lokführer, Feuerwehrmann, Astronaut werden. Oder das machen, was der Papa, der Opa, der Onkel Jupp machen. Mit Berufswünschen der damaligen Mädchen kenne ich mich weniger aus. Im Nachhinein wird mir aber noch einmal bewusst, wie geschlechtsspezifisch Berufswünsche damals waren und dass die beruflichen Rollenvorbilder in der Regel gleichgeschlechtlich waren. Was für Berufe finden Kinder heute erstrebenswert? Stimmt es wirklich, dass viele Kinder heute Influencer werden wollen? Lokführerin oder Lokführer bestimmt eher nicht.

Wissen Sie noch, wann Sie erstmalig vom Qualitätsmanagement und der Funktion Qualitätsmanagerin oder Qualitätsmanager – oder vor längerer Zeit eher QS-Leitung – hörten? Bei mir war das bestimmt erst nach der Schulzeit, wahrscheinlich während der Praktika im Rahmen meines Maschinenbaustudiums. Zuvor kannte ich keine Qualitätsmanagerinnen oder Qualitätsmanager. In meiner Familie, im Bekanntenkreis, in meinen Büchern, Filmen, Fernsehsendungen kam dieser Beruf nicht vor.

Es war und ich meine ist auch heute noch ein Quereinstiegsberuf. In den nun fast 30 Jahren, die ich im Fachgebiet QM & QS beruflich tätig bin, habe ich immer wieder beobachtet, dass es zumeist Zufälle sind, die Menschen in QM-Berufe bringen. Öfter, als andere in andere Funktionen? Ich meine schon. Meine Erfahrung ist auch, dass uns eher Opportunitäten oder Bitten und Vorschläge anderer ins QM  ziehen, als dass wir damit längst selbst gehegte eigene berufliche Ziele und Visionen verfolgen. Daraus kann dann etwas Gutes, können faszinierende berufliche Entwicklungen und auch Karrieren entstehen. Einige betraten aber auch eine berufliche Sackgasse, aus der sie schwer oder gar nicht herauskamen. Wie sieht das heute in Ihrem Unternehmen aus? Ist eine QM-Rolle Sackgasse oder ein Karrieresprungbrett?

Für den QM-Beruf gibt es – so wie für jeden anderen auch – zwei Sozialisationen, die für die Aufgabe und die in der Aufgabe. Sozialisation für die Aufgabe bedeutet, dass sich bestimmte Typen darauf einlassen beziehungsweise dafür ausgewählt werden. Sozialisation in der Aufgabe, dass uns diese typisch und nachhaltig prägt. Für einen fragwürdigen Teil dieser Prägung gibt es auch den schönen Begriff Deformation professionelle, welcher berufliche Macken oder die Übertragung beruflicher Elemente in den Alltag bezeichnet. Dazu gehört auch, dass eine Qualitätsmanagerin den Supermarktkassierer über die ISO 9001 belehrt oder von der Briefträgerin einen 8D-Report verlangt, weil ein großer Umschlag geknickt im Briefkasten liegt.

Mich selbst haben Zufälle ins QM geführt. Ich habe das auch schon mal bereut. Aber nicht lange. Ich werde nie erfahren, „was sonst aus mir hätte werden können“. Wenn ich eine Sache nennen sollte, die mich antreibt und für das QM motiviert, die mir Freude und Stolz bereitet, dann, dass ich wirklich einen Einfluss darauf habe, dass in unserem Alltag mehr Qualität entsteht. Dazu muss ich wissen (und in meiner DGQ-Rolle anderen vermitteln), wie das geht und was die Stellhebel dafür sind.

Dazu gehört für mich aber auch, dass ich alte Zöpfe erkenne und sie abschneide. Dass ich einzelne Konzepte, Traditionen, Methoden im QM gut und andere schlecht finde. Dass ich Qualitätsmanagerinnen und Qualitätsmanager respektiere und mich dennoch auch über einige typische Verhaltensweisen lustig machen kann. Dass ich offen sage, was im QM nicht oder nicht mehr funktioniert. Dass ich über Auswüchse und Rituale der Auditierung und Zertifizierung schimpfe. Und dass ich mehr mathematische Kompetenz fordere. Kritik von Führungskräften und Mitarbeitenden am QM nehme ich sehr ernst. Es spricht viel dafür, dass sie einen relevanten Kern hat. Mein Reflex ist nicht, sie zu kontern, sondern zu verstehen, warum sie entsteht und sich oft hartnäckig hält.

Doch nun will ich Sie fragen:

Warum sind Sie eigentlich Qualitätsmanagerin oder Qualitätsmanager geworden?

Wie kam es dazu? War das Ihr Ziel oder kam es zufällig und unerwartet dazu? War das ein glücklicher oder ein fataler Zufall? Und was haben Sie inzwischen daraus gemacht? Was hat das QM aus Ihnen gemacht? Sind Sie glücklich mit diesem Schritt? Erfolgreich? Würden Sie sich wieder darauf einlassen? Haben Sie diesen Schritt schon einmal bereut? Möchten Sie, dass auch Ihre Kinder diesen Berufsweg einschlagen?

Und noch einmal die Frage: Was hat das QM aus Ihnen gemacht? Wen hat es aus Ihnen gemacht? Was haben Sie gelernt, welche Fähigkeiten haben Sie sich angeeignet, welche Talente konnten sie ins Spiel bringen? Wie sehen andere Sie in dieser Rolle? Welches ist ihre deformation professionelle?

Wiederholt sich ihr Alltag? Verschafft Ihnen Ihre Rolle mehr Lust oder mehr Frust? Sind Sie noch offen für Neues? Muss oder soll alles so bleiben wie es ist? Oder muss oder soll sich Gravierendes ändern? Können, wollen und dürfen Sie ändern, was zu ändern ist? Wäre es für Sie besser, wenn Sie das QM verließen und etwas Anderes machten? Wäre es für das Unternehmen besser, wenn Sie das QM verließen und etwas Anderes machten?

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

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