Qualitätsmanagement in Zeiten der VUKA-Welt30 | 11 | 17
Wir befinden uns in Zeiten grundlegender Transformation, viele Unternehmen sind sogar der Disruption ausgesetzt. Der Begriff VUKA-Welt beschreibt anschaulich die gegenwärtige Situation von Volatilität (Flüchtigkeit/Schwankung), Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (Mehrdeutigkeit). Wir erleben, dass die Frequenz, Tiefe und Geschwindigkeit von Veränderungen stark zunehmen. Diese Innovations-und Veränderungsdynamiken stellen auch an das Qualitätsmanagement neue Anforderungen.
Die Wirksamkeit von Qualitätsmanagement stagniert oder sinkt sogar in vielen Branchen und es gibt viele und sehr unterschiedliche Ursachen dafür. Auch seine Akzeptanz ist zu oft zu gering, was zusätzlich die Wirksamkeit schwächt. Das klassische, heute prägende Qualitätsmanagement ist zu Zeiten und für Settings entstanden, die durch stabile Prozessorganisationen geprägt waren. Weil Qualität durchaus ein Mindestmaß an Stabilität benötigt, war es konsequent, dass sich Qualitätsmanagement häufig als Stabilitätsmanagement geriert. Dies äußert sich in der Stabilisierung von Prozessen und im Einhalten von Standards. Gleichzeitig sind diese stabilen Prozesse überhaupt erst die Basis für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). In der extremen VUKA-Welt erzeugt diese Art der Stabilität jedoch eher Probleme, weil sich die Welt schneller verändert als die Organisation und weil als Folge von Disruption oft neue Prozesse die etablierten verdrängen
Hinzu kommt, dass die Unternehmenskultur in vielen Organisationen einen limitierenden Faktor für Qualität darstellt. Es wird oft übersehen, dass Störungen oder problematische Ausprägungen der Unternehmenskultur häufig die letztendlichen Ursachen hinter Fehlern sind, die sich auf der technischen oder prozessualen Ebene zeigen. Qualitätsmanagement nutzt zwar die Begriffe Qualitätskultur und Fehlerkultur. Es fehlen ihm heute jedoch weitgehend Ansätze, Methoden und Werkzeuge, die geeignet sind, die Kultur der Organisation als zentralen Einflussfaktor zielgerichtet zu entwickeln und zu gestalten.
Im Qualitätsmanagement muss sich etwas grundlegend ändern, damit
- Qualitätsmanagement den gewachsenen Anforderungen und Möglichkeiten der Welt 4.0 gerecht wird,
- die Wirksamkeit von Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung sich verbessert, damit Menschen als Mitarbeiter mehr Qualität einbringen und Menschen als Nutzer mehr Qualität erhalten,
- Qualitätsmanagement wieder mehr Anerkennung erhält, so dass die Arbeit damit attraktiver und auch dadurch wirksamer wird.
Die DGQ hat vier Paradigmen erarbeitet, die dabei helfen sollen, dass Qualitätsmanagement auch in Zukunft erfolgreich ist:
- Qualitätsmanagement darf nicht mehr den Fokus allein auf Stabilität setzen, sondern muss zu jeder Zeit und immer wieder neu die richtige Balance zwischen Stabilität und Veränderung finden.
- Qualitäts- und Innovationsmanagement dürfen nicht mehr getrennt voneinander entwickelt und ausgestaltet werden. Sie gehören zusammen in ein Managementsystem, das selbst disruptiver wird und besser mit Disruption umgehen kann.
- Mehr noch als jemals zuvor muss Qualitätsmanagement den Menschen mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellen und zwar als Erzeuger und als Empfänger von Qualität. Es gilt emotionale Bedürfnisse der Empfänger, der Kunden, zu adressieren und den tiefliegenden Qualitätsstolz der Erzeuger, der Mitarbeiter, zu aktivieren
- Qualitätsmanagement muss die Organisationskultur in den Mittelpunkt seines organisationsentwicklerischen, systemgestaltenden Handelns stellen. Fachlichkeit und Infrastruktur sind wichtige Aspekte der Organisation, aber die Organisationskultur ist wichtiger in dem Sinne, dass Störungen auf dieser Ebene durch hervorragende Fachlichkeit und Infrastruktur allein nicht mehr ausgeglichen werden können.
In den nächsten Monaten gilt es nun, einen weiterentwickelten Qualitätsmanagementansatz auf Basis dieser Erkenntnisse und Prämissen auszugestalten. Dazu strebt die DGQ einen breiten Diskurs in der Fachgemeinschaft an. Wie bewerten Sie die vier Paradigmen? Welche Aspekte halten Sie für wichtig, damit QM auch in Zukunft erfolgreich ist?
Ich bin gespannt darauf, wie Sie unseren Ansatz bewerten und freue mich auf Ihre Kommentare und eine interessante Diskussion.
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