Normungsarbeit aus Fachkreis-Sicht: „Die Anwenderperspektive im Blick haben“26 | 09 | 24

Normungsarbeit im DGQ-Fachkreis

Viele DGQ-Ehrenamtliche wirken aktiv an der Entwicklung und Überarbeitung nationaler und internationaler Normen mit. Immer wieder haben auch die DGQ-Fachkreise durch ihre thematischen Schwerpunkte Schnittstellen zu aktuellen Normungsvorhaben. Nach der neu entwickelten Remote-Audit-Norm ISO 17012 begleitet der DGQ-Fachkreis „Audit und Assessment“ nun mit der Revision des Audit-Leitfadens 19011 aktuell zum wiederholten Mal ein ISO-Normungsvorhaben. Im Interview gibt Mathias Wernicke, Mitglied des Leitungsteams des Fachkreises und seit mehreren Jahren im Namen der DGQ in verschiedenen Normungsgremien aktiv, einen Einblick in seine Erfahrungen und die Wirksamkeit der DGQ-Fachkreisarbeit.

Herr Wernicke, als jemand, der seit längerer Zeit aus Überzeugung in der Normungsarbeit unterwegs ist: Warum sollten sich Menschen in der Normung engagieren?

Normung ist zwingende Grundlage zur Kommunikation zwischen unterschiedlichen Interessengruppen. Viele sagen: Normen sind reine Bürokratie – das ist so nicht richtig. Normen sind eine simple Notwendigkeit der Kommunikation zwischen unterschiedlichen Interessengruppen. Ohne Standards könnten wir uns national und international nicht einigen, es gäbe immer Streit um bessere Anforderungen. Und Streit ist tödlich für wirtschaftliche Beziehungen.

Normung ist damit auch Politik im technischen Sinne: Über Normung haben Organisationen die Chance, ihre Interessen industriepolitisch zu verankern, indem sie konkreten Einfluss auf ISO-Anforderungen nehmen, von denen sie am Ende selbst betroffen sind. Zudem erhalten Organisationen durch ihre Beteiligung an der Normungsarbeit auch einen wirtschaftlichen Vorsprung, weil sie so frühzeitig über geplante Vorhaben informiert sind. Nicht zuletzt entstehen durch die Normungsarbeit auch hilfreiche Netzwerke zwischen den teilnehmenden Organisationen: Diese bieten neben dem reinen Vernetzungsaspekt wiederum die Möglichkeit, die Positionen anderer Nationen in Verhandlungen und Diskussionen kennenzulernen.

Sie waren in den vergangenen Jahren in zahlreichen Normungsgremien aktiv. Welches waren Ihrer Meinung nach die wesentlichen Normungsprojekte und welche Rolle spielte dabei die DGQ?

Seit Gründung des Fachkreises „Audit und Assessment“ im Jahr 2015 bin ich für die DGQ in der Normungsarbeit unterwegs. Zuvor war ich bereits seit den 1990er Jahren über meinen Arbeitgeber an verschiedenen Positionen in der Normung tätig. Insbesondere die Arbeit zu allen großen Normungsvorhaben rund um vorige Revisionen der ISO 9001 oder die 2010er Revision der ISO 19011 stellten natürlich wesentliche Meilensteine dar. Auch die Arbeit an den ISO-Normen der 10.000er Reihe, darunter die ISO 10005 Qualitätspläne, hat mich sehr intensiv in meiner beruflichen Laufbahn begleitet. Weitere wesentliche Projekte umfassten die Auseinandersetzung mit Managementsystemnormen und ISO 31000 Risikomanagement über den Zentralverband der Elektroindustrie (ZVEI) sowie die Arbeit beim Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) an den militärischen Normen rund um die „Allied Quality Assurance Publications“ (AQAP). Die Begleitung der Normungsarbeit über den Fachkreis bietet nun eine weitere spannende Chance, auf die Zukunft des Qualitätsmanagements einzuwirken. Das hat sich kürzlich bei der Entwicklung der ISO 17012 für -umgangssprachlich – „Audits aus der Ferne“ gezeigt und sehen wir aktuell bei der Revision der ISO 19011.

Welchen Beitrag leistet denn die Fachkreisarbeit konkret zur Normung – Stichwort ISO 17012 – „Guidelines for the Use of Remote Auditing Methods in Auditing Management Systems“?

Zeitlich passend zum Start des ISO-Normungsvorhabens zum Thema Remote Audits haben wir schon 2022 im Fachkreis eine Veröffentlichung zu eben diesem Thema herausgegeben: Ein Impulspaper mit dem Titel „Das Remote Audit als zukunftsweisende Methodik für risikobasierte Audits“. Die Themen aus diesem Impulspapier wurden durch die Initiative eines Mitglieds ins Englische übersetzt und dienten unter anderem als Grundlage in den Diskussionen des DIN-Normenausschuss Qualitätsmanagement, Statistik und Zertifizierungsgrundlagen (NQSZ) und der ISO. Das ist ein tolles Beispiel für die Wirksamkeit der DGQ-Fachkreisarbeit.

Grundsätzlich kam das Thema „Remote Audits“ schon deutlich vorher im Fachkreis auf. Was viele nicht wissen: Remote Audits wurden bereits in der ISO 19011:2011 erwähnt. Daher hatten wir im Fachkreis bereits frühzeitig eine Tool-Sammlung zu diesem Thema angelegt. Durch die Veränderungen in der Arbeitswelt im Zuge der Corona-Pandemie ab 2020 hat es dann natürlich zusätzlich an Relevanz gewonnen.

Sie sind unter anderem auch bei der Revision der ISO 19011 – „Leitfaden zur Auditierung von Managementsystemen“ – aktiv. Welche Aufgabe übernimmt der DGQ-Fachkreis „Audit und Assessment“ dabei?

Wir begleiten die Revision als Fachkreis auf verschiedene Art und Weise. Zunächst, indem wir die auf internationaler und nationaler Ebene erarbeiteten Ergebnisse kommentieren. Die inhaltliche Arbeit an der 19011 geht allerdings erst richtig los, wenn der Committee Draft final formuliert ist. Geplant ist, dass wir dann im Fachkreis eine Art Spiegelgruppe zum zuständigen ISO-Gremium eröffnen, um in die konkrete Arbeit zu starten. Bis dahin haben wir schon einmal das Fundament bereitet: Das sieht so aus, dass wir im Fachkreis einen Arbeitsauftrag für uns formuliert und eine Arbeitsgruppe gegründet haben. In monatlichen Austauschrunden führten wir Abfragen und Brainstormings als Input für den NQSZ und zur Weitergabe ins ISO-Gremium durch. Über Thomas Votsmeier, Leiter Normung DGQ, haben wir so zahlreiche Kommentare in die erste Lesung des ISO-Gremiums eingebracht sowie zuletzt im September einen gemeinsamen konsolidierten Input mit dem NQSZ.

Wie würden Sie vor diesem Hintergrund die Rolle der DGQ-Fachkreisarbeit beschreiben?

Wir im Fachkreis sind die Anwender– und ggf. Leidtragenden – von Normen. Mit unseren Erarbeitungen wollen wir daher vorrangig praktische Hilfen für die Anwendung bieten, insbesondere mit Blick auf das interne Audit. Diese praktischen Hilfen können in Form von Workshops und Diskussionsrunden eines spezifischen Themas stattfinden, so wie in Kürze auf dem DGQ-Qualitätstag, oder von Veröffentlichungen wie etwa DGQ-Impulspapieren. So werden wir es natürlich auch hinsichtlich der aktuellen Normungsthemen rund um ISO 19011 handhaben – dass wir immer die Anwenderperspektive im Blick haben.

Können Sie einen Einblick in weitere derzeit anstehende Normungsprojekte geben, die Themen aus der Fachkreisarbeit abdecken?

Abgesehen von den Revisionen von ISO 9001 und ISO 9000, die natürlich sämtliche DGQ-Fachkreise grundsätzlich beschäftigen, rückt für uns derzeit das Thema integrierte Managementsysteme und deren Auditierung in den Fokus. In Kürze steht auf Beschluss des Technical Management Boards der ISO nach 2018 eine weitere Überarbeitung des IUMSS – „The Integrated Use of Management System Standards“ an. Dabei wird es darum gehen, das Dokument an aktuelle Themen anzupassen und neue Aspekte aufzunehmen. Statt wie bisher ein Handbuch soll es sich bei dem Ergebnis um einen Praxisleitfaden handeln.

Das Thema IMS bewegt auch das DGQ-Netzwerk und war in der Vergangenheit bereits Gegenstand einer Fachkreispublikation: Gemeinsam mit den DGQ-Fachkreisen „Risiko als Chance“ und „QM in der sozialen Dienstleistung“ wurde 2022 der „IMS-Kompass“ veröffentlicht, der Qualitätsverantwortlichen eine praxisorientierte Anleitung für die Implementierung und den Nutzen eines integrierten Managementsystems gibt.

Wie lautet Ihr Appell an andere Qualitätsverantwortliche, die über ein Engagement in der Normung nachdenken?

Normungsarbeit bietet immense Chancen: Ob als Einzelperson oder für die Organisation, man hat immer einen Benefit. Über Normung können wir nationale wie auch Unternehmensinteressen durchsetzen und so Nutzen erzeugen. Wir können nicht nur Managementsystemnormen, sondern auch Produktnormen positiv beeinflussen. Wir erhalten frühzeitig zukunftsweisende Informationen und sind Teil eines großen Normungsnetzwerkes.

Kurz gesagt: Mitarbeiten lohnt sich immer!

 

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8. DGQ-Qualitätstag

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