12 Sätze, die Ihr QM verbessern – 6. Satz: Effektivität geht vor Effizienz28 | 06 | 23

12 Sätze die ihr QM verbessern

Effizienz ist ein Leitparadigma der Wirtschaft. Auch eines der Evolution. Mit möglichst wenig Ressourcen möglichst viel erreichen. Wo Ressourcen im Überfluss vorhanden sind, – oder zu sein scheinen -, greift dieses Paradigma nicht. Im Ozean müssen Fische kein Wasser sparen. Dromedare in der Wüste schon. Wir haben jahrzehntelang so gelebt, als gäbe es Öl, Gas, Holz, Stahl im Überfluss.

Das uns im Qualitätsmanagement so vertraute Konzept „Kontinuierliche Verbesserung“ bildet eine Facette, eine Ausprägung des Effizienzparadigmas. Bei allen bewussten und gezielten Effizienzbestrebungen dürfen wir jedoch nicht übersehen, dass vor der Effizienz die Effektivität zu stehen hat. Zunächst einmal müssen wir eine gewollte Wirkung erzeugen, dann müssen wir uns damit befassen, diese Wirkung immer ressourcensparsamer zu erbringen. Oder bei gleichem Ressourceneinsatz einen besseren Effekt zu erzielen. Natürlich dürfen wir bei der initialen Planung bereits auch Effizienz anstreben. Wie aber der obige Satz betont: die Effektivität hat Vorrang vor der Effizienz. Komplexere Prozesse so zu planen, dass sie von Beginn an einen sehr hohen Effizienzgrad haben, ist schwierig, wenn nicht unmöglich. Wir benötigen Zeit für Iterationen aus Messen, Lernen und Anpassen. Iterative Verbesserung wäre eine trefflichere Bezeichnung als Kontinuierliche Verbesserung.

Gibt es Effizienz ohne Effektivität? Theoretisch dürfte es sie nicht geben, praktisch ist sie weit verbreitet. Effizienz ohne Effektivität ist Aktionismus. Aktionismus ohne Zweck, ohne Ziel. Es gibt auch so etwas wie Effizienz zweiten Grades: eine unsinnige Fahrt mit einem sparsamen Automobil. Effizient wäre es gewesen, die Fahrt zu vermeiden oder ihr einen Zweck zu geben. Ist Freude am Fahren heutzutage schon ein ausreichender Zweck?

Audits, das Qualitätsmanagement, Besprechungen, Prüfungen, … sollen effizient sein? Gerne. Zunächst aber effektiv, bitte!

 

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Die Idee für diese Reihe habe ich dem Buch „50 Sätze, die das Leben leichter machen“ von Karin Kuschik (rororo 2022) entnommen. Ich fand sie großartig und deshalb habe ich sie für uns aufgegriffen.

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

4 Kommentare bei “12 Sätze, die Ihr QM verbessern – 6. Satz: Effektivität geht vor Effizienz”

  1. adc1314835a736d581de12f85df6c725 Mathias Wernicke sagt:

    Zum Thema „Kontinuierliche Verbesserung“ ist zu sagen, dass in der Norm 9000:2015 der Begriff „fortlaufende Verbesserung“ für die englischsprachige Benennung „continual improvement“ verwendet wird. Damit ist die wiederkehrende Tätigkeit des Verbesserns gemeint, die eben nicht „kontinuierlich“ erfolgen muss. „Iterativ“ im obigen Artikel stellt genau diesen Zusammenhang dar: Messen, Lernen und Anpassen im Sinne des PDCA.
    Eine m.E gute Darstellung des Zusammenhangs von Continuous und Continual stellt der englischsprachige Artikel von Dennis Morgan in LinkedIn dar:
    https://www.linkedin.com/pulse/difference-between-continuous-improvement-continual-dennis-j-morgan/

    1. 12fad89dbfa0bd7577219e8081bbd19e Benedikt Sommerhoff sagt:

      Danke für die Erinnerung, Mathias, Du hattest es mir schon einmal gesagt, aber es bedurfte bei mir wohl der Wiederholung. Bei mir hat sich der Begriff continuous offensichtlich sehr hartnäckig festgesetzt.

  2. 26c0aeaafd7f863ac6f8c4db26f1a74d Andrea Schranck sagt:

    Hallo Herr Sommerhoff, jetzt schmeißen Sie aber alles durcheinander! Für mich sind die Begrifflichkeiten ganz klar getrennt und die Fortlaufende Verbesserung bezieht sich auf die im IMS integrierten Bereiche Qualität, Arbeitsschutz, Energiemanagement und was sonst noch im jeweiligen System abgebildet ist. Da ist von Wirtschaftlichkeit nie die Rede, sondern von Kundenforderungen und Compliance. Es geht immer um Effektivität, d.h. Zielerreichung, wobei das Ziel der Kundenwunsch ist. Basta! Wie das Unternehmen diese Ziele am effizientesten umsetzen kann, ist alleine Aufgabe der GL.
    Mit der zunehmenden Integration von Nachhaltigkeitsthemen verschieben sich gerade Kundenwünsche, Compliance und damit sowohl die Effektivität, denn das Ziel ist ein anderes geworden und ganz erheblich auch die Effizienz, denn wir sprechen nicht mehr alleine von Wirtschaftlichkeit, sondern von „zumutbarer Wirtschaftlichkeit“, lt VALeri. Was wir jetzt wirklich endlich integrieren müssen, ist das Zusammendenken von Ökologischen, Sozialen und Ökonomischen Zielen in Einklang mit dem was unsere Kunden wollen. Das wird in Zukunft erheblich zu Lasten der Ökonomie gehen, denn der verpasste Umstieg auf Erneuerbare Energie, Kreislaufwirtschaft und damit effektive (nicht effiziente!) Abfalltrennung – und Wiederverwertung wird von der weltweiten Industrie einen Paradigmenwechsel fordern. Und Ihr Beispiel zur Effizient zweiten Grades ist schlicht Verschwendung. Schwierig wird für viele Unternehmen die Entscheidung werden, ob sie zu den neuen nachhaltigen Bedingungen überhaupt noch wirtschaftlich produzieren können, wenn Kunden die erhöhten Kosten für nachhaltige Produktion nicht zahlen wollen (weil China billiger anbieten kann?). Also Geld oder Leben!

  3. 2f02b6ad85b3d3ecb6623929f6702f49 Manuela Sarodnick sagt:

    Hallo Herr Sommerhoff,
    in unserem integrierten Managementsystem sind nicht nur Kunden- sondern auch Unternehmensziele hinterlegt – die hoffentlich nicht nur bei uns mit Bezug zu (und damit anteilige Effizienzentwicklungen) sinnvoll darstellen sollen. Von daher gebe ich Ihnen Recht.
    Wenn eine Vielzahl der Prozessdurchläufe nicht effektiv zum gewünschten Resultat führen, macht es wenig Sinn, die wenigen Resultate in der Effizienz zu betrachten… Überhaupt dort anzukommen, wo man hinwill ist vor der Betrachtung wie es besser geht immer der erste wichtige Schritt. Unabhängig vom Thema.

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