Positive Formulierungen in Auditberichten29 | 03 | 16

Interne Auditoren stehen bei der Berichterstattung ihrer Audits oft vor einem Gewissenskonflikt: Auf der einen Seite wollen sie als Unterstützer bei der Prozessverbesserung und der Gewinnung von Chancen von den Auditierten wahrgenommen werden. Auf der anderen Seite sollen sie ungeschönt auch über Risiken und Nichtkonformitäten berichten, um notwendigen Maßnahmen Gewicht zu verschaffen.

Da ist der Konflikt vorprogrammiert: Beschönigen die Auditoren, werden Probleme möglicherweise nicht mit dem gebotenen Ernst angepackt. Bei zu „harter“ Gangart wird beim nächsten Audit wahrscheinlich alles getan, um unangenehme Themen zu verschleiern oder zumindest nicht als Potenzial für Verbesserungen zu benennen.

Ungeachtet dessen, dass Auditberichte IMMER die Fakten darstellen müssen, ist es dem Auditor freigestellt, bei der Wortwahl respektvoll und konkret so zu formulieren, dass Nichtbeteiligte am Audit nicht voreilige Schlüsse ziehen und unangemessene Sanktionen folgen lassen. Weder ISO 9001 noch ISO 19011 verlangen, dass bei Audits „Mängel“ aufzudecken oder „Versäumnisse“ zu berichten sind. Auch die Terminologie aus Zertifizierungsaudits ist nicht zwingend zu übernehmen.

Auditbericht: Negative Ergebnisse als Potenziale sehen

Damit die Auditierten trotz festgestellter Abweichungen eher bereit sind, auch negative Ergebnisse als Potenziale zu sehen, haben wir versucht, diese Situation mittels positiver Formulierungen zu entschärfen. Wir, das sind die Mitglieder im DGQ-Fachkreis Audit und Assessment, der sich dafür einsetzt, dass Unternehmen Audits zur Erreichung ihrer strategischen Ziele nutzen.

Berufsbild Auditor

Für die Integrität und Zuverlässigkeit von Unternehmen ist das Einhalten von gesetzlichen, behördlichen und normativen Vorgaben und Anforderungen essenziell. Neben dem Feststellen der Konformität können im Rahmen eines Audits unter anderem bewährte Praktiken erkannt, Lücken identifiziert und Optimierungspotenziale aufgedeckt werden. Auditoren können so einen entscheidenden Beitrag für das Unternehmen leisten und haben gute Karriereaussichten in den verschiedensten Branchen.
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Auditor:

  • Welche Aufgaben betreuen Auditoren?
  • Wie werde ich Auditor?
  • Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es?
  • Was verdient ein Auditor?
  • Welche Karrieremöglichkeiten gibt es als Auditor?

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Folgende Formulierungen – deutsch und englisch – können Sie wählen, um deutlich zu machen, welche Potenziale negative Ergebnisse bergen:

  • Die Schulungsmaßnahmen wurden vollständig zeitnah durchgeführt. Die Befragung im operativen Umfeld ergab allerdings, dass die Umsetzung noch nicht flächendeckend (erst zu N Prozent) erfolgt ist.The training was completed in due time. It became clear during interviews with the operatives, that this was not fully (only N percent) effective.
  • Das Ergebnis erfüllt noch nicht vollständig alle Anforderungen. Es wurden N Maßnahmen zur Lösung vereinbart (bis zum…).The result does not yet fulfill all requirements. N measures were agreed to solve it (until…..).
  • Die vereinbarten Maßnahmen aus dem letzten Audit konnten aufgrund immer neuer Prioritäten (der Organisation) nicht vollständig erledigt werden. Die Bewertung der offenen Themen ergab keine besonderen Risiken. Die Auditoren empfehlen (dringend) eine zeitnahe Eskalation zum Prozessverantwortlichen bei erneutem Prioritätenkonflikt zur Vermeidung von Nachteilen (für die Organisation / die Beteiligten….)The agreed measures from last audit could not be fully completed in due time as new priorities were set (by the organisation). The evaluation of open items showed no significant risks. The auditors (urgently) recommend a timely escalation to the process responsibles next time to avoid negative consequences (for the organisation / the people involved…..)
  • Die Verantwortlichen haben N Trainings / Verbesserungsaktivitäten in den letzten N Monaten durchgeführt. Alle Trainings wurden sorgfältig dokumentiert. Die Auditoren empfehlen, einen kurzen Test nach jeder Session durchzuführen, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmer zu steigern.The responsible persons initiated trainings / improvement sessions N times in the last N months. All trainings were carefully documented. The auditors recommend a short test after each session to enhance attentiveness of the trainees.
  • Die Prozessanforderung „Archivierung“ wird durch Verwendung eines lokalen Tools erfüllt. Um den Zugriff von anderen Orten zu ermöglichen, ist (unbedingt) das Tool „xxx“ zu verwenden.Process requirement „archiving“ is fulfilled by usage of local tools. To ensure also international access the tool „xxx“ has to be (mandatorily) used.
  • Aus Sicht der Auditierten ist die Prozessabfolge „X“ im Projekt xxx nicht wertschöpfend. Der Prozessmanager wird gebeten, dies im Sinne der Erhöhung der Effizienz zu überprüfen und – bei positiver Bewertung – diese Prozessabfolge auswählbar und nicht zwingend zu machen. (Dies könnte etwa fünf Stunden pro Vorgang einsparen).From auditees point of view the realisation of process sequence „X“ is of no value in project xxx. For efficiency reasons the process manager is requested to check and  – if in agreement – make this sequence selectable and not mandatory. (This would save 5 hours per test).
  • Um das Risiko finanzieller Folgen (Pönalen) zu minimieren, muss jeder einzelne Prozessschritt sorgfältig dokumentiert werden. Die globale Aussage „alle Tests wurden erfolgreich durchgeführt“ ist (in diesem speziellen Fall) nicht ausreichend.To minimize the risk of financial consequences (penalties) every single process step has to be carefully documented. It is not enough to give a statement „all tests performed successfully“ (for this special case).

Sicher werden die positiven Formulierungen nicht in jedem Fall und in jeder Unternehmenskultur zum Erfolg führen, aber einen Versuch ist es wert. In der Praxis sind jedenfalls damit schon gute Erfolge erzielt worden.

Welche Vorschläge haben Sie?

Haben Sie weitere Beispiele und Anregungen, wie man Auditergebnisse positiv und wertschätzend formuliert? Kommentieren Sie gern diesen Blogbeitrag. Wir sind auf Ihre Ideen gespannt.

Sind Sie DGQ-Mitglied und haben Lust, sich aktiv im Fachkreis einzubringen und sich mit Experten zu diesem Thema auszutauschen? Dann melden Sie sich bei Maria Zabel mz@dgq.de an. Wir freuen uns auf einen spannenden Austausch. Falls Sie noch kein Mitglied sind, haben Sie die Möglichkeit, die Mitgliedschaft drei Monate kostenfrei zu testen und diese und weitere Fachkreise kennenzulernen. Schnuppermitglied werden

 

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Über den Autor: Mathias Wernicke

Mathias Wernicke hat 35 Jahre Erfahrung in der Anwendung, Gestaltung und Zertifizierung von Managementsystemen. Neben interkulturellen Herausforderungen waren immer zwei Gedanken präsent: Bestehende komplexe Systeme zu vereinfachen und sie den Menschen im Unternehmen nahezubringen. Wernicke ist Trainer und Prüfer der DGQ, engagiert sich im Fachkreis Audit und Assessment, hat den Vorsitz im DIN Normenausschuss Organisationsprozesse und hält Vorlesungen zum Thema Integration von Managementsystemanforderungen an Hochschulen.

6 Kommentare bei “Positive Formulierungen in Auditberichten”

  1. 8dec50bda25b367168df67d3603818ca Karlheinz sagt:

    Hallo Mathias
    gute Formulierungsvorschläge für die Praxis. Vor dem Audit sollte ein Leitfaden sein um Missverständnisse beim Audit zu vermeiden und deine positiven Beurteilungen bei den Auditierten auch ankommen. (Story 17 – FK Audit & Assessment) Habe dies mal unter der Überschrift „10 Gebote“ versucht.

    10 Gebote
    zur Vermeidung von Missverständnissen bei Audits (intern/extern)
    1. An Gott glauben wir (jeder wie er es für richtig hält) für alles andere brauchen wir Daten.
    2. An der Strasse des Audits wird ständig gebaut. Die klassischen Abläufe eines Audits müssen neu beschritten werden. Die Spielregeln, Spielfelder und Handlungsräume müssen allen Mitspielern bekannt sein und auch angenommen werden.
    3. Audits sind keine Kontrolle sondern ein wichtiges Controlling – Instrument.
    4. Audits / Auditoren dürfen keine „verbrannte Erde“ hinterlassen, nach dem Motto: „Ich kam, sah und ging wieder.“, sondern bleibende, kontinuierliche und machbare Lösungen präsentieren.
    5. Audits / Auditoren müssen die Sprache der Auditierten sprechen. Du solltest als AuditorIN kein „Fach“ – Chinesisch und kein „Jäger“ – Latein anwenden. Spreche in der Sprache der Auditierten. Fach – Begriffe müssen deutlich präsentiert werden.
    6. Audits brauchen nicht nur Flügel sondern auch die Praxis zum landen. Auditierte sind Mitspieler, die in Ihrem Arbeits – Alltag feste Strukturen und Abläufe haben. Veränderungen brauchen Zeit.
    7. Audits sind wichtige Prozesse zur Verbesserung der Qualitätssicherung.
    8. Audits brauchen einen klaren Auftrag und eine klare und eindeutige Zielrichtung. Alle am Audit – Prozess beteiligten müssen ihre Rollen kennen und sich mit diesen identifizieren. Ein Audit gelingt nicht wenn die Mitspieler Ihre Rollen nicht „verinnerlichen“.
    9. Audits sind keine einmaligen Prozesse sondern sind ein Kontinuierlicher Verbesserungsprozess der in dem normalen QM – „Alltag“ ständig präsent sein muss.
    10. Wenn DU als AuditorIN immer Recht haben willst dann gehe zurück zu Nr. 1 und fange noch mal von vorne an.

  2. 530e77c97da325220223aee191fd7638 Mathias Wernicke sagt:

    Danke Karlheinz,

    Jetzt werden die Beispiele in den passenden Rahmen gesetzt.

  3. cb847beffa14f88c74f61f0c805b5310 Corinna Grudzinski sagt:

    Gute Anregungen; positive Formulierungen (trotz aller Sachlichkeit bei Abweichungen) motivieren – meiner Meinung nach – deutlich mehr.
    Die engl. Übersetzungen gefallen mir gut, prakmatisch für die Anwendung.
    Vielen Dank dafür!

    1. adc1314835a736d581de12f85df6c725 Mathias Wernicke sagt:

      Gerne Frau Grudzinski!

  4. a04ac7b4a9628ee7bb89335481406cde Elisabeth Trubel sagt:

    Wichtiger noch als positive Formulierungen im Auditbericht finde ich eine positive Herangehensweise des Auditors im Audit selbst. Aus Stärken lässt sich viel leichter und vielleicht auch sogar mehr lernen als aus Defiziten. Beispiel: Die Aufmerksamkeit der Teilnehmer in den Trainings sollte verbessert werden. Frage 1: In welchen Trainings ist die Aufmerksamkeit hoch? Frage 2: Warum? Frage 3: Was kann aus den erfolgreichen Trainings gelernt werden? Frage 4: Welche Empfehlungen lassen sich daraus für die Zukunft ableiten?
    Diese Herangehensweise ist dem Ansatz der „Appreciative Inquiry/Wertschätzenden Erkundung“ entnommen und kann sehr bereichernd in Auditgepsrächen eingesetzt werden.

  5. adc1314835a736d581de12f85df6c725 Mathias Wernicke sagt:

    Dies, Frau Trubel, ist ein weiteres Thema, mit dem sich der Fachkreis Audit und Assessment beschäftigt: In diesem Artikel sollte explizit die Problematik der Berichterstattung im Fokus stehen, da durch unbedachte Formulierungen die erzielte positive Haltung der Auditpartner wieder zunichte gemacht wird.
    Danke für Ihren Beitrag, den wir gerne mit in die weitere Diskussion aufnehmen.

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