Pflegeroboter im Einsatz – Chance oder Risiko?5 | 02 | 19

Sie mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen: Die Vorstellung, dass ein Pflegeroboter durch die Flure von Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen fährt. Dass er mit Patientinnen und Patienten interagiert, Personal durch Bereitstellung von Daten unterstützt oder Hol- und Bringdienste absolviert. Doch können Pflegeroboter uns mehr nutzen, als wir denken?

Der demografische Wandel, die Überlastung von Pflegekräften und wachsender Personalmangel zwingen das System zu innovativen Ideen. Zunehmend wird daher über den Pflegeroboter diskutiert. Bisher existieren keine aussagekräftigen Studien. Zudem fehlt die Praxiserfahrung um abzuschätzen, was Pflegeroboter in Zukunft leisten und wie sie entlasten können. Im Gegensatz zu Japan, wo die neuen technologischen Möglichkeiten im Bereich der Pflege bereits eingesetzt werden, sind in Deutschland nur vereinzelte Projekte mit Pflegerobotern implementiert. Hierzu gehören zum Beispiel der Care-o-bot, den das Fraunhofer IPA als „interaktiver Butler“ für Hol- und Bringdienste, als Unterstützung in Notfällen aber auch zur Unterhaltung und Kommunikation entwickelt hat . Der Roboter Paro hingegen ist einer Baby-Robbe nachempfunden und wird zu therapeutischen Zwecken vor allem bei demenzkranken Patientinnen und Patienten eingesetzt.

Soll der Roboter den Menschen ersetzen?

Für die Menschen in Deutschland ist der Einsatz dieser Roboter in der Pflege in Zukunft nicht unwahrscheinlich. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Befragten einer repräsentativen Studie des Digitalverbandes Bitkom gehen davon aus, dass in zehn Jahren Pflegeroboter vor allem im Bereich schwerer körperlicher Arbeit das Pflegepersonal unterstützen werden. Für 45 Prozent werden dann auch die Zubereitung oder das Servieren von Mahlzeiten oder Getränken von Service-Robotern übernommen. Skepsis zeigen die Befragten vor allem im Bereich der emotionalen Zuwendung. Den Einsatz von sogenannten Kuschelrobotern sehen nur 28 Prozent als wahrscheinlich an.

Neben der Frage nach dem Nutzen stehen auch ethische Vorwürfe im Raum: Soll der Roboter den Menschen ersetzen? Sieht so die Pflege der Zukunft aus? Probleme können sich auch aus der Perspektive von Datensicherheit und Datenschutz ergeben.

Guter Kollege oder eine Maschine ohne Empathiefähigkeit?

Als Entlastung für Pflege- und Krankenhauspersonal gelten Pflegeroboter schon seit einiger Zeit als Allround-Lösung. Sie können assistieren, Routineaufgaben übernehmen und dem Personal mehr Handlungsspielräume eröffnen. Der Fachkräftemangel in der Pflege wird immer problematischer. Zum demografischen Wandel gesellt sich die zunehmende Unattraktivität der Ausbildung. Schlechte Bezahlung und prekäre Arbeitsbedingungen sind für junge Menschen nicht gerade einladend. Diese Umstände wirken sich auch auf die Qualität in der Pflege aus. Kann ein Roboter es richten?

Zur Entlastung der Pflegekräfte könnte der Roboter Pflegeutensilien und Medikamente holen oder Essen bereitstellen. Dadurch hätten Pflegekräfte mehr Zeit, sich um die  Versorgung der Patientinnen und Patienten zu kümmern. Für Pflegepersonal dürften Roboter aber vor allem eines sein: Maschinen, denen Empathiefähigkeit fehlt. Viele sehen den Einsatz eines Roboters daher skeptisch. Die Sorge, moderne Technologie könnte „echte“ Menschen ersetzen wiegt schwer. Als Assistent kann der Roboter jedoch helfen, bestehende Mängel auszugleichen. Es sollte klar sein, dass der Roboter die Pflegekraft nicht „ersetzen“ soll, sondern sie lediglich unterstützt, vor allem in der Erledigung körperlich anstrengender Tätigkeiten. Wird der Roboter in Prozesse mit eingebunden, können Abläufe optimiert werden. Dies ist nur unter der Voraussetzung möglich, dass der Roboter einwandfrei funktioniert, und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult werden.

Investitionskosten könnten in die Gehälter der Pflegekräfte fließen

Im Moment wäre die Anschaffung eines Roboters allerdings vor allem eines: sehr teuer. In Hinblick auf die Kosten, könnte ein Roboter, langfristig betrachtet, rentabel sein. Gerade wenn in Zukunft mehr Roboter produziert würden und auf den Markt kämen, würde der im Moment sehr hohe Anschaffungspreis sinken. Ist er erst einmal angeschafft, kostet er kein Gehalt und verursacht keine Personalzusatzkosten (Krankheit, Urlaub etc.). Dennoch sollten Wartungs- und Personalschulungskosten mit eingeplant werden. In der Regel müssten Krankenhäuser sich auch rechtlich aufgrund des Themas Datenschutz Rat einholen. Leider gibt es über die Kostenaufwendungen keine genauen Studien. Die Investitionskosten für einen solchen Roboter könnten jedoch auch in die Gehälter der Pflegekräfte oder in zusätzliche Stellen gesteckt werden. Dementsprechend geht es hier vor allem um eine Abwägung unterschiedlicher Interessen und um eine größere Frage. Wie sehen die Strukturen und der Personalmangel der Pflege in ein paar Jahren aus?

Schweigepflicht, Datenschutz und Datensouveränität müssen Voraussetzung sein

Zur Diskussion steht auch, ob Roboter als Assistent bei der Visite agieren können, selbst Sprechstunden abhalten oder Medikamentenvergabe und -ausgabe überwachen können. Ist der Roboter mit einem kleinen Bildschirm ausgestattet, wären Patientendaten sofort abrufbar. Diese Roboter können auf diese Weise sensible Gesundheitsdaten der Patientinnen und Patienten speichern und verarbeiten.

Einrichtungen, die Gesundheitsdaten erheben, verarbeiten oder nutzen müssen hier besonders aufmerksam mit den sensiblen Patientendaten umgehen. Auch in der EU-DSGVO nehmen diese Daten eine besondere Stellung ein. Zu den Gesundheitsdaten gehören laut  Artikel 4 Nr. 15 der DSGVO personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit eines Patienten beziehen und aus denen Informationen über den Gesundheitszustand hervorgehen. Dies umfasst beispielsweise Informationen zu aktuellen Erkrankungen, Diagnosen oder Therapien sowie einzelne gesundheitsbezogene Informationen, wie zum Beispiel Blutzuckerwerte, Blutdruckwerte, Ernährungsverhalten etc. Werden diese Daten von einem Pflegeroboter oder generell im Rahmen von vernetzten Medizinprodukten erhoben und verarbeitet, müssen sie auch vor dem Zugriff Dritter geschützt sein. Digitalisierung wird nicht selten mit totaler Datentransparenz in Zusammenhang gebracht. Vor allem wenn es bei der Sammlung von Daten um Gewinnmaximierung geht. Gerade im Bereich der Pflege sollte die zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitswesens nicht das Motiv für den Einsatz von Pflegerobotern sein. Schweigepflicht, Datenschutz und vor allem Datensouveränität sollten die Grundlage eines jeden Einsatzes von Pflegerobotern sein.

Die technischen Voraussetzungen für IT-Sicherheit sind da, das Bewusstsein fehlt häufig noch

Die mögliche Vernetzung von Geräten wie Pflegerobotern stellen ein nicht zu unterschätzendes Risiko für sensible Patientendaten dar. Der Schutz dieser Daten muss gewährleistet sein, bevor über einen Einsatz von Pflegerobotern nachgedacht wird. Nicht nur die Krankenhaus-IT, Datensätze mit sensiblen Informationen oder Software, sondern auch die Roboter, die als Assistenten in der Pflege eingesetzt werden, können zukünftig das Ziel von Kriminellen sein. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, muss die Sicherheit der Patientendaten zunehmend in den Fokus rücken. Die passenden Bestimmungen, Normen und Werkzeuge für einen sicheren Einsatz von Pflegerobotern gibt es bereits: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bietet die „IT-Grundschutz-Kataloge“, die EU-DSGVO regelt den Schutz sensibler Daten und die Norm ISO/IEC 27001 stellt einen Leitfaden für ein Informationssicherheits-Managementsystem dar. Mit der zunehmenden Digitalisierung muss auch ein grundlegendes Bewusstsein für die Risiken und die nötige Sicherheit der sensiblen Daten einhergehen. Die technischen Möglichkeiten für vorbeugende IT-Sicherheits- und Notfallkonzepte sind vorhanden, das Bewusstsein für die Notwendigkeit fehlt allerdings häufig noch.

Die Gesundheitsbranche steht vor großen Herausforderungen – der Pflegeroboter allein kann sie nicht lösen

Alles in allem birgt das Thema einige Brisanz. Zum einen erweckt die Debatte teilweise den Eindruck, ein politisches Problem könne mit Robotern gelöst werden. Zum anderen dürfte es Pflegekräfte frustrieren. Denn Wertschätzung, faire Bezahlung und prekäre Arbeitsbedingungen sind schon lange ein Thema der Branche. Anstatt politisch dagegen gezielt vorzugehen, könnte ein Vorwurf sein, dass der Pflegeroboter einen Schleichweg um das eigentliche Problem herum ermöglicht. Kann Personalmangel und Überlastung tatsächlich durch modernste Technologie ausgeglichen werden? Eine Frage, die schwer zu beantworten ist. Auch das Bewusstsein für die Risiken für sensible Patientendaten dürfen beim Einsatz von Robotern nicht unterschätzt werden. Schweigepflicht, Datenschutz und die Datensouveränität der Patientinnen und Patienten sollten im Zentrum der Diskussion über einen möglichen Einsatz stehen.

Positiv hervorzuheben ist der Gedanke, Pflegekräfte entlasten zu wollen und ihnen zu ermöglichen, sich auf die tatsächlich pflegende Tätigkeit konzentrieren zu können. Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung wird es sowieso kaum möglich sein, sich den technischen Fortschritt nicht zunutze zu machen. Das Potenzial von Pflegerobotern im Bereich der schweren, körperlich belastenden Aspekte von Pflegearbeit kann durchaus genutzt werden, um den Beruf der Pflegekraft attraktiver zu machen.  Die Gesundheitsbranche steht vor großen Herausforderungen und es muss sich viel bewegen. Die Entwicklung der Pflegeroboter ist hier nur ein Aspekt von vielen.


Diesen Beitrag hat die Autorin Anna Schramowski gemeinsam mit DGQ-Produktmanagerin Christina Eibert verfasst. Christina Eibert ist studierte Sozialwissenschaftlerin und Produktmanagerin bei der DGQ. Sie verantwortet die Trainings in den Bereichen Compliance, Datenschutz, Statistik und Cyber-Sicherheit. Besonders wichtig ist es ihr, praxisnahe und zukunftsorientierte Weiterbildungen zu entwickeln, von denen Teilnehmer und Unternehmen gleichermaßen profitieren.

Über die Autorin: Anna Schramowski

Anna Schramowski ist studierte Politikwissenschaftlerin und Produktmanagerin bei der DGQ. Sie verantwortet u.a. die Trainings in den Bereichen Gesundheits-und Sozialwesen, Medizinprodukte und Labormanagement. Besonders wichtig ist ihr eine vielfältige, abwechslungsreiche und motivierende Weiterbildung mit viel Praxisbezug. Qualität bedeutet für sie vor allem Zusammenarbeit und Mitgestaltung.

5 Kommentare bei “Pflegeroboter im Einsatz – Chance oder Risiko?”

  1. 76620051136041b46f082cf7f7799566 Coletta Coi sagt:

    Sollten die Pflegeroboter nur menschliche Ressourcen aus Kostengründen einsparen, kann das keine Lösung sein. Ob das Pflegepersonal an den Gewinnen beteiligt wird,wage ich zu bezweifeln. Zur Unterstützung mögen sie wohl nützlich werden, aber menschliche Nähe und Fürsorge können sie niemals ersetzen. Der Soziothriller „Villa Herbstzeitlos“ zeigt das schonungslos auf.

  2. fb370c72e56cf651d4ac41622dcaa458 Matthias sagt:

    Paro, Pepper und Co – ist die Roboterisierung in der Pflege sinnvoll?

    Computer werden immer leistungsstärker, die Entwicklung im Bereich der Robotik kommt weiter voran und die Digitalisierung ist nicht erst seit Corona ein omnipräsentes Thema. Die damit verbundenen Fortschritte geben vielen Menschen die Hoffnung auf ein besseres Leben, anderen bereiten die Veränderungen Sorgen: Kann ich mit den Entwicklungen noch Schritt halten oder werde ich abgehängt? Verliere ich vielleicht meinen Arbeitsplatz? Bin ich selbst schon so abhängig von der Technik, dass ich nicht mehr frei über mein Leben entscheiden kann? Vielleicht haben nicht wenige solche Gedanken – aber gemacht wird, was geht. Das war schon immer so.
    Die Zukunft der Pflege ist bei dieser Betrachtung ein besonders sensibler Bereich. Ist die Einbindung von technischen Roboterassistenten wie Pepper oder Paro hier eine wünschenswerte Entwicklung?
    Auf der einen Seite gibt es manche Anwendungen, die nachvollziehbar gut von technischen Helfern übernommen werden können. Ich denke dabei z.B. an Systeme, die Lasten tragen können und dem Pflegepersonal rückenbelastende Arbeiten abnehmen – solche Geräte werden schon lange eingesetzt und können gerne weiterentwickelt werden. Wenn Sie dann später einmal etwas humanoider aussehen und etwas smarter sind, muss man das wohl in Kauf nehmen. Aber dabei wird es ja nicht bleiben, viele unterschiedliche digitale Anwendungen und Roboter werden kommen.
    Schauen wir auf andere Bereiche, die der technische Forstschritt gerade „voranbringt“, z.B. die Schulen. Hier wird das Thema Digitalisierung gepusht, das ja mit der Roboterisierung verwandt ist. Sind die technischen Hilfsmittel zur Zeit eine Entlastung für Lehrer und Schüler? Wohl eher nicht. Es entsteht unheimlich viel zusätzlicher Aufwand und die wenigsten kennen sich schon so gut damit aus, dass alles reibungslos funktioniert. Viele Lehrer sind mit der Vielzahl neuer Geräte und Programme überfordert und können sie definitiv nicht so gut anwenden, wie es möglich und sinnvoll wäre. Es ist zu befürchten, dass das in der Pflege kaum anders wäre. Da wird dem Pflegepersonal wahrscheinlich auch bald ein Roboterassistent an die Seite gestellt, der vielleicht viele Fähigkeiten hat, aber für die ohnehin überlastete Pflegekraft eher eine zusätzliche Bürde als eine sinnvolle Unterstützung darstellt. Nach kurzer Zeit gibt es neue Modelle, Updates etc. – mit alldem muss sich das Personal nun zusätzlich auseinandersetzen und dafür Zeit aufwenden, die früher vielleicht einmal den Pflegebedürftigen gehört hat. Es wird so sein wie in allen anderen Bereichen auch: Am Ende beschäftigt man sich mehr mit den technischen Geräten als mit den Menschen.
    Und auch der finanzielle Aspekt ist interessant. Arbeit in der Pflege wird nicht besonders gut bezahlt. Wie kann man den Mitarbeitern verdeutlichen, dass es sinnvoller ist erhebliche Summen für Roboter auszugeben als ihre Löhne zu erhöhen? Die Anschaffung eines Roboters ist teuer und auch die Wartung kostet Geld. Der Erfahrung nach sind die Geräte nach wenigen Jahren nicht mehr auf dem neuesten Stand und müssen ersetzt werden – dem Gesetz des Marktes nach mit einem noch teureren Produkt. Das wird sich nicht gerade positiv auf die Löhne der Pflegekräfte auswirken.
    Mein persönliches Fazit: Es ist sehr fraglich, ob die Helfer aus Metall, Plastik und seltenen Erden wirklich eine entscheidende Entlastung im Bereich der Pflege darstellen. Also nichts gegen süße Kuschelrobben, aber sie sind zweitrangig. Wir sollten den Menschen, die im Pflegebereich tätig sind, wieder viel mehr Aufmerksamkeit schenken und Wertschätzung entgegenbringen. Die kann sich auch gerne finanziell äußern. Die Roboter sollten klar hinten anstehen und auf keinen Fall zu einer weiteren Belastung für das Personal werden!

  3. Ich glaube, dass die menschliche Komponente in der Pflege nicht wirklich (zumindest in absehbarer Zeit) durch einen Roboter ersetzt werden kann. Zum – wie im Text beschrieben – bringen von Utensilien/Medikamenten oder servieren von Essen eignen sich solche Roboter aber dennoch sehr gut zur Entlastung!

    An anderen Einsatzgebieten ist unter Umständen sowas stärker lohnenswert, also die Anschaffung eines Roboters. Restaurant oder Supermarkt fällt mir auf den ersten Gedanken so ein.

  4. b889bb6161a56d0caad9ac8b69cc0ba8 Laura Krone sagt:

    Meine Tochter arbeitet bei einem ambulanten Pflegedienst. Sie kann dem Beitrag nur zustimmen, dass Roboter eine große Unterstützung sind und bis jetzt kein Risiko darstellen. Schließlich ist der Fachmangel immer noch groß.

  5. 50bee7d3ded72bbde7e0dc7dabcd9bbf Jannes Brückner sagt:

    @Lena-Spohie Schulze,
    ich schreibe derzeit eine wissenschaftliche Arbeit über die Interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Pflege und Robotik. Ich kann dir mit bestimmter Sicherheit sagen, dass von keinem Unternehmen, dass Pflegeroboter entwickelt, sowie auch kein ernstzunehmender Professor etc. in Betracht zieht den Menschen in der Pflege zu ersetzen, jedoch durch MRK zu unterstützen. Leider gehen die Innovationen nicht unbedingt in die Richtung des Bedarfes eines Assistenten, der tatsächlich physisch entlastet.

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