„Viele denken, sie müssten den Mount Everest erklimmen – das ist unbegründet.“ Interview mit Hartmut Winkler zur Digitalisierung im QM

Herr Winkler, was verstehen Sie unter dem Begriff Digitalisierung?

Digitalisierung ist ein Buzzword, das meines Wissens nicht einheitlich definiert ist. Die Frage ist: Was zeichnet ein digitales Unternehmen aus? Im Grunde genommen stellt die Digitalisierung eine Erweiterung der „Automatisierung“ dar, von der reinen Prozessebene der Fertigung in die Prozessebene der übrigen Unternehmensprozesse.

Digitalisierung ist das automatische Erfassen, Übertragen, Sichern und Auswerten von Daten, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Für mich ist Digitalisierung das automatische Erfassen, Übertragen, Sichern und Auswerten von Unternehmens- und Marktdaten, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Wenn die eingesetzten Systeme, wie z. B. ein CAQ-System, automatisch Maßnahmen anhand gewonnener Daten durch Nutzung von Künstlicher Intelligenz einleiten, kann man die Qualitätssicherung (QS) als „digital transformiert“ bezeichnen. Digitalisierung ist somit Grundlage, quasi die Vorstufe, der „Digitalen Transformation“ eines Unternehmens oder einer Abteilung.

Warum denken Sie, dass sich Beschäftigte in QM und QS jetzt mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen sollten?

Es gibt zahlreiche Argumente, warum sich Unternehmen mit Digitalisierung befassen sollten. Die Kundenanforderungen im B2B als auch im B2C-Bereich verändern sich.

Die Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen hat erstens stark zugenommen und erfordert ein hohes Maß an Prozesssicherheit. Stellen Sie sich vor, ein Online-Shop, der Tassen bedruckt, hätte die erforderlichen Daten, wie kundenindividuelle Motive, Typ der Tasse, Platzierung des Motivs auf der Tasse usw. nicht in digitaler Form vorliegen. Das Geschäftsmodell würde vermutlich aufgrund des hohen Aufwands nicht funktionieren. Und die Sicherung der Qualität wäre deutlich aufwendiger.

Zweitens steigt der Wettbewerbsdruck in den letzten Jahren insbesondere im B2C-Bereich massiv an, da Kunden durch das Internet überall Informationen zu der Qualität von Produkten einholen können. Es gilt nicht nur ein qualitativ einwandfreies Produkt herzustellen, sondern dieses auch möglichst günstig anzubieten. Digitalisierung in der QS kann z. B. durch automatische Prüfungen und automatische Prozessüberwachung Kostenvorteile schaffen, die an die Kunden weitergegeben werden können.

Die Digitalisierung vereinfacht das Leben von Kunde und Lieferant und reduziert nicht wertschöpfende Tätigkeiten.

In der Industrie kann der manuelle Aufwand zur Pflege des QM-Systems reduziert werden, z. B. durch digitales Dokumenten- und Prüfmittelmanagement, oder die automatische Einstellung bzw. Aufzeichnung und Auswertung von Prozessparametern. Im Prinzip können alle Daten, die für die Produktion notwendig sind, automatisch aufgenommen, verarbeitet und sauber aufbereitet präsentiert werden und das mit weniger Einsatz menschlicher Arbeit. Das lässt sich auch auf Dienstleistungen übertragen.

Sowohl im B2B als auch im B2C-Bereich können durch ein digitales Qualitätsmanagement bzw. digitale QS Serviceleistungen vereinfacht und automatisiert angeboten werden, so z. B. beim Reklamationsmanagement. Das vereinfacht das Leben von Kunde und Lieferant und reduziert nicht wertschöpfende Tätigkeiten.

Ich behaupte, wenn alle anderen Unternehmen um einen herum voll digitalisiert sind, dann hat man keine Chance bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit mitzuhalten.

Was glauben Sie, warum Digitalisierungsprojekte scheitern oder erst gar nicht gestartet werden?

Viele Unternehmen haben beim Gedanken an Digitalisierung das Gefühl, Sie müssten den Mount Everest erklimmen. Das ist unbegründet.

Ich denke, dass viele Unternehmen, wenn Sie an Digitalisierung denken, das Gefühl haben, Sie müssten den Mount Everest erklimmen. Doch das Gefühl ist unbegründet. Wird ein Prozess digitalisiert, zieht das natürlich weitere Prozesse nach sich, die im Status quo in der Form nicht vorhanden waren. Dazu gehören unter anderem die Organisation von Softwareupdates, Datensicherung, Zugriffskontrollen und weiteres. Aus Gesprächen mit Kunden weiß ich, dass viele Geschäftsführer oder Unternehmer durch diesen Aufwand abgeschreckt sind.

Oftmals ist die oberste Leitung eines Unternehmens aber auch nicht bereit, Geld zu investieren und verbleibt im Status quo. Doch die Erde dreht sich weiter. Die Unternehmen sollten die aufkommenden Technologien aufmerksam beobachten. Man sollte sich als Geschäftsführer stets ins Gedächtnis rufen, dass zahlreiche Unternehmen durch die Digitalisierung bereits bedroht sind – Videotheken, klassische Versandhäuser und analoge Fotoentwicklung sind nur einige Beispiele. Ich glaube sogar, Videotheken gibt es in Deutschland keine einzige mehr.

Letztendlich kann nur ein gezieltes Risikomanagement mögliche technische Bedrohungen wahrnehmen. Jedes Unternehmen sollte rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, um am Markt bestehen zu können.

Wie können Geschäftsführende oder Vorgesetzte von der Notwendigkeit der Digitalisierung überzeugt werden?

Als junger Lehrgangsteilnehmer habe ich mal einen QM-Trainer kennengelernt. Wir diskutierten über die Frage, wie man zu Budget für interne Prozessverbesserungen kommt. Der Trainer sagte mir damals, wenn wir als Qualitätsmanager ein Budget für Veränderungen oder neue Werkzeuge brauchen, dann müssen wir die Vorgesetzten davon überzeugen, dass durch die Investition langfristig Geld eingespart wird. Ich denke, dass lässt sich auch auf ein Digitalisierungsprojekt anwenden. Der Nachweis dazu lässt sich z. B. durch Prognosen zu Produktivitätserhöhungen oder Störungsreduzierungen erbringen.

Wenn wir als Qualitätsmanager ein Budget für Veränderungen oder neue Werkzeuge brauchen, dann müssen wir die Vorgesetzten davon überzeugen, dass durch die Investition langfristig Geld eingespart wird.

Alternativ kann eine gesteigerte Qualität oder robustere Prozesse neue Märkte für das Unternehmen eröffnen. Hier ist die Kreativität der Unternehmensführung gefragt.

Welche Tipps können Sie Personen mitgeben, die mit einem Digitalisierungsprojekt starten wollen?

Wichtig ist, dass Unternehmen digitale Kompetenzen entwickeln. Das geschieht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess. Man sollte nicht zu hohe Erwartungen an das erste Digitalisierungsprojekt haben. Machen Sie sich einen Plan und starten Sie durch. Lernen Sie auf Ihrem Weg und werden Sie kontinuierlich besser.

Zweitens erfordert Digitalisierung eine gewisse Investition. Ist die oberste Leitung bereit zu investieren, sollte das Budget auch angemessen sein, so dass die notwendige Software, Hardware und Lizenzen darin berücksichtigt werden. Vorsicht ist bei günstiger Individualsoftware geboten und bei Dienstleistern, die sich am Markt nicht halten können. Nachträgliche Modifikation vorhandener digitaler Lösungen durch einen anderen Dienstleister ist teuer, sofern überhaupt möglich.

Ich sage zwar immer, man sollte einfach loslegen, aber ein Mindestmaß an Planung ist schon notwendig, z. B. bezüglich der Kompatibilität vorhandener Systeme, Datenformate usw. Auch das Thema Cybersicherheit, damit einhergehend Datensicherheit und Datenschutz, sollte berücksichtigt werden.

Jedes Unternehmen muss sich fragen: Welches Ziel verfolgen wir mit der Digitalisierung?

Wie bei jedem Projekt steht auch bei der Digitalisierung ein bestimmtes, sauber definiertes Ziel im Fokus, denn Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Die Frage, die sich jedes Unternehmen stellen sollte, ist, an welcher Stelle Digitalisierung für das Unternehmen Sinn macht, an welcher Stelle Ressourcen, also Zeit und Geld, eingespart werden können oder neuer Kundennutzen generiert werden kann. Die entscheidende Frage, die jedes Unternehmen für sich selbst beantworten muss, lautet daher: „Welches Ziel verfolgen wir mit der Digitalisierung?“

Mein Rat an alle Unternehmen, die bisher noch weitgehend analog arbeiten, lautet daher, sich mit aktuellen Technologien und moderner Software in der jeweiligen Branche auseinanderzusetzen. Vielleicht finden Sie am Ende des digitalen Regenbogens eine Schatztruhe. Was haben Sie zu verlieren?


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Digitalisierung durch Corona?

Die Einschränkung des öffentlichen Lebens durch das Coronavirus hat weitreichende Konsequenzen für die Wirtschaft, insbesondere für kleinere Unternehmen. Plötzlich wird jedem bewusst, was für ein sensibles System Bevölkerung, Infrastruktur und Wirtschaft bilden. Ein System, das angreifbar ist.

Risiken und Nebenwirkungen

Kleine Unternehmen sowie lokale Dienstleister sind in diesen Zeiten am stärksten bedroht, da ihre Liquidität ohne entsprechende Umsätze dahinschmilzt. Für viele Unternehmen kann die Corona-Krise das Aus bedeuten. Besonders gefährdet sind Einzelhändler, die bisher auf den Online Lieferservice verzichtet haben. Kleine Industrieunternehmen, die immer noch Papierakten wälzen, verlieren ihre Handlungsfähigkeit, je stärker die Einschränkungen des öffentlichen Lebens werden. Dies ist der geeignete Zeitpunkt, den eigenen Grad der Digitalisierung zu bestimmen und kritisch zu hinterfragen.

Online Dienstleister hingegen, deren Produkte aus digitalen Services, digitalen Produkten und Beratungsleistungen bestehen, können wie gewohnt im Homeoffice weiterarbeiten. Sie werden die Unsicherheit des Marktes natürlich auch zu spüren bekommen, doch sie bleiben handlungsfähig.

Kultur & Homeoffice

Es ist bekannt, dass junge und innovative Unternehmen eine andere Einstellung zum Thema Homeoffice haben, als klassische, konservative Unternehmen. Junge Unternehmen können daher häufig viel einfacher auf Homeoffice Lösungen ausweichen, als Unternehmen, die bezüglich ihrer Digitalisierung auf den hinteren Rängen stehen. Der Arbeitsmarkt, der sich langsam aber sicher mit Spezialisten der Generation Z füllt, schreit schon lange nach Selbstbestimmung bei der Zeiteinteilung und flexiblen Arbeitszeiten, sowie der Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten.

Der finanzielle und organisatorische Aufwand, Homeoffice für alle Mitarbeiter möglich zu machen, scheint dabei nie das Problem gewesen zu sein. Das Problem ist die Unternehmenskultur des Misstrauens, die sich wie ein roter Faden von der obersten Leitung über alle Instanzen zu den Stellen hindurchzieht.

Doch nun scheint die richtige Gelegenheit gekommen, das Thema Vertrauen in Angriff zu nehmen. Plötzlich müssen wir Vertrauen, um weiter arbeiten zu können. Motiviert von äußeren Umständen und Existenzängsten, werden plötzlich halbgare Lösungen operationalisiert, damit das Unternehmen überlebt. Plötzlich ist Homeoffice selbst in konservativen Organisationen möglich. Meist sind dann jedoch die Mitarbeiter mit der neuen Situation im Homeoffice überfordert und müssen sich neu organisieren und ihre Gewohnheiten anpassen.

Dabei hätte es so einfach sein können, wenn Unternehmen in den letzten Jahren ihre Prozesse und Infrastruktur Schritt für Schritt auf Digitalisierungs-Kurs gebracht hätten. Wenn die Mitarbeiter zum selbstständigen und autonomen Arbeiten hingeführt worden wären.

Cloud, Groupware, SaaS

Für viele nicht digitalisierte Organisationen sind Datenbanken schon ein Fremdwort. Bei der näheren Betrachtung der Möglichkeiten, welche die digitale Transformation bereitstellt, stehen plötzlich Begriffe wie Cloud, Groupware, KI und Software-as-a-Service im Raum. Das ist vielleicht zu viel für die ersten Berührungspunkte mit digitaler Arbeit. Dabei ist es kein Hexenwerk, die tägliche Koordination der Arbeit mithilfe von digitalen Technologien zu organisieren. Für die Organisation bringt die digitale Transformation eine Reihe von Chancen:

  • Vermeidung von Doppelarbeiten
  • Vermeidung von Transaktionsfehlern
  • Nahezu lückenlose Dokumentation
  • Aufbau eines teilweise automatisierten Qualitätsmanagementsystems
  • Erfahrungssicherung
  • Automatische Effektivitäts- und Effizienzbetrachtungen, sowie Reporting
  • Beschleunigung & Rationalisierung von Prozessen
  • Automatisierung von manuellen Routineaufgaben
  • Datenverfügbarkeit und Flexibilität

Eine Digitalisierung der Kernprozesse ist dazu nicht einmal zwingend erforderlich. Allein durch die Digitalisierung von Arbeitsorganisation und Kommunikation durch Standardsoftware und Groupware lassen sich erhebliche Einsparungen bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität erzielen.

Digitale Transformation

Digitale Kompetenz geht weit über die Bedienung eines Rechners oder eines mobilen Endgerätes hinaus. Digitales Arbeiten fordert ein höheres Maß an Disziplin eines jeden Mitarbeiters.

Natürlich ist die Einrichtung entsprechender digitaler Kommunikationsmittel nicht von heute auf morgen vollzogen. Aber auch das ist kein technisches Problem. Wenn Mitarbeiter noch nie von zu Hause aus autonom gearbeitet haben, dann ist mit Verunsicherung zu rechnen. Die Verunsicherung ist umso stärker, je ausgeprägter das Mikro-Management der verantwortlichen Führungskräfte ist. Es gilt, das Mikro-Management abzulegen und die Autonomie der Mitarbeiter zu fördern. Instanzen müssen fähig sein, Entscheidungen zu delegieren und Verantwortung abzugeben.

Bei der Delegation kann die Digitalisierung unterstützen. Digital abgebildete Prozesse fördern die Fähigkeit der Mitarbeiter, selbstständig Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel durch:

  • Digitale Wissensdokumentation, die von jedem Ort der Welt verfügbar ist (Unternehmens-Wikis, Datenbanken)
  • Zugang zu abgeschlossenen, vergangenen Fallbeispielen (Reklamationen, Bestellungen, Störungen, usw.)
  • Abbildung von Prozessen durch individuelle Softwarelösungen (z. B. 8D-Report Werkzeuge, ERP Systeme, Produktionsplanungssysteme, usw.)
  • Digitale Dokumentation von Prozessen (OneNote, Datenbanken, Groupware)
  • Fehlervermeidung durch automatische Plausibilitätsprüfungen (Eingabemasken, Visualisierungen)

Mit steigender Verantwortung werden Mitarbeiter verstärkt in die Geschäftsvorgänge eingebunden. Sie identifizieren sich stärker mit den übertragenen Aufgaben und arbeiten motivierter.

Corona-Krise als Chance

So dramatisch die aktuelle Lage auch zu sein scheint, wir können als Gesellschaft und Wirtschaftsgemeinschaft daraus lernen. Unternehmen, die aktiv Risikomanagement betreiben, haben für eine solche Situation vorgesorgt. Alle anderen Unternehmen werden spätestens nach der Krise damit beginnen.

Für viele Organisationen ist die Situation in Corona-Zeiten ein Sprung ins kalte Wasser. Plötzlich müssen Entscheidungen innerhalb von Stunden getroffen werden, für die in der Vergangenheit zahlreiche Managementmeetings und wochenlange Diskussion nötig waren. Es wird an der Zeit, ewiges Überdenken und Diskutieren abzulegen und auf die Umweltereignisse zu antworten.

Es ist Agilität gefragt.

Agilität bedeutet, die Unsicherheit des Marktes fest in der Unternehmenspolitik zu verankern. Organisationen, die in heutigen Zeiten agile Kompetenzen haben, haben es deutlich leichter, sich an die Situation anzupassen. Mit dem richtigen Grad an Digitalisierung, gepaart mit agilen Arbeitsmethoden, lassen sich erhebliche Effizienzsteigerungen erzielen. Und das nicht nur in Zeiten von Corona. Vielleicht können wir ja aus dieser Erfahrung lernen.

 

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Blockchain & Qualität

Was hat eine Blockchain mit Qualitätsmanagement zu tun? Wer sich mit Kryptowährungen beschäftigt, dem ist der Begriff Blockchain bekannt. Bitcoin, Etherium & Co. arbeiten mithilfe der Blockchain Technologie. Doch Kryptowährungen sind nicht das einzige Anwendungsgebiet.

Die Blockchain kann überall dort eingesetzt werden, wo Echtheit und Sicherheit von Daten eine kritische Rolle spielen. Dies ist i.d.R. bei jeglichen Transaktionen der Fall, wie z.B. der Kauf einer Anlage oder von Finanzprodukten. Als Käufer einer Anlage fordern wir Nachweise über die Herkunft von einzelnen Komponenten durch Werksbescheinigungen und Zertifikate. Und doch werden jährlich Millionen gefälschte elektronische Komponenten, sog. counterfeight parts in den Umlauf gebracht. Auch andere Branchen haben mit Fälschungen zu kämpfen. Lesen Sie hier, wie die Blockchain Technologie als Instrument der Qualitätssicherung der Zukunft eingesetzt werden kann.

Blockchain

Technologie

Die Blockchain ist eine Verkettung von Datenblöcken, welche verschiedene Informationen enthalten. Jeder Datenblock ist mit einem Vorgänger und einem Nachfolger verkettet. Die Verkettung entsteht durch einen Code (Hash), der die beiden Blöcke untrennbar miteinander verbindet. Dieser Code wird nach einem komplexen Algorithmus aus allen vorangegangenen Blöcken berechnet. Es ist also nicht möglich Inhalte eines Blocks zu verändern, da alle nachfolgenden Codes dann nicht mehr konsistent sind. Sicher wird das Konzept dadurch, dass eine Blockchain nicht nur einmal existiert, sondern in jedem Knoten des Netzwerks abgelegt ist. Dies ermöglicht ein sofortiges Aufdecken im Fall eines Manipulationsversuchs.

Eine Blockchain kann öffentich (z.B. Bitcoin) oder privat sein (z.B. Ripple). In öffentlichen Blockchains kann jeder Nutzer neue Blöcke bilden. Dazu muss ein Proof-of Work berechnet werden, was in der Bitcoin-Welt als Mining bezeichnet wird. Der Proof-of-Work ist in diesem Fall eine komplexe Rechenaufgabe, die als Ergebnis den Hashcode liefert, der verschiedene Bedingungen erfüllt und den neuen Block mit allen anderen untrennbar verbindet. Diese Berechnung erfordert eine hohe Rechenleistung, was zu dem enormen Stromverbrauch beim Bitcoin Mining führt. Neben dem Proof-of-Work existieren weitere Möglichkeiten der Blockbildung, die weniger Ressourcen verbrauchen.

Dezentrale Speicherung

Sicher wird die Blockchain durch die dezentrale Speicherung in sog. Knoten. Jeder Knoten hat die gesamte Blockchain auf Servern gespeichert. Die Bitcoin Blockchain hatte im Mai 2019 eine Größe von ca. 240GB. In der Blockchain bleiben alle bisherigen Transaktionen gespeichert und sind abrufbar. Da das Bitcoin Netzwerk aus mehreren tausend Knoten besteht ist eine Manipulation nahezu ausgeschlossen. Dazu müssten alle Bockchains auf jedem Knoten manipuliert werden.

Vorteile

Da es sich bei Blockchain Transaktionen um Peer-to-Peer Verbindungen handelt, fällt eine zentrale Vermittlungsinstanz weg. Die Transaktionen werden zwischen zwei Clients im Netzwerk durchgeführt und manipulationssicher dokumentiert. Eine nachträgliche Modifikation ist technisch quasi unmöglich. Die Blockchain kann also überall dort eingesetzt werden, wo Transaktionen sicher dokumentiert werden müssen und mehrere Parteien beteiligt sind.

Einsatz von Blockchain im Supply Chain Management

Die Supply Chain (Lieferkette) gleicht heutzutage vielmehr einem komplexen Liefernetzwerk, als einer linearen Wertschöpfungskette. Unternehmen sind global in diesem Wertschöpfungsnetzwerk verbunden.

Jedes Unternehmen in der Supply Chain hat den Anspruch, dass die Zukaufteile original sind und gemäß den Qualitätsanforderungen produziert, getestet und gelagert werden. Da globale Lieferketten heutzutage derart komplex sind, dass selbst große OEMs vor einer Herausforderung stehen, diese bis in die n-te Lieferantenstufe zu überwachen, steigt auch das Risiko für die Verbreitung gefälschter oder qualitativ minderwertiger Produkte.

Aktuell wird die Authentizität von Produkten durch Zertifikate bescheinigt. Dennoch bleibt eine Restunsicherheit, insbesondere in den frühen Instanzen einer Supply Chain. Jede Instanz der Supply Chain hat verschiedene Informationen über das Produkt und den Entstehungsprozess, doch es gibt keine zentrale Sammelstelle für all diese Informationen. Die OEMs haben meist nur in den ersten Lieferantenstufen einen transparenten Blick auf die Supply Chain. Regelmäßige Audits erfolgen i.d.R. nicht in frühen Stufen der Lieferkette. Die Supply Chain ist also wie ein Tunnel, der immer dunkler wird, je tiefer man hineingeht.

Rückverfolgbarkeit

Eine lückenlose Dokumentation der Supply Chain ist in bestimmten Branchen gefordert. In der Automobilindustrie (IATF16949), der Luftfahrt (ISO9100), sowie in der Lebenmittelindustrie (ISO22000) muss die sog. Rückverfolgbarkeit (Traceability) von Produkten gegeben sein.

Die Rückverfolgbarkeit ermöglicht Rückrufaktionen, wenn z.B. eine schlechte Charge Lebensmittel entdeckt wurde. Die Chargen werden vom Erzeuger durch lückenlose Dokumentation bis in das Supermarktregal zurückverfolgt und können im Fall eines Qualitätsmangels sicher aus dem Handel gezogen werden, um gesundheitliche Folgen zu vermeiden. Die Rückverfolgbarkeit ist ein zentraler Aspekt des Qualitätsmanagements der o.g. Industrien.

Auch die Elektronikindustrie hat mit gefälschten Baugruppen zu kämpfen. In Dritt-Welt-Ländern wird Elektroschrott gesammelt und elektronische Komponenten werden demontiert. Elektrische Bauteile werden per Hand ausgelötet und wieder in den Markt gebracht. Man spricht bei diesen Teilen von counterfeit parts. Oftmals geht dies mit einer Fälschung der Dokumentation einher.

Quality Blockchain in der Lieferkette

Die Blockchain Technologie ist aufgrund der lückenlosen und manipulationsresistenten Eigenschaften für die Vertrauensbildung in der Lieferkette geeignet. Jede Instanz entlang der Supply Chain dokumentiert Charge, Produktionsdatum, evt. auch Prüfergebnisse in einem Block. Die einzelnen Blöcke werden untrennbar miteinander verknüpft und alle Daten seit Beginn der Supply Chain bleiben dokumentiert und abrufbar. Eine nachträgliche Änderung der Dokumentation ist somit ausgeschlossen.

IoT (Internet of Things)

Durch das Internet der Dinge ist eine automatische Aufzeichnung von Daten in die Blockchain realisierbar. Die Dokumentation einer Kühlkette ist eine denkbare Anwendung für die Blockchain in der Logistik. Durch smarte Sensoren, die mit dem IoT kommunizieren, können Messdaten aufgezeichnet und in der Blockchain sicher gespeichert werden. Die Blockchain stellt somit die Transparenz der Kühlung in der Lieferkette sicher. Analog zu diesem Beispiel existieren viele weitere Anwendungsfälle, die die Speicherung von Prozess- und Produktdaten erfordern.

Zudem können durch sog. Ledger innerhalb der Blöcke Informationen zugriffsgesteuert werden. Ein LkW Fahrer kann z.B. nur auf solche Informationen der Blockchain zugreifen, die für ihn relevant sind, wie z.B. ob die Kühlkette bisher eingehalten wurde. Informationen, die alle Instanzen des Liefernetzwerks benötigen, können durch die Blockchain geteilt werden.

Die Anbindung der Blockchain an das IoT setzt eine durchgehende Digitalisierung der Lieferkette voraus. Da dies mit erheblichen Investitionen verbunden ist, ist so bald nicht mit einer flächendendeckenden Anwendung der Blockchain in der Lieferkette zu rechnen. Allerdings gibt es bereits Blockchain Produkte von verschiedenen Firmen, z.B. Food Trust von IBM.

Chancen

Die Blockchain Technologie bietet eine Reihe von Chancen im Qualitätsmanagement der Lieferkette. Neben der Sicherstellung der Rückführbarkeit ist insbesondere die Effizienzsteigerung hervorzuheben. Auch wenn viele Unternehmen über elektronischen Datenaustausch (EDI) miteinander verknüpft sind, stellt die manuelle Abstimmung zwischen Unternehmen via E-Mail, Telefon usw. dennoch einen gewaltigen Kostenblock dar. Die Chancen der Blockchain sind insbesondere die

  • Reduktion von Transaktionszeiten
  • Sicherstellung der Transparenz in Echtzeit
  • Risikoreduktion
  • Kosteneinsparung
  • Möglichkeit für neue Geschäftsmodelle

Die dezentrale Vernetzung von Unternehmensprozessen und die Transparenz der Blockchain ist eine Chance für das Qualitätsmanagement der Zukunft.

 

Dieser Beitrag ist auch auf https://www.q-future.de/blog/blockchain-quality erschienen.

Quellen:

  • Prof. Dr. Prinz, W., & Prof. Dr. Rose, T. (2018). Blockchain. Verlässliche Transaktionen. In Neugebauer, R. (Hrsg.), Digitalisierung. Schlüsseltechnologien für Wirtschaft und Gesellschaft (S.311-319).München: Springer Verlag.
  • IBM: https://www.ibm.com/de-de/blockchain (abgerufen am 19.12.2019)