Wer tut was genau?4 | 09 | 15
„Es gibt viel zu tun. Packen wir‘s an“ – das war einmal ein höchst gelungener Slogan einer bekannten Mineralölgesellschaft. Damals, 1975, hatte man mit der Ölkrise im Nacken eine knackige Formel gefunden, die die Situation ohne Umschweife auf den Punkt brachte. Heute, 40 Jahre später, würde man das so formulieren: „Wir müssen, um die großen Herausforderungen unserer Zeit nachhaltig bewältigen zu können, verstärkt gezielte Aktivitäten auf den Weg bringen.“ Dass Sie jetzt spontan an unsere Kanzlerin denken, wundert mich nicht.
Was gibt es an dem Satz zu mäkeln? Es sind die großen Herausforderungen, das nachhaltige Bewältigen, die gezielten Aktivitäten – alles veritable Worthülsen! Der schöne Slogan von Esso bleibt zwar auch völlig unkonkret, das aber gekonnt.
Wir alle kennen diese Wendungen auch aus dem (Unternehmens-/Qualitäts-)Alltag. Nehmen wir die „gezielten Aktivitäten“, wobei wir das Partizip „gezielt“ als Selbstverständlichkeit einfach ignorieren können.
Die Kritik an dem Wort „Aktivitäten“ ist nicht neu. Sprachfreunden stößt dabei zweierlei auf. Erstens: Das Substantiv „Aktivität“ gibt es nicht im Plural – außer natürlich bei dem Philosophen und Mathematiker Edmund Husserl, der sich bereits 1929 in „Aktivitäten“ wähnte. Als Summe aller Tätigkeiten ist es für uns – Husserl hin oder her – ein Singularetantum; wie z. B. Dunkelheit, Mitleid, Fleisch, Zorn oder Inhalt(!). Der Plural geht in seiner heutigen Verbreitung auf eine Fehlübersetzung des englischen „activities“ zurück, was u. a. „Tätigkeiten“ bedeutet. Zweitens: Das Wort verleitet in dieser Form zu oberflächlichen Aussagen.
Das erste Argument hat der Duden mit der Aufnahme der Pluralform in sein Wörterbuch schon längst hinweggefegt; ausschlaggebend dafür war die schon damals massenhafte Nutzung in Medien, Politik, Wirtschaft und Alltag. Um den falschen Plural zu legitimieren, hat man flugs eine Unterscheidung eingeführt: Aktivität in der Bedeutung „aktives Verhalten“, „Betätigungsdrang“, „Energie“ und „Wirksamkeit“ kann keinen Plural haben, in der Bedeutung „Handlung“, „Tätigkeit“ und „Maßnahme“ aber sehr wohl. Wozu aber braucht man für diese Substantive überhaupt einen (auch noch fragwürdigen) Überbegriff?
Das zweite Argument hängt mit dem ersten zusammen, ist aber deutlich gewichtiger; denn hier geht es nicht um einen formalen Fehler, sondern um das Vage, das in dem Wort schwingt. Klare Aussagen sind ein Qualitätsmerkmal ersten Ranges, weshalb man mit der Verwendung des Wortes „Aktivitäten“ grundsätzlich schlecht beraten ist. Ähnlich wie nicht konkretisierte „Maßnahmen“ sagen die „Aktivitäten“ allein nicht, wer was genau tut, oft ist unklar, ob überhaupt etwas getan wird.
Ein Beispiel: Anrainer einer Chemiefabrik gehören nach allgemeiner Auffassung zu den interessierten Kreisen des betreibenden Unternehmens, weshalb sie über bestehende Risiken umfassend informiert werden sollten. Wenn das Unternehmen lediglich z. B. von „gezielten (Umwelt-)Aktivitäten“ spricht, mit denen es eine Gefährdung der Nachbarschaft auszuschließen gedenkt, hat es seine Aufgabe nicht erfüllt (siehe auch Kapitel 7.4.1 in ISO 14001:2015).
Wie macht man es besser? Die „Aktivitäten“ einfach weglassen und sagen, was Sache ist: „Um die Sicherheit unserer Nachbarn zu gewährleiten, tun wir Folgendes (haben wir Folgendes getan): Erstens, zweitens, drittens …“
Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit.