Vom Ritual zur innovativen Technologie – Die spannende Welt des „Anders Auditieren“28 | 02 | 25

Eine Gruppe Kollegen nutzt Methoden des Anders Auditieren
In vielen Organisationen herrscht große Unzufriedenheit über die internen Audits, nicht nur bei den Auditierten und den Auditoren. Teilnehmer in circa 40 DGQ-Praxiswerkstätten „Anders Auditieren“ haben dies bestätigt. Die traditionelle Audit-Methode, das „interview-lastige Frage-Antwortspiel“, hat sich zu einem Audit-Ritual entwickelt. Oft bringen die so durchgeführten Audits keinen erkennbaren Nutzen für die Organisation. Die Unzufriedenheit wächst, und die Akzeptanz und Wirksamkeit der internen Audits nehmen ab.

Aktuellen Gegebenheiten und Herausforderungen

Die aktuellen Gegebenheiten und Herausforderungen für das interne Audit lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Auditierte, Auditoren, Management-Systemverantwortliche, Führungs- und Leitungskräfte und viele Beschäftige sind unzufrieden mit den Audits. Die Gespräche finden in der Regel im Interviewformat statt. Alle Beteiligten, zum Beispiel Auditor und Auditierte, schlüpfen in ihre einstudierten Rollen. Auditierte wissen vorab, was der Auditor sehen will, und bereiten sich entsprechend vor. Die traditionelle Audit-Methode ist vielfach sehr zeitintensiv und ressourcenbindend. Mangelnde Flexibilität und geringe Anpassungsfähigkeit sind durch eine sehr eng getaktete Agenda vorgegeben. Die Integration und Investition von beziehungsweise in neue Technologien wird vielfach blockiert, da der Return-On-Invest zu niedrig ist oder nicht ermittelt werden kann. Häufig werden die Auditziele und die Auditfunktionen nicht erfüllt. Das gegebenen Nutzenversprechen (zum Beispiel mit dem Audit helfen zu wollen) wird nicht eingehalten.

Der Begriff Audit wird häufig als Synonym für Qualitätsmanagement verwendet und schadet, bei negativer Wahrnehmung, dem Qualitätsmanagement. Kontinuierlich wachsende regulatorische Vorgaben stellen für die Auditoren und die Auditierten zusätzliche Herausforderungen dar. Last but not least, das Auditmanagement regiert zu träge auf sich ändernde Unternehmenskulturen (zum Beispiel agile Organisationen), neue Arbeitsweisen (zum Beispiel New Work) und Paradigmenwechsel (zum Beispiel Humen Centricity, menschenzentriertes Handeln unter Berücksichtigung von nachhaltigen Technologien und Konzepten).

Neue Ansätze für das Auditieren

Die ISO 19011:2018 (Leitfaden zur Auditierung von Managementsystemen) gestattet die Durchführung von Audits vor Ort, aus der Ferne, ohne menschliche Interaktion und mit menschlicher Interaktion. In der Regel wird das Audit vor Ort mit menschlicher Interaktion durchgeführt. Die anderen Kombinationen bleiben unberücksichtigt und damit wird eine große Chance, anders zu auditieren, häufig nicht genutzt.

Der Werkzeugkoffer „Auditmethoden“ (s. Abb. 1) ist gefüllt mit zahlreichen Methoden und es kommen kontinuierlich neue Methoden dazu. Hierzu trägt unter anderem auch das DGQ-Seminar „Anders Auditieren“ bei.

Die aufgeführten Methoden sind konform der ISO 19011:2018. Ebenso lassen sich agile Auditierungen durchführen, indem iterativ (zur Verbesserung des Bestehenden) und inkrementell (zum Ausbau / Ergänzen des Bestehenden) auditiert wird und ein Audit unter Umständen mehrere Wochen dauern kann. Bewusst gibt es dabei keine feste Agenda, um den Ablauf und die Auditmethode immer wieder neu zu gestalten.

Zum Beispiel: Beginn mit der Dokumentenprüfung, weiter mittels Self-Assessment, einem Turtle-Audit, einem AR/KI-Audit und abschließend mit einem Audit-Workshop ist alles denkbar. Wichtig, das Auditziel wurde zuvor definiert und kommuniziert und es ist allen Beteiligten klar, warum das Audit durchgeführt wird.

Abb.1. Werkzeugkoffer – Auditmethoden

Vier wesentliche Stellhebel, um anders zu auditieren, haben Benedikt Sommerhoff, Wilhelm Floer, Gabriele Wöllmann in der Reihe „DGQ – Impulspapier „Das Audit revitalisieren Teil 1 – 3“ (für DGQ-Mitglieder auf DGQPlus) vorgestellt. Die Stellhebel sind:

  • Funktionsspezifisch (Auswahl einer Hauptfunktion des Audits und Ausrichtung der Methodik darauf)
  • Rollenklärung (Klare Rollenbeschreibung für die internen Auditoren, um Rollenkonflikte zu vermeiden)
  • Auditprogrammplanung (Integrierte Konzeption agiler, schlanker und umfassender Auditprogramme)
  • Digitalisierung (Stärke Einbindung neuer digitaler Technologien, zur Effektivitätskontrolle und Effizienzsteigerung)

Ausblick und Fazit

Die traditionelle, ritualisierte Audit-Methode stößt häufig bei den internen Audits an ihre Grenzen und es ist an der Zeit, neue Ansätze und Methoden zu implementieren und auszuprobieren. Durch den Einsatz alternativer oder agiler Methoden und moderner Technologien lässt sich der Auditprozess effizienter und anpassungsfähiger gestalten. Dies führt zu einer höheren Akzeptanz und Wirksamkeit der Audits und verbessert das Qualitätsmanagement.

Technologische Innovationen finden inzwischen auch bei den Audits Anwendung, obwohl auch noch vielfach Office-Lösungen zum Einsatz kommen. Einige CAQ-Systemanbieter haben das Potential erkannt und die Audit-Module entsprechend erweitert. Darüber hinaus gibt es verschiedene Tools und Softwarelösungen (zum Beispiel Process Mining, Data Analytics,) als auch Anwendungen die auf künstliche Intelligenz (KI), gekoppelt mit Augmented Reality (AR)- und Cloud-Technologien (zum Beispiel CYRACO) zugreifen und dadurch den Auditprozess effizienter gestalten.

Besonders die Durchführung von AR/KI-Audits erscheint für viele Organisation eine sinnvolle und zielgerichtete Ergänzung zu den Vor-Ort-Audits. Die eingesetzte Hardware (Smartphone, Tablet und AR-Brille) ist vielfach bereits verfügbar und die Investitionskosten bewegen sich im vertretbaren Rahmen (ein kleiner vierstelliger Betrag) falls eine Neuanschaffung notwendig ist – selbstverständlich unter Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Die Analyse für, beispielhaft innerhalb der BRD und in Übersee (Asien/Nordamerika), durchgeführte AR/KI-Audits ergibt signifikante Einspar-/Reduktionspotentiale.

Über den Autor: Wilhelm Floer

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Dr. Wilhelm Floer hat zahlreiche Audits durchgeführt. Er war über zehn Jahre im QM-Bereich Automotive bei verschiedenen Unternehmen (OEM und First Tier) tätig. Bei einem Haushaltsgerätehersteller hat er sich für agiles QM und für Nachhaltigkeit eingesetzt. Für die DGQ leitet er Trainings, berät Unternehmen und ist Mitglied des Fachkreisleitungsteams Nachhaltigkeit. Seit 2024 steht er als Consultant und Auditor zur Verfügung und führt Trainings für verschiedene Bildungsinstitute durch.