Unternehmen mit Lean Management nachhaltig verbessern5 | 04 | 16

Mitarbeiter als Basis für den Erfolg

Die Zielsetzung des kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) ist vielen Unternehmern hinlänglich bekannt: Alle Mitarbeiter sind einzubeziehen bzw. für eine erfolgreiche Lean Implementierung müssen alle Beschäftigen mitgenommen werden. Das ist die Theorie, wie sie Lehrbücher und Vorträge immer wieder kommunizieren.

Doch wie sieht die Praxis aus? Was setzen mittelständische Unternehmen wirklich um und warum scheitern viele Vorhaben letztendlich? Ein interessantes Ergebnis lieferte eine vor einigen Jahren von der Wirtschaftswoche veröffentlichte Studie zum Thema „Nachhaltigkeit und Erfolg in Change- und Veränderungsprojekten“:

Mehr als zwei Drittel der befragten Führungskräfte aus Unternehmen, die sich in einem Change-Prozess befinden oder vor kurzem damit gestartet waren, halten Ergebnisse aus Potenzialanalysen für nicht umsetzbar, fühlen sich nicht richtig einbezogen und erkennen einen daraus resultierenden Widerstand auf der mittleren Managementebene und in der Belegschaft. Diese Wahrnehmung ist erschreckend, zeigt aber, dass oftmals eine falsche Herangehensweise bei Veränderungsprojekten gewählt wird.

Mitarbeiter rufen bei Veränderungen nicht sofort „Hurra!“

Es wäre unfair, der deutschen Industrie eine generell schlechte Veränderungsbereitschaft zuzusprechen. Fakt ist aber auch, dass die Art der Vorgehensweise über den Erfolg entscheidet. Wird der Mensch im Veränderungsprozess nicht „mitgenommen“, reagiert er nun einmal eher mit Ablehnung als mit Zustimmung. Man darf nicht erwarten, dass Führungskräfte und Mitarbeiter bereits bei der Ankündigung einer Veränderung sofort „Hurra!“ schreien, wenn sie noch gar nicht wissen, wo die Reise überhaupt hingeht und welcher Weg zur „schlanken und effizienten Fabrik“ beschritten wird. Definitionen wie „Eine effiziente Fabrik beruht auf zwei entscheidenden Organisationsmerkmalen: Sie hat erstens ein einfaches, aber umfassendes Informationssystem, als eine Kernaufgabe der Führungskräfte. Und sie überträgt zweitens ein Maximum an Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf jene Arbeiter, die die tatsächliche Wertschöpfung erbringen“, setzen starke Führungskräfte voraus. Und gerade hier fehlt es mitunter an einem grundlegenden effizienten Führungsverhalten.

Vier Hauptaufgaben der Führung: Leistung erzeugen, fordern, gestalten, entwickeln

Den Führungskräften sind die Aufgaben im Veränderungsprozess oftmals nicht eindeutig bewusst. Im Endeffekt sprechen wir hierbei mitunter von fundamentalen Führungsaufgaben, deren Nicht-Anwendung aber im Veränderungsprozess explizit bewusst wird. Ein Beispiel einer Führungsaufgabe ist das „Vorleben“ als Basis der vier Hauptaufgaben der Führung: Leistung erzeugen, fordern, gestalten und entwickeln. Aber warum können Führungskräfte diese oftmals nicht umsetzen?

Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Zwei Beispiele: Oft wird der beste Spezialist, der beste Verkäufer, der Mitarbeiter mit dem höchsten Fachwissen zur Führungskraft befördert. Diese Fähigkeiten nützen leider allein wenig für die Führungsaufgabe. Wo nehmen wir schnell eine Führungskraft her? Meistens gibt es bei der Besetzung auch einen Zeitdruck. Es muss schnell entschieden werden. Dies führt zu Kompromisslösungen und Fehlentscheidungen.

Schlechte Führung: der Produktivitätskiller Nr. 1

Im Rahmen des Lean Managements werden oft die sieben Arten der Verschwendung (Überproduktion, zu hohe Bestände, Wartezeiten, etc.) beschrieben. Aufgrund der genannten Fakten sind jedoch eine mangelnde und schlechte Führung der Produktivitätskiller Nr.1 in der mittelständischen Industrie und damit auch die größte Verschwendung. Daraus resultierend werden die sieben Arten der Verschwendung eben durch die Vorgesetzten akzeptiert.

Eine weitere Studie zeigt, dass Mitarbeiter oftmals ein Versagen ihrer Vorgesetzten in der Führung feststellen (Rendsburger Personalberatung Studnitz & Partner, Quelle: managerSeminare, Heft 61, Nov./Dez. 2002). Bemängelt wird hier zum Beispiel, dass Führungskräfte unausgewogen Anerkennung und Kritik spenden (79 %) oder dass sie Sorgen und Probleme nicht wahrnehmen (68 %). Insbesondere diese Beispiele zeigen deutlich, dass eine nachhaltige und zielgerichtete Verbesserung unter Einbeziehung aller Mitarbeiter schwerlich erfolgreich umzusetzen ist.

Führungskräfte fit machen ist der erste Schritt im Veränderungsprozess

Um über diese Defizite zu diskutieren und Impulse und Ideen zu erhalten, hilft ein Ausstauch zwischen Unternehmern. Beim letzten STB-Diskussionsforum „Kontinuierlich und nachhaltig verbessern“ wurde genau diese Thematik aus Sicht von Unternehmern vorgestellt. Beispielhaft beschrieb Dr. Michael Davis, Geschäftsführer  der Braunschweiger Flammenfilter GmbH, in seinem Vortrag den gestarteten Change-Prozess in seinem Unternehmen. Durch Prozessoptimierungen im administrativen Auftragsdurchlauf sollten Reibungsverluste reduziert, Teamarbeit gefördert, Kosten reduziert und das innovative und problemlösungsorientierte Denken gefördert werden. Die Anzahl der Prozessschritte sowie der Schnittstellen konnten um über 50 Prozent verringert werden. Auch hier wurde der IST- und Soll-Prozess gemeinsam mit den betroffenen Mitarbeitern entwickelt. „Denn gerade alle Mitarbeiter mit ins Boot zu nehmen und zu Veränderungen zu bringen, ist die große Aufgabe der Führungskräfte“,  so Dr. Davis. Aus diesem Grund hat das Unternehmen das sogenannte „Protego Leadership Training System“ entwickelt. „Es ist manchmal gut, den Kurs zu verändern. Wir haben es getan und sind auf einem erfolgreichem Weg.“

Die Feststellung der etwa 30 Teilnehmer am Ende der Veranstaltung war eindeutig: „Das Sensibilisieren und Fitmachen der Führungskräfte muss der erste Schritt des Veränderungsprozesses sein. Das Mitnehmen und Einbeziehen der Mitarbeiter durch die Führungskräfte im Veränderungsprozess ist unabdingbar.“

Fakt ist aber auch – jede positive Wirkung verpufft schnell, wenn die Führung nicht permanent gestärkt, trainiert und gecoacht wird. Denn die Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter lehren, mit den Herausforderungen und Aufgaben, die an sie gestellt werden, umzugehen. Das setzt einen ständigen Weiterbildungsprozess für alle Seiten voraus, insbesondere zu Beginn des Veränderungs- oder Verbesserungsprozesses. Nicht jeder Mensch gleicht dem anderen. Ein individuelles Unterstützen jedes Einzelnen ist gefordert.

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Über den Autor: Sebastian Schlörke

Dr. Sebastian Schlörke ist Unternehmensberater und seit 2006 als Geschäftsführer bei Schlörke Training und Beratung tätig. Als DGQ-Trainer im Bereich SIX SIGMA liegt sein Fokus auf der nachhaltigen Umsetzung von Lean Management in Produktionsunternehmen. Vor seiner Tätigkeit als Unternehmensberater hat Schlörke Produktionstechnik studiert und zum Thema Lean Management promoviert. Schlörke ist DGQ-Mitglied und im Netzwerk aktiv.

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