Produktaudits sind nicht nur Mittel zum Zweck9 | 07 | 19
Die Produktauditierung per se ist eine der wichtigsten Methoden, die vor der Auslieferung an den Kunden eine Aussage über die Qualität der Produkte gibt. Diese bewertet nicht nur das aktuelle Qualitätsniveau, sondern auch die Wirksamkeit des Qualitätsmanagementsystems. Im Rahmen der Prüfung einer definierten Anzahl von Produkten bestätigt das Produktaudit die Qualitätsfähigkeit des Produktionsprozesses basierend auf den Qualitätsmerkmalen eines Produkts. Dabei wird überprüft, ob das Produkt den vorgegebenen Spezifikationen, speziellen Kunden- und Lieferantenvereinbarungen entspricht.
Erhöhte Kundenerwartungen, Sicherheitsanforderungen, gesetzliche Anforderungen sowie der vermehrte Einsatz von elektronischen Bauteilen und Software führen zu komplexeren Produkten. Die Anwendung eines zuverlässigen Produktauditprogramms hilft Unternehmen dabei, diese hohen Erwartungen und Anforderungen zu erfüllen, und steuert das Risiko, wenn das Produktauditprogramm Bedenken aufwirft.
Produktsicherheit in Audits immer stärker forciert
Seit Erscheinen der ersten Auflage haben sich die Bedingungen für die Hersteller und Zulieferer der Automobilindustrie rasant geändert. Das Thema der Produktaudits wird immer intensiver in Kunden-, Lieferanten- und Zertifizierungsaudits forciert. Automobilspezifische Normenanforderungen mit internationaler Gültigkeit, wie die IATF 16949 sind Handlungsgrundlage für das Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie.
Der Band VDA 6.5 definiert eine Empfehlung zur Abgrenzung der Begrifflichkeiten Produktaudit und Requalifikationsprüfung. Zusätzlich sind stets die kundenspezifischen Anforderungen zu berücksichtigen. Die aktuelle Auflage orientiert sich an den Anforderungen der ISO 19011.
Ein Produktaudit betrifft stets die folgenden Phasen gemäß dem PDCA-Zyklus:
- Planung über ein Produktauditprogramm
- Durchführung gemäß externen und internen Standards und Methoden an das Produkt
- Bewertung gemäß externen und internen Anforderungen an das Produkt
- Dokumentation der Ergebnisse in Form eines Auditberichtes
- Einleitung von Maßnahmen bei Abweichungen und vorhandenen Risiken
- Implementierung vorbeugender Qualitätsplanungsmethoden (Lessons Learned)
Produktaudits werden regelmäßig oder aus bestimmten Gründen durchgeführt, ersetzen jedoch nicht die Kontrollen während des Produktionsprozesses. Sie können auf die Ergebnisse aller Geschäftsprozesse in der Produktentwicklung, Herstellung und Vermarktung angewendet werden.
Qualitätskennzahl zeigt Leistungstrends auf
Da das Produktaudit dabei unterstützt, die Wirksamkeit dieser vorbeugenden Qualitätsplanung während der Serienproduktion zu bewerten, fordert der Band die Implementierung einer Qualitätskennzahl zur Bewertung der Produktqualität. Die Auswertung dieser Kennzahl ist als Input in die Managementbewertung nach IATF 16949 zu sehen und lässt Leistungstrends erkennen, um basierend auf den Ergebnissen – also bedarfs- bzw. risikoorientiert – Maßnahmen einzuleiten.
Einige Kunden schreiben die Verwendung von VDA 6.5 ganz konkret vor. Die Anwendung des VDA 6.5-Ansatzes kann Organisationen dabei unterstützen, die IATF-Anforderungen in Bezug auf das Produktaudit zu erfüllen.
Über den Autor: Alexander Nazmy Bertel

Hallo Herr Bertel, ein interessanter Beitrag. Nur frage ich mich, ob das Produktaudit nicht kontaproduktiv ist. Reden wir nicht immer von Prozessbeherrschung? Beherrscht ein Unternehmen die (Produktions)Prozesse, kann es doch auf Produktaudits verzichten. Rutscht die Automobilindustrie nicht in die Anfänge der QS in die 50iger Jahre zurück? Und gerade bei den von Ihnen angesprochenen komplexen Produkten sind Produktaudits nicht wirkungsvoll und vor allem nicht hilfreich. Die Herstellung komplexer Produkte muss aus meiner langjährigen Produktionserfahrung und -verantwortung ausschließlich über die Absicherung von Produkten im Prozess erfolgen. Dazu gehört auch die parallele Absicherung durch Prozessbegleitende Stichprobenprüfungen und nicht durch zusätzliche aufwendig geplante offline Produktaudits. Und vor allem führen die damit verbunden geforderten Auditberichte zu einem erheblichen unnötigen Bürokratismus ohne Mehrwert. Wir treffen hier unmittelbar auf eine der sieben Verschwendungsarten des Lean Managements – Over Engineering. Denken Sie doch einfach einmal an die PCBA (Printed Circuit Board Assembly) Hersteller (die im Rahmen der Elektromobiltät sicherlich in Zukunft einer der Schlüssellieferanten der Automobilindustrie sein werden). Wie soll hier ein Produktaudit aussehen? Dann auch noch eine Kennzahl – nur der Kennzahlen wegen? Die aus meiner Sicht antiquarische Forderung nach Produktaudits passt nicht in die Produktionswelt von Morgen – jedoch in die Denke von Automotiv. Ich glaube, dass die Automotivwelt ganz schnell umdenken muss, um in Zukunft wirtschaftlich und sicher produzieren zu können. Denn trotz eventuell durchgeführter (Alibi)Produktaudits, gibt es im Automotivbereich mehr Qualitätsprobleme denn je. Am Ende ist es wieder eine der IATF Forderungen, die nicht wirklich hilfreich ist, aber Lieferanten unnötige und unbezahlte Arbeit bereitet.