Messen auf eigene Gefahr: Normkonformität in der Messtechnik sicherstellen4 | 02 | 25
Die Qualitätssicherung in der Fertigung setzt voraus, dass Messergebnisse normgerecht ermittelt werden. Dabei spielen nicht nur die Auswahl des Messmittels und die Berücksichtigung der Messunsicherheit eine entscheidende Rolle, sondern auch die korrekte Konfiguration der Messsysteme und Auswertesoftware. Doch die Praxis zeigt immer wieder, dass hier erhebliche Risiken und Wissenslücken bestehen, die die Qualität der Messergebnisse beeinträchtigen können.
Die Herausforderung der Normkonformität
Ein zentraler Aspekt in der Messtechnik ist die Frage, ob die ermittelten Messergebnisse tatsächlich den Anforderungen einschlägiger Normen entsprechen. Beispielsweise stellen sich bei der Bezugsbildung von Ebenen oder bei der Ermittlung unsymmetrischer Toleranzzonen immer wieder Unsicherheiten ein. In Seminaren zeigt sich häufig, dass selbst erfahrene Messtechniker*innen oft keine Auskunft darüber geben können, welche Grundeinstellungen die verwendete Auswertesoftware des Messsystems verwendet.
Ein häufig genanntes Szenario ist, dass Servicetechniker*innen des Messsystemherstellers die Software vorkonfigurieren, ohne dass die Anwender*innen die Einstellungen im Detail überprüfen. Hier liegt ein gravierendes Risiko: Die Normkonformität der Ergebnisse wird vorausgesetzt, ohne diese zu verifizieren. Dies ist insbesondere problematisch, wenn spezifische Anforderungen, wie die Bezugsbildung nach Tschebyscheff oder Gauß, in der technischen Zeichnung definiert sind. Werden diese Vorgaben nicht eingehalten, kann das zu fehlerhaften Ergebnissen und letztlich zu Qualitätsabweichungen führen.
Die Rolle der Auswertesoftware
Ein weiteres Problem besteht in den funktionalen Einschränkungen einiger Auswertesoftwarelösungen. So gibt es Softwareprodukte, die bestimmte Messgrößen, wie den Abstand von parallelen Flächen oder Linien, nicht nach den Vorgaben der ISO-Normen auswerten können. In solchen Fällen müssen alternative Messsysteme gewählt werden, was nicht nur zeitaufwändig ist, sondern auch zu Unsicherheiten bei der Validierung der Messergebnisse führen kann.
Besonders kritisch ist die Auswertung von unsymmetrischen Toleranzzonen. Oft wird hier statt der ISO-Methode die Methode gemäß ASME Y14.5 angewendet. Wenn dies von den Messtechniker*innen nicht erkannt wird, werden falsche Zahlenwerte in Erstbemusterungsberichte (EMPB) übernommen. Solche Abweichungen können Audits oder Kundenprüfungen zu schwerwiegenden Beanstandungen führen.
Sensibilisierung durch Schulungen
Die Qualifizierung von Messtechniker*innen ist entscheidend, um die Voreinstellungen der Auswertesoftware von Messmaschinen korrekt zu verifizieren und die Rückführbarkeit sowie Wiederholbarkeit der Messergebnisse sicherzustellen. Ihre Kompetenz beeinflusst direkt die Qualität der Messungen. Ein fundiertes Verständnis der eingesetzten Messgeräte, -verfahren und -technologien ist unerlässlich, um Abweichungen oder Fehlfunktionen frühzeitig zu erkennen und Messergebnisse zuverlässig zu interpretieren. Ein mangelndes Verständnis der Softwareeinstellungen kann hingegen zu Messfehlern führen, die die Fertigungsqualität gefährden. Gut geschulte Fachkräfte minimieren solche Risiken und gewährleisten präzise, reproduzierbare und normgerechte Messungen.
Fazit: Qualität durch Kompetenz
Ein tiefes Verständnis potenzieller Risiken und eine kritische Auseinandersetzung mit Messergebnissen sind unverzichtbar, um Abweichungen frühzeitig zu erkennen und zu beheben. Dies sichert die Qualität in der Fertigung nachhaltig. Unternehmen sollten daher gezielt in die Qualifikation ihrer Mitarbeitenden investieren, damit Messtechniker*innen nicht nur auf die Technik, sondern vor allem auf ihr fundiertes Fachwissen vertrauen können. So wird die Qualität der Messergebnisse verbessert, die Einhaltung von Normen und Standards gewährleistet und ein effizienter, fehlerfreier Messprozess in der Qualitätssicherung sichergestellt.
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Über den Autor: Colin Jambe
