Managementsysteme haben nichts mit Qualität zu tun23 | 06 | 23

Kostenrechnung, Business, Gewinn, Umsatz, IMS, Managementsysteme

Managementsysteme haben nicht mehr mit Qualität zu tun als mit irgendeiner anderen unternehmerischen Zielstellung. Der Zusammenhang ist rein historisch – und schädlich. Doch wie komme ich zu diesem Gedanken und welche Auswirkung hat das für Managementsysteme und ihre Verantwortlichen?

Definition

Meine umgangssprachliche Definition lautet: Ein Managementsystem ist die Summe aller expliziten und impliziten Spielregeln eines Unternehmens. Und zwar unabhängig davon, ob dokumentiert oder nicht, ob softwaretechnisch unterstützt oder nicht. Spielregeln beinhalten dabei auch Ziele, Werte, Prinzipien, formale und informale Strukturen.

Ein Qualitätsmanagementsystem ist folgerichtig die Summe aller expliziten und impliziten Spielregeln eines Unternehmens, die einen Einfluss auf die Produktqualität haben. So lässt sich vor den Begriff Managementsystem eine beliebige unternehmerische Zielsetzung stellen, die damit eine Teilmenge der Definition eines Managementsystems bildet. Jedes Unternehmen hat nur ein Managementsystem, welches unterschiedliche Zielsetzungen operationalisiert.

Historie

Qualität war dabei historisch gesehen schlichtweg die erste Zielstellung, die über einen derart systematischen Ansatz verfolgt, genormt und „Managementsystem“ genannt wurde. Allein daraus und aus der Verbreitung von QM-Systemen ist die starke Assoziation von Managementsystemen mit Qualität gewachsen.

Durch den zeitlichen Versatz der „Erfindung“ von Energie-, Umwelt- und anderen Managementsystemen und dadurch, dass diese Disziplinen alle bereits eine Historie mitbrachten, bevor sie als Managementsystem verstanden wurden, wurden in Normung, Lehre und Realität separate Regelwerke geschaffen, die nun nachträglich „integriert“ werden.

Quergedacht

Jede Organisation, die länger Bestand hat, hat im beschriebenen Sinne ein erfolgreiches Umsatzmanagementsystem. Der Begriff ist zwar unüblich, veranschaulicht aber gut die folgenden Gedanken. Arbeitet die Organisation zudem erfolgreich gewinnorientiert, liegt auch ein Gewinnmanagementsystem vor. Bei gewinnorientierten Organisationen sind Umsatz- und Gewinnmanagementsystem typischerweise sogar integriert im Sinne eines Integrierten Managementsystems. Das heißt, beide Zielstellungen werden mit ein und demselben Set an Zielen, Prinzipien und Strukturen gesteuert. War Ihnen das so bewusst?

In Integrierten Managementsystemen (IMS) werden aktuell häufig Qualitäts-, Umwelt-, Energie- und Arbeitssicherheits-Managementsysteme integriert. Damit werden mehrere Managementsystem-Silos vereint. Sie bleiben dennoch ein – nun etwas größeres – Silo gegenüber dem Umsatz- und Gewinnmanagementsystem. Letztlich getrennt vom „echten“ Business. Es bleibt ein IMS – Ein Isoliertes Managementsystem.

Der Fehler

Immer wieder höre ich den Satz: Das QM-System ist die Grundlage eines IMS. Nein! Das echte Business, Umsatz- und Gewinnmanagement, Betriebswirtschaft, Geschäftsprozessmanagement ist die Grundlage eines echten IMS. Wenn dem so ist, dann schadet die Assoziation mit Qualität. Hinzu kommt, dass für ein echtes IMS viele heutige QMB nicht ausreichend in Betriebswirtschaft und Organisationsentwicklung ausgebildet sind; nicht selten entstammen sie einer Prüfhistorie.

Indizien

Daran erkennen Sie ein Isoliertes Managementsystem:

  • Ihr Management Review findet entkoppelt von üblichen Planungstreffen wie Budgetrunden und Planstellendiskussionen statt.
  • Ihre Qualitätsziele etc. kommunizieren, betrachten und verfolgen Sie in anderen Systemen und Zyklen und mit anderen Methoden als Ihre Businessziele.
  • Für das Controlling Ihrer Qualitätsziele etc. sind andere Organisationseinheiten zuständig als für das Controlling Ihrer Businessziele.
  • Ihre Geschäftsprozesse werden separat von der Dokumentation der Managementsystem-Prozesse gesteuert.
  • Sie führen separate Politiken für Qualität, Energie, usw., getrennt von Leitbild, Werten, Strategie etc. des Unternehmens.

Lösung

Was ist nun der Schlüssel zu einem echten IMS?

  1. Fundierte Kompetenz im Bereich BWL, Prozessmanagement und Organisationsentwicklung
  2. Klares Verständnis darüber, was ein echtes IMS ist und was der Nutzen für die Organisation und den Einzelnen ist
  3. Klarer Auftrag der Unternehmensführung für ein echtes IMS
  4. Einführung eines Managementsystem-Moderators in beratender Rolle
  5. Einführung von unternehmensweitem Geschäftsprozess-Management mit einer zusammenhängenden Prozesslandschaft als Basis jeder Operationalisierung
  6. Übertrag der vollen Verantwortung auf die Prozessverantwortlichen
  7. Beratung der Prozessverantwortlichen durch ehemalige Managementsystem-Verantwortliche als Inhouse-Consultants
  8. Gezielte Vermeidung von Parallelstrukturen, wie Qualitätscontrolling neben dem bestehenden Controlling etc.

Appell

Dieser Ansatz ist für heutige Managementsystem-Verantwortliche eher ungewöhnlich. Für Prozessmanager mit einem Interesse an prozessorientierter Unternehmensführung ist das der selbstverständliche Ansatz. Also lassen Sie uns wahrhaft Integrierte Managementsysteme prägen, sonst werden es andere Fachdisziplinen für uns tun!

 

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Über den Autor: Carsten Behrens

Nach seinem Ingenieursstudium an der Ruhr-Universität Bochum und seiner Arbeit im strategischen Management bei der BMW AG promovierte Dr. Carsten Behrens im Themenfeld Qualitätsmanagement an der RWTH Aachen. Dort entwickelte er gemeinsam mit Prof. Robert Schmitt das Prinzip Interaktiver Managementsysteme und gründete 2009 die Modell Aachen GmbH. Als deren Geschäftsführer begleitete er bereits über 800 Unternehmen erfolgreich bei der Einführung eines Interaktiven Managementsystems. In der DGQ engagiert er sich als Leiter des Fachkreises Organisationsentwicklung, als Delegierter sowie im Rahmen der Regionalkreisaktivitäten.

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