Fragestellung und Antwortgebung11 | 03 | 17
Es ist schon ein Kreuz mit den ganzen Setzungen und Stellungen. Vor allem in Verbindung mit abstrakten Substantiven sind sie oft überflüssig, ist bei Gebrauch höchste Vorsicht geboten; z. B. bei der Problemstellung (schlicht das Problem) oder der Aufgabenstellung (in der Regel einfach die Aufgabe). Wolf Schneider, der sich solchen Themen seit jeher mit großer Hingabe widmet, weiß dazu den klugen Rat: „Gehäufte -ung-Wörter sollten uns zur ,Verdachtsschöpfung‘ animieren; eine ,Vorteilsgewinnung‘ folgt aus ihnen nie.“
Wer sich aber am Duden orientiert, dem werden, wenn er dringend ein Substantiv für das Festlegen von Zielen sucht, gleich zwei allein schon klanglich recht eckig anmutende Varianten angeboten: die Zielsetzung und die Zielstellung. Die vielleicht noch eckigere Zielsteckung ist leider nicht dabei, obwohl Menschen sich ja durchaus manchmal Ziele stecken (wohin, an den Hut?). Man kann sich also, jedenfalls laut Duden, Ziele setzen und – offensichtlich – auch stellen. Ein Ziel stellen? Damit es umfällt? Nein, das eher nicht! Aber darum geht es heute gar nicht. Es geht vielmehr z. B. um die Beförderung des Ziels zur Zielstellung, gern auch zur Zielsetzung, später dann noch um das Aufblasen der Frage zur Fragestellung.
„Unsere Zielsetzung ist es, unsere Kunden nach Kräften zu unterstützen.“ Diese Patzer-Dublette liest man nicht selten. Erstens möchte der Autor des Satzes in Wahrheit vermelden, dass es ein Ziel gibt (und natürlich keine Zielsetzung) und zweitens drückt das Gesagte aber gar kein Ziel aus, sondern lediglich eine Absicht, einen Willen oder ggf. eine Aufgabe. Denn für ein Ziel braucht es mindestens einen Fixpunkt, den es zu erreichen gilt, zeitlich oder räumlich oder beides; und dazu bedarf es oft auch noch quantitativer Angaben. Die Wörter Ziel und Absicht etc. zu verwechseln, gilt im Hinblick auf das Erreichen von Zielen als kritisch.
Vier Buchstaben sind zu wenig
Wer sagt: „Unsere Zielsetzung ist es, bis zum 31. Dezember 2020 den Umsatz auf eine Milliarde Euro geschraubt zu haben“, ist möglicherweise recht ehrgeizig und weiß auch, was ein Ziel ist. Er bläht dieses aber vorsichtshalber erst einmal auf, wahrscheinlich weil ihm das schlichte „Ziel“ irgendwie nicht attraktiv, ja geradezu minderwertig erscheint mit seinen schlappen vier Buchstaben. Ein Fehler ist das schon. Die Zielsetzung ist ja, wie gewiss nicht ganz unbekannt, ein veritabler Vorgang, und zwar des Setzens mindestens eines Ziels.
Man trifft sich zum Beispiel um 11 Uhr in einem Besprechungsraum und setzt dann, sagen wir binnen zwei Stunden, gemeinsam mit anderen Zielsetzern Ziele oder auch nur eins. Wer also eine Zielsetzung erreichen möchte, der muss zusehen, dass er pünktlich um 11 Uhr in besagtem Besprechungsraum Gewehr bei Fuß steht, sonst wird es nichts.
Alles Blödsinn?
Nein, gar nicht! Stellen Sie sich vor, der Herr Hamilton, ein recht bekannter Autofahrer aus England, wollte bei einem Formel-1-Rennen statt des Ziels eine Zielsetzung erreichen – wie man ihn kennt, sicher noch schnellstmöglich; er würde ja mit seinem Boliden mitten in die Runde derer preschen, die erst noch festlegen wollen, wo sich das Ziel, in diesem Fall die Ziellinie, überhaupt befinden soll. Hamilton schösse gewaltig am Ziel vorbei, statt wie sonst nur darüber hinaus. Und das wäre dann aber gar nicht zielführend!
Das Fragestellungszeichen gewinnt an Boden
Kommen wir an dieser Stelle noch flott zu den Fragen. Die werden ja grundsätzlich nicht gesetzt, dafür aber gestellt, natürlich mit einem Fragestellungszeichen hintendran. Oder so: „Sein oder nicht sein, das ist hier die Fragestellung“, frei nach Shakespeare. Ja, so heißt das jetzt bei uns. Für Engländer können übrigens Frage wie Fragestellung durchaus nur eine einzige „question“ sein. Nur wissen die dann, wieder einmal, mittels Sprachgefühl und aus dem Zusammenhang heraus, was gemeint ist – nämlich zu 99,9 Prozent die Frage.
Aber was ist eigentlich genau eine Fragestellung? Ist die auch ein Vorgang, wie die Zielsetzung und viele andere Substantive mit -ung am Ende? Die Antwortgebung, pardon, die Antwort darauf lautet: In gewisser Weise schon. Es schwingt aber noch etwas anderes mit, nämlich wie die Frage konstruiert ist. Man vermutet manchmal durchaus zu Recht, dass eine Frage zu kompliziert gestellt ist, wenn man sie nicht auf Anhieb versteht. Man meint dann ihren Bau, wie sie zusammengestellt wurde, auch die Wortwahl etc. – aber nicht den Inhalt, der nämlich bildet die eigentliche Frage ab, das, was es zu beantworten gilt.
Über mysteriöse Legungen braucht man sich übrigens keine Gedanken zu machen. Die sind nämlich im eher mystischen Reich der Tarot-Karten zu Hause und damit weit jenseits der Niederungen gängiger Sprechblasen.