Eine Hommage auf Karl William Kapp – Die zerstörerische Milchmädchenrechnung des Kapitalismus7 | 10 | 24

Hommage

Gleich vorweg: Wer schon in der Überschrift den Kapitalismus kritisiert, ist deshalb kein Kommunist. Der Kommunismus hat seine Untauglichkeit als Konzept für eine nachhaltige Gesellschaft freier Menschen hinlänglich bewiesen. Umso wichtiger ist es, auf der Suche nach Lösungen für ein nachhaltiges Leben und Wirtschaften aller Menschen die Schwächen des Kapitalismus nicht zu übersehen.

Der Ökonom Karl William Kapp (1910 – 1976) hat einige dieser Schwächen aufgezeigt und bereichert damit bis heute die Nachhaltigkeitsdebatte. Er war ein wichtiger Pionier der Nachhaltigkeit, gilt als Mitbegründer der Ökologischen Ökonomie, die der damaligen kapitalistischen Ökonomie in wichtigen Punkten widersprach. Seine jüdische Frau und Koautorin Jule Masur und er flohen 1933 zunächst aus Deutschland nach Genf, dann gingen sie für lange Zeit in die USA. Die legendäre Frankfurter Schule, unter dem Namen „Institute for Social Research“ ebenfalls an der Columbia University im Exil befindlich, gab ihm ein Stipendium. Kapp war dann Professor an mehreren US-amerikanischen Universitäten.

In seinem spannenden Vortrag „Die Logik des Geldes“ (Hörsaal: Die Logik des Geldes Dlf Nova (deutschlandfunknova.de) hat der Heisenberg-Professor für Philosophie und Politische Ökonomie Oliver Schlaudt drei wichtige Erkenntnisse Kapps hervorgehoben, die marktradikale, marktfundamentalistische und neoliberale Positionen hart angreifen:

  1. „Das Geld drückt die Nachfrage aus, aber nicht das Bedürfnis. […] Nachfrage […] sind nur die solventen Bedürfnisse, Bedürfnisse, die durch Kaufkraft gedeckt sind.“ Wer keine Kaufkraft hat, dessen Bedürfnisse bleiben unberücksichtigt.
  2. „Das Geld tut so, als seien unsere Bedürfnisse authentisch.“ Doch Bedürfnisse werden stimuliert, Käufer immer wieder manipuliert, Dinge und Leistungen zu kaufen, die sie dann gar nicht mehr nutzen. „Wenn Sie aber einmal bezahlt haben, sind all diese Zweifel, die Sie gehabt haben mögen, ausradiert, nicht aus Ihrem Geist, aber aus der Bilanz“.
  3. „Das Geld blendet die sozialen und ökologischen Kosten aus. [ ] Das Geld schaut […] mit dem Auge des Konsumenten auf die Welt und verbucht nur im Preis, was er oder sie aus den Dingen für Nutzen für sich ziehen kann. Die Kosten, die negativen Folgen für andere, die Allgemeinheit, die Umwelt werden einfach ausgeblendet.“

Fazit: Kapps Thesen sind ein wertvoller Betrag für unsere Themen Qualität und Nachhaltigkeit. Der Markt regelt „es“ nicht für uns. Nicht alle notwendigen Leistungen werden nachgefragt, nicht alle notwendigen Lösungen werden angeboten. Ressourcenverbräuche und schädliche Folgen sind nicht fair bepreist, so dass wir „zerstörerische Milchmädchenrechnungen“ zu Lasten kommender Generationen machen. Schädliches Wirtschaften in Form geringer Qualität und mit den Effekten sozialer, ökologischer und ökonomischer Kollateral- und Folgeschäden kann vom Markt belohnt und qualitatives, nachhaltiges bestraft werden. Die Gesellschaften müssen deshalb Regeln für den Markt und darüber hinaus definieren, wenn sie allen Menschen heute und in Zukunft ein Leben in Würde ermöglichen wollen.

 

Meine DGQ-Blogserie 2024 „Eine Hommage auf…
Eine Hommage ist eine „Huldigung“ für eine Geistesgröße. Ich möchte im Laufe des Jahres 2024 zwölf Menschen vorstellen, die einen wertvollen Beitrag für das QM geleistet haben, egal ob dieser explizit fürs Qualitätsmanagement oder zunächst ohne direkten Bezug dazu entstand. Im Kern geht es darum, interessante Inputs herauszuarbeiten, bevorzugt Inhalte, die im QM kaum bekannt, nicht vertraut sind und deren Bezug zu unserer Arbeit ein Aha auslöst.

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.