Das QM und die Verbesserung30 | 09 | 25

Das QM und die Verbesserung

Gut, besser, am besten. Es gibt eine Anekdote*, in der einer von drei Bäckern in einer Straße ein Schild aufhängt: „Bester Bäcker der Stadt„. Der zweite macht dann ein Schild: „Bester Bäcker der Welt“. Der dritte Bäcker schaut sich all das an und entscheidet sich letztendlich auch für ein eigenes Schild: „Bester Bäcker der Straße.“

Was ein gutes Brot oder ein guter Streuselkuchen ist, das ist zunächst einmal Geschmacksache. Sicherlich ist das Backergebnis besser, wenn sich Bäckerin und Bäcker an ein gutes, bewährtes Rezept halten, gute Zutaten verwenden, einen guten, gleichmäßig heizenden Ofen verwenden. Seit Jahrtausenden backen die Menschen Brot, es ist eines der ältesten und wichtigsten Lebensmittel. Die bisher ältesten gefundenen Brotreste aus Jordanien sind über 14.000 Jahre alt. Die Rezepturen, der Produktionsprozess und Lagerung wurden optimiert, verbessert. Neue Brotsorten – und der Streuselkuchen – wurden erfunden, das Portfolio somit erweitert.

Wieviel besser als ein richtig gutes Brot ist das beste Brot? Wenn man es denn überhaupt finden könnte. Diese Frage mag dafür öffnen, dass bei allem üblichen Fokus auf Verbesserung es zunächst einmal anzustreben ist, dass die Dinge gut zu sein haben. Was nicht gut ist, sollte mittels Verbesserung gut gemacht werden, was gut ist, kann man – unter bestimmten Umständen – vielleicht noch besser machen.

Brot ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass Verbesserung nicht immer kontinuierlich sein kann. Jeden Tag seit mindestens 14.000 Jahren backen Menschen Brot, sicherlich nicht jeden Tag besser als am Tag zuvor.

QM-Paradigma Kontinuierliche Verbesserung

Da war es stimmig, bei der ISO-9001-Revision im Jahr 2015 den zuvor verwendeten Begriff „continuous improvement“ durch „continual improvement“ zu ersetzen. Der kleine Unterschied: continual bezeichnet einen Fortschritt, der auch temporär unterbrochen sein kann; continuous müsste stetig vorangehen – das ist meistens unrealistisch. Im Deutschen wurde aus kontinuierliche Verbesserung dann fortlaufende Verbesserung.

Doch begriffsbezogene Haarspaltereien gibt es schon viel zu viele im QM, egal wie wir es sagen, miteinander wissen wir doch, dass Verbesserung, dass Fortschritt in Stufen erfolgt. Und nach Verbesserungsoptionen zu suchen, ihre Potenziale zu bemessen und bei guter Prognose dann mit einem echten „Return on Verbesserung“ zu heben, das ist eines der wichtigsten Fortschrittkonzepte der Menschheit.

Pseudoverbesserung und Verschlimmbesserung

Doch mehr, anderes und Neues ist nicht immer besser. Manche Produkte überfrachten wir derart mit neuen und verbesserten Funktionen, dass sie erst immer komplizierter, dann immer komplexer werden. Wer macht das und warum? Entwicklerinnen und Entwickler, weil sie’s können und neue Technologien verwenden und integrieren wollen? Produktmanagerinnen und -manager, weil sie den Kunden und „dem Markt“ Neues bieten oder zumindest suggerieren wollen?

Am Ende ist das Produkt oft gar nicht wirklich besser geworden. Es wurde stattdessen mit neuen Features, Funktionen und Finessen sogar fragiler, anfälliger und für die Anwender schwieriger zu bedienen. Es wurde besser und dadurch auch schlechter. In unserer schnelllebigen Zeit eskalieren zudem die Anforderungen, verwenden die, die es sich leisten können – und einige, die es nicht können – das „Besser“ als Mittel zur sozialer Distinktion.

Fortlaufende Verbesserung hat somit auch ihren Anteil an der fortlaufenden Verschwendung, in der wir Gutes aussortieren, um es durch Besseres oder Pseudobesseres zu ersetzen. So trägt Verbesserung im Kleinen zur Verschlechterung im Großen bei, zur exponentiellen Ressourcenaufzehr, zur Überhitzung des Konsumierens, zur Überforderung der Menschen in einer überschleunigten Gesellschaft.

Was ist für wen besser? – Eine Gesamtbilanz der „Besserkeit“

Wenn wir also kontinuierlich oder fortlaufend verbessern, sollten wir uns sehr genau damit befassen, was denn nun genau für wen konkret besser wird. Haben wir alle Stakeholder angemessen berücksichtigt? Haben wir ernsthaft und ehrlich nicht gewollte und sogar negative Effekte der Verbesserung bedacht und in die Gesamtbilanz aufgenommen? Haben wir die Wirkungen auf das große Ganze bedacht, die Verschwendung von Ressourcen, die unsere Verbesserung auch auslösen kann? Wir sollten all das tun, finde ich.

Verbessern Sie weiterhin, tun Sie es mit Bedacht. Und geben Sie den Dingen auch einmal die notwendige Zeit zum Reifen und Wirken. Oft gilt: lass‘ gut sein.

*Der Ursprung der Anekdote ist unklar, es gibt sie in vielen Varianten, z.B. mit Pizza, statt Brot.

 

Meine DGQ-Blogserie 2025 „Das QM und die …
Das Qualitätsmanagement betritt viele unterschiedliche Felder, behandelt viele verschiede Themen und benötigt Wissen aus vielen Gebieten. In meiner DGQ-Blogserie „Das QM und die …“ sinniere ich über zwölf Begriffe und ihre Bedeutung für das QM und im QM. Dabei möchte ich immer auch auf die Bedeutung für Praxis und Umsetzung im Unternehmen eingehen. Eines ist klar, die wenigen Zeilen eines Blogs können interessante Impulse setzen, doch die Themen nie umfassend behandeln. Deshalb werden wir vertiefende Ausarbeitungen in DGQ Impulspapieren, den DGQ Mitgliederwebinaren der Reihe „Chili-con-Q“ und QZ Artikeln publizieren.

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

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Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.