Darf ich Sie ‘mal ‘was fragen? – Wie gut geht Ihr Unternehmen mit dem Älterwerden um?28 | 09 | 22
Auch Siebenjährige werden älter. Doch Kinder altern in jeder Hinsicht anders als Erwachsene. Auch Startups – die Kinder unter den Unternehmen – werden älter. Und auch sie altern zunächst ganz anders, als „erwachsende Unternehmen“.
Doch hier geht es um uns, die Menschen im Unternehmen. Kinder können das Älter-, Größer-, Stärkerwerden gar nicht abwarten. Wenn sie gesund in gesunden Umfeldern aufwachsen dürfen, ist jeder Geburtstag ein Meilenstein, verbunden mit dem mehr Kennen, mehr Können, mehr Wissen, und vor allem mehr Dürfen.
Irgendwann kippt bei vielen Menschen aber die Sicht aufs eigene Älterwerden. Zum einen wachsen mit der Zeit auch die Pflichten, Verantwortung, Sorgen und Mühsal. Dann gehen mit ihm auch zunehmend Lasten und Beeinträchtigungen einher. Krankheiten und Schicksalsschläge drängen sich ins Leben. Doch all das können wir grundsätzlich meistern. Was uns dabei enorm hilft, sind eine hohe Resilienz, die Fähigkeit, auch Schicksalsschläge zu bewältigen und gestärkt aus ihnen hervorzugehen. Was uns hilft, sind über die Jahrzehnte anwachsendes Wissen und Können. Unsere Weisheit nimmt zu.
Dilip Jeste, Professor für Psychiatrie und Neurowissenschaften der University of California und Direktor des Stein Institute for Research of Ageing „(Alternsforschung“), definiert Weisheit als „die Einbeziehung vieler und vielseitiger Perspektiven, um unter Unsicherheit gute (optimale und moralische) Entscheidungen zu treffen“[1]. Sapperlot, das sind doch Kompetenzen, die Unternehmen in Veränderung doch händeringend suchen. Weisheit ist sehr viel mehr als Wissen. Weisheit ist Wissen gepaart mit Geduld, mit der Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, des Perspektivenwechsels und auch des Positionswechsels.
Es gibt durchaus viel Wertschätzung für ältere und langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zu viele Unternehmen aber schaffen es nicht, die besonderen Erfahrungen und die Weisheit der Älteren gut zu nutzen. Doch älter bedeutet nicht nur und nicht immer weiser. Problematisch wird es, wenn älter bedeutet: verbohrter, unbeweglicher, veränderungsresistent, ablehnend, frustriert, unmotiviert. Wenn Ältere Digitalisierung, neue Werkzeuge, neue Arbeitsformen, neue Rollen, andere Führungskonzepte u. s. w. kategorisch und prinzipiell ablehnen. Wenn sie längst aufgehört haben, zu lernen und lernen zu wollen, wenn sie im Gestern leben und arbeiten. Doch warum ist das so? Wie konnte es dazu kommen? Welchen Anteil hat das Unternehmen, hat die Unternehmenskultur an einer solchen Haltung? Zudem bedeutet älter oft auch teurer – das kann angemessen sein, wenn das höhere Gehalt wirklich mit Return on Weisheit oder Return on Wissen und Erfahrung einhergeht.
Viele Unternehmen beklagen einen Fachkräftemangel und Rekrutierungsschwierigkeiten. Einige davon stellen dennoch partout keine älteren Menschen ein. Warum eigentlich? Einer Ihrer Bewerber ist 58? Mensch, haben Sie ein Glück! Sie bewerben sich mit 61? Mensch, hat das Unternehmen ein Glück!
Wie ist das bei Ihnen im Unternehmen? Gibt es Wertschätzung für „die Alten“? Zeigen „die Alten“ Wertschätzung für „die Jungen“? Können, wollen und dürfen Dienst- und Lebensältere sich mit vollem Elan einbringen? Sind sie weise und kommt ihre Weisheit zum Einsatz? Sind Sie jung und lernen von und mit älteren Kollegen und Kolleginnen? Sind Sie alt und lernen von und mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen? Sind Personalstrukturen bei Ihnen homogen oder heterogen (nach Geschlecht, Profession, Typ, Alter, Qualifikation …)? Werden Sie von deutlich jüngeren geführt oder führen Sie deutlich ältere Menschen? Wie gut geht Ihr Unternehmen mit dem Älterwerden um?
[1] Im englischen Original: “Integration of multiple perspectives to take good (optimal and ethical) decisions in a context of uncertainty”