Darf ich Sie ’mal ’was fragen – Streiten Sie gut?14 | 12 | 22

So kurz vor dem Fest des Friedens solch eine Frage? Sollen wir uns in dieser Welt, deren Unfrieden, Auseinandersetzungen und Konflikte wir so gerne abstellen oder zumindest ausblenden würden, auch noch gerade jetzt mit dem Streit als solchem befassen? Ja, denn ich bin der Meinung, dass Frieden und Verständigung die Kompetenz des guten Streitens benötigt.

Dass wir in Streit geraten können, ist ganz normal. Zu unterschiedlich sind unsere Motive und Ziele, Werte und Prinzipien, Ressourcen und Lösungsmöglichkeiten, als dass wir uns immer und in allem einig sein könnten. Das Spektrum ist breit, auch sprachlich: Streit, Konflikt, Disput, Kampf, Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit, Verhandeln usw.

Wer notwendigen Streit vermeidet, sorgt oft nur dafür, dass sich unterschwellige Konflikte verfestigen, verschlimmern und offen ausbrechen. Wer aber gut streitet, kann für beide Seiten einen Nutzen erwirken. Dazu ist es wichtig, einen Disput nicht gewinnen zu wollen. Wo die eine Seite gewinnt, verliert die andere. Beim Disput im Unternehmen ein Nullsummenspiel, also für dieses definitiv nicht wertschöpfend. Zumal die Verlierer dies nicht vergessen werden und der nächste Streit oder ein subtiler Widerstand vorprogrammiert sind. Das Harvard Negotiation Project, bereits 1979 gegründet, hat früh diese vier Leitsätze für Verhandeln und Konfliktlösung erarbeitet, die sich seitdem sehr bewährt haben:

  1. Trenne die Menschen vom Problem („Hart in der Sache, aber sanft zu den Menschen.“)
  2. Fokussiere auf Interessen, nicht Positionen (Was wollen die anderen, was willst Du erreichen? Und nicht: Welche Forderungen willst Du, wollen sie durchsetzen?)
  3. Finde Möglichkeiten für beidseitigen Vorteil (die legendäre „Win-Win Situation“)
  4. Bestehe auf dem Gebrauch objektiver Kriterien (legt gemeinsam fest, wie ihr die Qualität der entstehenden Lösungen bewerten wollt)

Wie ist das bei Ihnen persönlich und in Ihrem Unternehmen: Streiten sie gut? Beherrschen Sie wirksame Techniken guten Streitens? Welche Streitkultur gibt es in Ihrem Unternehmen? Bleibt notwendiger Streit aus? Was hat das für Effekte? Streiten Sie, wo es keinen Streit erfordert? Eskaliert Streit immer wieder? Führt Streit zu guten Lösungen, Innovationen und verbessertem Miteinander?

Die Weihnachtszeit ist nicht selten auch die Zeit des misslingenden Streitens in Familien. Es gibt da regelrechte Streitrituale. Wir können auch hier nicht jeden Streit vermeiden. Aber wir können besser streiten als bisher. Wir können diese Rituale durchbrechen. Schöne, friedliche Weihnachten!

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

2 Kommentare bei “Darf ich Sie ’mal ’was fragen – Streiten Sie gut?”

  1. 26c0aeaafd7f863ac6f8c4db26f1a74d Andrea Schranck sagt:

    Hallo,
    schönes Thema mal wieder. Des Pudels Kern ist aber doch schon der erste der vier Leitsätze: Konstruktive Kritik vs. persönliche Kritik. Da sind die Schlipse oft einfach zu lang, so dass man/frau gar nicht anders kann als draufzutreten…
    Dabei gibt es nichts schöneres als eine hitzige Diskussion über (inhaltliche) Themen, die ein gemeinsames Projekt doch erst so richtig nach vorne bringen. Wichtig ist dabei immer das eigene Ego zu zügeln und bei der eigentlichen „Sache“ zu bleiben. Das erfordert halt auch mal ein wenig Gelenkigkeit im Kopf – annehmen und nachgeben – anstatt von allen Seiten immer nur ziehen.
    Und Weihnachten überleben wir hier in der Pfalz mit Winzerglühwein zu allen Mahlzeiten und auch dazwischen….Prost!

  2. 1fc54abd3d0beea4524874c0cfcfc6f7 Pasqual Jahns sagt:

    Moin Benedikt,

    für mich fehlt noch ein wenig die Phase vor dem Streit. Wenn die Beziehung stimmt, macht man sich in der Regel erstmal Gedanken, ob die andere Meinung nicht auch ihre Berechtigung hat und ob vielleicht die Lösung funktioniert bzw. Es keine signifikanten negativen Konsequenzen gibt. Auch hilft es in der Regel sich zu überlegen wie man in den Schuhen des anderen agieren würde 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert