Agiles Arbeiten – Hype oder Heilsbringer?4 | 11 | 20

Agiles Arbeiten

Der Begriff „agiles Arbeiten“ wird – so hat es den Anschein – zunehmend inflationär genutzt. Er beschreibt die Beweglichkeit von Mitarbeitern und Unternehmen bei der Aufgabenbewältigung in Projekten und im Tagesgeschäft. Oft wird er auch im größeren Zusammenhang als Bestandteil der „neuen Arbeitswelt“ oder „NEW WORK“ beschrieben. Mitunter klingt es aber so, als sei flexibles und bewegliches Arbeiten einerseits völlig neu und gleichzeitig die Lösung für viele Probleme unserer Zeit: erhöhte Veränderungsgeschwindigkeit, starre Silo-Strukturen, zunehmende Komplexität, unproduktive Zusammenarbeit…Wie ist das einzuordnen, fragen sich heute viele Führungskräfte und Entscheider.

Agiles Arbeiten entsteht im Kopf

Der Ursprung des flexiblen Arbeitens liegt im Scheitern vieler Großprojekte in den 90ern, die nicht mehr zu handhaben waren. Die damit einhergehende Verschwendung von Zeit, Geld und Ressourcen brachte Unternehmen den Schmerz, der zum Umdenken führte. Agile Scrum entstand in der Software-Industrie, Kanban in der Automobilproduktion und Design Thinking oder Lean Startup kamen als agile Arbeitsmethoden hinzu. Die Wirksamkeit war sehr überzeugend, aber sie ließ sich nicht von heute auf morgen erzeugen. Sie war eher das Ergebnis eines neuen Denkens und Handelns, kurzum: ein Ausdruck und Ergebnis kulturellen Wandels.

Ohne Kulturentwicklung kein agiles Arbeiten

So betrachtet ist agiles Arbeiten heute beides: Hype und Heilsbringer. Hype, denn zahlreiche Mittelständler streben im Rahmen von „operational Excellence“ nach einer produktiveren Arbeitsweise: weg von strikten Arbeitsanweisungen und Dienst nach Vorschrift, hin zu selbstorganisiertem, selbstbestimmten und inter-disziplinärem Denken und Arbeiten. Gleichzeitig erfahren Unternehmen, die ganzheitlich denken und handeln, einen nachhaltigen Produktivitätsschub durch die agile Arbeitsweise.

Agilität ist zum neuen Mantra geworden, das gleichzeitig immer wieder neue Facetten erhält. So ist das Konzept der „Liberating Structures“ ebenso eine Weiterentwicklung des bereits 2001 verfassten und immer noch wirksamen agilen Manifestes. Letzteres besagt:

Individuen und Interaktionen stehen über Prozessen und Werkzeugen.
Funktionierende Software
ist mehr wert, als umfassende Dokumentation.
Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen.
Reagieren auf Veränderung
zählt mehr als das Befolgen eines Plans.

Das agile Manifest bezog sich bei der Erstellung noch ausschließlich auf die Software-Entwicklung – inzwischen steht es für Projektmanagement insgesamt. Eine kulturelle Entwicklung über Jahrzehnte, die sich global nicht hätte durchsetzen können, wenn die Ergebnisse der vielversprechenden agilen Arbeitsweise ausgeblieben wären. Konventionelles Arbeiten mit endlosen unproduktiven Meetings, langen Projektlaufzeiten und einseitig getriebenen Zielvorstellungen ist längst nicht mehr wettbewerbsfähig. Auch das ist ein Grund, warum Hype und Heilsbringer sich nicht ausschließen.

 

Quellen:

Den Grundstein für agiles Arbeiten legten zwei japanische Wissenschaftler bereits 1986 in einer heute legendären Veröffentlichung im HBR: „The new product development game“ (https://hbr.org/1986/01/the-new-new-product-development-game)

Das agile Manifest: http://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html

Über den Autor: Rolf Buchholz

Rolf Buchholz ist geschäftsführender Gesellschafter der KEY VALUES GmbH & Co. KG, Certified Scrum Master, Design Thinking Team Coach und Change-Manager. Die 2004 von ihm gegründete Innovationsberatung KEY VALUES ist heute die führende Innovationsberatung für wissensbasierte Innovationsentwicklung und Transformation.

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