Zwischen Fachbegriff und Q-Marketing – Die Sprache der Qualitätler2 | 06 | 15

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Im Kontext von Führung und von Qualitätsmanagement geht es oft um Methoden und Werkzeuge. Gerade wir Qualitätler befassen uns sehr intensiv damit. Einem „Werkzeug“ schenken wir dabei nicht genügend Beachtung: der Sprache. Dabei gibt es zwei Extreme. Das eine ist die nachlässige und unzureichende Verwendung von Begriffen, das andere deren übertriebener Einsatz. Die nachlässigen Begriffsverwender kennen oder nutzen Fachbegriffe nicht angemessen und hinterlassen beim Gegenüber damit keinen kompetenten Eindruck. Die anderen kennen ihre Begriffe sehr wohl und belehren ihr fassungsloses Gegenüber, dass es Forderungen heißen muss und nicht Anforderungen. Schlussfolgerung: Die eigene Fachsprache sicher beherrschen ist ein zentraler Aspekt der Fachkompetenz. Sprache so einzusetzen, dass ich gewünschte Wirkungen erziele, ist ein Aspekt der sozial-kommunikativen Kompetenz. Letzteres ist dabei wesentlich wirkmächtiger als ersteres. Ich gehe so weit zu behaupten, dass Eloquenz, der versierte Umgang mit Sprache, ganz besonders für Qualitätler ein Schlüsselerfolgsfaktor ist.

Terminologiearbeit – laaaangweilig oder ein Privileg der Götter!

Terminologiearbeit hatte in Fachgesellschaften wie der DGQ einmal einen großen Stellenwert und wurde von namhaften Experten vorangetrieben. An die in den vergangenen Jahrzehnten dort aktiven Walter Geiger und Peter Naumann werden sich viele noch erinnern. Mittlerweile ist Terminologiearbeit verpönt und kaum jemand kann sie noch auf hohem Niveau leisten. Heute ist Jürgen Jacob einer der wenigen erfahrenen Terminologen, der für die DGQ in ISO-Gremien aktiv ist. Auch ich gebe zu, dass ich in jungen Berufsjahren wenig mit den Diskussionen der Terminologen anfangen konnte, Fachbegriffen und deren stringenter Verwendung eine untergeordnete Rolle beigemessen habe. Erst im Rahmen der eigenen wissenschaftlichen Arbeit habe ich die Bedeutung der Terminologie erkannt. Jetzt, in der Betreuung von Bachelor- und Masterstudentinnen und -studenten bin ich auf einmal die Nervensäge, die die Kenntnis der Fachbegriffe, der unterschiedlichen relevanten Definitionen und deren durchgängige, widerspruchsfreie Verwendung einfordert. Darüber hinaus erwarte ich auch noch ein Mindestmaß an ansprechender Formulierung.

In der DGQ definieren wir gerade Fachbegriffe neu und schaffen sogar neue. Das spiegelt wieder, dass sich unser Fachgebiet derzeit massiv verändert, dass sich Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung und die Q-Berufe in einem starken Veränderungsprozess befinden. Daraufhin müssen wir also bestehende Begriffe mit neuen Definitionen aufladen oder neue einführen. Ich möchte zwei Beispiele aus der aktuellen Diskussion nennen. Das sind die Begriffe Organisationsentwicklung und Qualitätssicherung. Wir sagen, modernes Qualitätsmanagement (QM) sei Organisationsentwicklung (OE) und haben deshalb im Fachkreis QM und OE eine eigene, QM-kompatible Definition des Begriffs Organisationsentwicklung geschaffen. Es gibt zwar viele gute Definitionen dafür, allerdings keine, die so gut wie die eigene für das Qualitätsmanagement tauglich ist. Zusätzlich verwenden wir den Begriff Qualitätssicherung (QS) neu und ganz anders, als er in der ISO 9000-Familie definiert ist. Wir sehen QS eben nicht mehr als Teilmenge des QM, sondern als eigenes, mit dem QM verbundenes Fachgebiet, das die produkt- und prozessnahen Aktivitäten zur Schaffung der Produktqualität umfasst. Es kann aber gut sein, dass wir statt QS noch einen anderen Begriff finden müssen, die Diskussion ist noch längst nicht abgeschlossen. Zudem erkennen wir im Kontext der Industrie 4.0 die Notwendigkeit für eine Qualitätssicherung 4.0 mit ganz neuen Anforderungen und Ansätzen. Doch warum ist Terminologiearbeit nun ein Privileg der Götter? Weil die Götter, als Teilaspekt des schöpferischen Aktes, den Dingen ihren Namen geben!

Sprache muss wirken, nicht korrekt sein – der Schrauberziehertest

Nach meinem Plädoyer für eine konsequente Definitions- und Terminologiearbeit für das Kennen und Beherrschen der eigenen Fachsprache, möchte ich nun für einen, wenn nötig davon gezielt abweichenden, zielgruppenspezifischen Einsatz von Sprache und Begriffen werben. Flurförderzeug ist sicherlich ein etablierter Fachbegriff der Logistik und Ameise einer der Insektenkunde. Wenn in einem Produktionsbetrieb jemand eine Ameise im Einsatz sieht, ist dies dennoch kein Fall für den Kammerjäger. Bestimmte Arten von Flurförderfahrzeugen nennen die Kollegen in der Produktion schon seit je her Ameise. Jetzt können Sie in QM-Dokumenten fachsprachlich völlig korrekt von Flurförderfahrzeugen schreiben und damit Recht haben und unverstanden bleiben. Sie können aber auch den akzeptierten berufsalltäglichen Begriff Ameise verwenden und jeder den es angeht, weiß, was hier gemeint ist. Um zu testen, wer unter besonders schwerer Alltagbegriffsallergie leidet (medizinischer Fachbegriff: verbal induzierter anaphylaktischer Schock) bringen Sie eine Gruppe von Menschen, z.B. 20 Qualitätsbeauftrage zusammen, halten das entsprechende Werkzeug hoch und sagen laut Schraubenzieher. Typischerweise identifizieren sie drei Gruppen. Die allergiebelasteten Kollegen erkennen Sie an der Aussage, „das heißt Schraubendreher, Schrauben kann man nicht ziehen, nur drehen“. Einige werden gar nicht reagieren, andere als Reaktion auf den Aufschrei der ersten Gruppe mit den Augen rollen. Funktioniert immer. Das Augenrollen ist ebenfalls ein Symptom, das wir ernst nehmen müssen, weil es zeigt, dass Akzeptanz und unser Image leiden können, wenn wird bei der Gratwanderung zwischen sympathischem Besserwisser und arrogantem Klugscheißer auf die falsche Seite kippen.

Derartige Beispiele gibt es viele. Je älter QM-Dokumente sind, desto eher sind sie in einem heute als bürokratisch gewerteten, stark formellen, mit Normbegriffen durchsetzten Duktus. Sie sind gemäß echter oder vermeintlicher Anforderungen der Regelwerke und der Dokumentenlenkung strukturiert, nicht der der Leser. Immerhin gibt es heute elektronische Medien, die eine attraktivere Präsentation von Dokumenten erleichtern. Ihre Sprache ist aber weiterhin oft insofern untauglich, als ihre Inhalte zwar formal fachsprachlich korrekt aber dennoch für die Zielgruppen unverständlich und unattraktiv sind. Doch die Kommunikation mit den Mitarbeitern über Dokumente ist gar nicht einmal das problematischste Feld der Q-Kommunikation. Dies ist aus meiner Sicht vielmehr die Kommunikation mit Führungskräften, besonders mit der obersten Leitung.

Das gravierende Manko der Qualitätler besteht nicht darin, dass sie keine zielgruppenadäquaten Dokumente erzeugen. Nein, schlimmer ist, dass sie die Sprache der Führungskräfte und die Motive für deren Handeln oft nicht verstehen. Führungskräfte – besonders die der obersten Leitung – stehen unter enormem Erfolgsdruck und werden an ökonomischen Zielerreichungen gemessen. Und die meisten von Ihnen haben Zeitverträge. Also reden sie auch übers Geschäft, über finanzielle Kennzahlen, Geschäftsmodelle, alte und neue Märkte, müssen Kompromisse machen, manchmal lavieren. Vielen Qualitätlern reden sie zu wenig über Qualität. Ganz ehrlich, da haben wir ein auch selbstverschuldetes Imageproblem, haben zu lange über Regelwerke, Zertifizierungen, Audits gesprochen, missioniert, problematisiert und lamentiert. Führungskräfte haben doch nichts gegen Qualität, wollen sie aber im Kontext des ökonomischen Erfolges diskutieren, nicht entlang der Regelwerke. Also, reden wir von nun an nicht mehr aneinander vorbei! Sprache wirkt dann, wenn unser Gegenüber versteht, was wir ausdrücken wollen.

Q-Marketing und Q-Positionierung

Ich beobachte mit Interesse, dass im Qualitätsmanagement kein gutes Marketing der eigenen Dienstleistung, Abteilung und Person stattfindet. Dieses Marketing nenne ich Q-Marketing. Unter Einsatz geeigneter Begriffe und Sprache, mit viel Verständnis der internen Zielgruppen und unter Einsatz moderner Kommunikations- und Marketinginstrumente gilt es, ein positives Image aufzubauen. Dabei muss man sich mit Errungenschaften präsentieren, die die anderen sexy finden, nicht ausschließlich man selbst. Es kann sein, dass über die neunte Rezertifizierung zu sprechen, eben nicht nur uninteressant für die Kollegen ist, sondern sogar ein bestehendes Schubladenimage negativ verstärkt. Ein großer Anteil der Leistungen, die Qualitätler erbringen sind interne Dienstleistungen. Zu viele von uns haben sich als Problemanbieter positioniert, gesucht werden allerdings Lösungsanbieter. Sie müssen dort ansetzen, wo die internen Kunden Unterstützungsbedarf haben, da, wo die Wertschöpfung entsteht, nicht dort, wo der interne Dienstleister übriggebliebene Pfeile im Köcher hat.

Was erleben Sie? Wie setzen Sie Sprache ein?

Mich interessiert, welche Erfahrungen Sie im Umgang mit Sprache, der Q-Positionierung und dem Q-Marketing im Unternehmen haben. Wie arbeiten Sie mit Fachbegriffen? Was charakterisiert die Unternehmenssprache? Funktioniert die interne Diskussion, verstehen Sie Ihre Führungskräfte und diese Sie?

Glück auf!

 

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Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

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