Wie gehen Auditoren mit der revidierten ISO 9001 um?21 | 04 | 15
Kürzlich führte ich zum wiederholten Male eine Infoveranstaltung zur ISO-9001-Revision durch, und es gab wieder eine Diskussion zu der Frage, wie Auditoren wohl auf die neue Normfassung reagieren werden. Ich glaube, dass die größeren Freiheitsgrade in der revidierten Norm eine große Chance sind. Ob diese genutzt werden wird, hängt aber entscheidend vom Verhalten der Auditoren ab.
Eher eine Revolution als eine Revision
Nach wie vor sind in einer Vielzahl zertifizierter Unternehmen die äußeren Motive für Einführung und Aufrechterhaltung eines Qualitätsmanagements vorrangig – sprich: die Anforderung wichtiger Kunden, ein QM vorzuhalten. Die aus dieser Sicht „unvermeidliche“ Aufgabe wird dann auch als eine solche behandelt, nämlich mit möglichst geringem Aufwand. Auditoren werden in diese Perspektive eingebaut als die richtende Instanz – und zwar unabhängig davon, wie sie sich selbst verstehen.
Die bisherigen Norm-Fassungen haben diese Entwicklung unwillentlich befördert oder zumindest nicht verhindert. Und jetzt stellen Sie sich vor: Da gilt eine revidierte Norm, die „Wegdelegieren“ kaum noch zulässt, die der obersten Leitung deutlich mehr unmittelbare Verantwortung überträgt, die eine strategische Einordnung des Qualitätsmanagementsystems verlangt und dann noch zentrale, gut abprüfbare Eckpunkte, wie ein Qualitätsmanagementhandbuch, nicht mehr explizit fordert.
Warum Auditoren so wichtig sind
Wie reagiert jemand, der QM als unvermeidliches Übel betrachtet? Er – oder sie – fragt den Auditor… Wenigsten „zwischen den Zeilen“ lautet die Frage: Was muss ich wie tun, damit ich auch künftig mein Zertifikat bekomme? Und genau dann kommt es auf den Auditor an!
Meine These – und Frage – dazu ist bewusst zugespitzt formuliert:
Auditoren sind geprägt durch die bisherige Logik der Norm, das Abprüfen der Erfüllung von präzise formulierten Anforderungen, dem Feststellen von Abweichungen, usw. Die revidierte Norm ist aber getragen von der Idee der Organisation als eines offenen Systems, dass sich laufend mit sich verändernden Bedingungen auseinandersetzen muss. Anforderungen gibt es weiterhin, sie sind aber deutlich offener. Beispiel: Statt eines Beauftragten der obersten Leitung (dessen Vorhandensein usw. festgestellt werden kann), sind künftig u.a. „Verantwortlichkeiten und Befugnisse für relevante Rollen“ zuzuweisen. Kann man das mit Kategorien wie „erfüllt“, „Abweichung“ usw. angemessen bewerten und eine Konformität zur Norm feststellen? Welche Rollen sind in welchem Unternehmen unter welchen konkreten Bedingungen relevant? Woran machen Auditoren fest, dass die Leitung sich hierzu konkret Gedanken gemacht hat?
Was Überzeugungstäter brauchen
Ich glaube, man kommt einer Lösung nahe, wenn man die Dinge mal von der anderen Seite sieht, von der Seite der „Überzeugungstäter“. Denn wer Qualitätsmanagement als Prinzip zur Unternehmenssteuerung versteht, wem ein lebendiges QM am Herzen liegt, und wer QM mit guter Arbeit und mit besser werden assoziiert, der wird die Revision als großen Fortschritt und als Chance sehen, die Kernidee von QM besser denn je verankern zu können. Aus dieser Perspektive wurde von Auditoren bisher schon vor allem Entwicklungshilfe erwartet.
Für die Bewältigung der revidierten Norm wird aber weit mehr erwartet. Ich zähle mal in Schlagworten auf, was gemeint ist:
- Ein tiefes Verständnis für die jeweilige Organisation, ihre Einbindung in Umwelt, Markt und Kooperationsstrukturen, ihre strategische Ausrichtung.
- Bewertungsmaßstäbe wie Relevanz, Angemessenheit usw. müssen aus diesem Verständnis schöpfen und müssen in jeder Organisation neu gefunden werden.
- Die Abgrenzung zur Beraterrolle ist zwar formal klar, muss aber neu bestimmt werden.
- Die methodische Kompetenz von Auditoren muss um eine didaktische Kompetenz erweitert werden.
- Der Einsatz muss noch stärker von intimer Branchenkenntnis bestimmt sein, wobei die Scopes oftmals zu grob sind.
So müssten denn die Antwort auf die Frage: „Was muss ich wie tun?“ lauten: „Was denken Sie ist wichtig für Ihr Unternehmen? Die revidierte Norm liefert einen Leitfaden dazu, in dem die richtigen Fragen gestellt werden. Die Antworten müssen Sie selbst geben!“
Andernfalls drohen die Chancen der Revision ganz schnell unterzugehen.
Ich bin gespannt zu erfahren, was Sie dazu denken!
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