Six Sigma oder Prozessmanagement?13 | 06 | 17
Eines vorab: Six Sigma ist keine eigene Managementmethode und ersetzt kein professionelles Qualitäts- und Prozessmanagement. Lean Six Sigma ist vor allem eine Methodik, um Verbesserungsprojekte systematisch durchzuführen. Diesen Projekten liegen Kennzahlen zugrunde, die aus verschiedenen Prozessen im Unternehmen ermittelt werden können. Wenn Sie sich mit den Prozessen in Ihrem Unternehmen detailliert auseinandersetzen und/oder diese verbessern wollen, kann trotzdem schnell die Frage nach der passenden Weiterbildung aufkommen. Und diese lautet dann eventuell: „Six Sigma oder Prozessmanagement?“ In diesem Beitrag möchten wir Ihnen eine Orientierungshilfe geben und zeigen, inwieweit sich diese beiden Methoden voneinander unterscheiden lassen.
Was ist Six Sigma?
Entwickelt und patentiert wurde Six Sigma in den 80er Jahren von Motorola. Die Methode wurde mit weiteren Methoden des Lean Managements und des Prozessmanagements ergänzt, um sich ganz den Prozessverbesserungen in klar gegliederter Projektform zu widmen. Ein typisches Beispiel für ein Six Sigma-Projekt ist die Reduktion der Fehlerrate in einem Produktionsprozess. Im Dienstleistungsbereich kann dies beispielsweise ein Projekt sein, das sich mit der Reduktion der Durchlaufzeit im Prozess „Angebotserstellung“ beschäftigt. Ziel dieser Methode ist es, die Variation des Prozessergebnisses zu verringern. Oder anders ausgedrückt: Die Fehlerquote bei Arbeitsabläufen und somit auch bei den Qualitätskosten soll gesenkt werden – mit dem Anspruch einer standardisierten Qualitätskontrolle und einer „Null-Fehler-Qualität“.
Die DGQ bietet Six Sigma-Ausbildungen mit Zertifikat seit 2006 an. Bis heute wurden 850 Trainingsteilnehmer zum Six Sigma Green Belt ausgebildet!
Wesentliche Merkmale für den Einsatz von Six Sigma
- Es liegt ein kosten- oder qualitätsrelevantes Problem vor, dass ein umfassendes Projekt zur Prozessanalyse und -verbesserung benötigt.
- Es werden Rollen – analog zu den Gürtelfarben in japanischen Kampfsportarten – ausgebildet, um ein Verbesserungsprojekt mit einem Team systematisch zum Ergebnis zu führen:
- Ein Yellow Belt nutzt den Methodeneinblick für kleine Projekte und ist die passende Kompetenz für Teammitglieder.
- Der Green Belt wird Projektleiter für kleinere oder Teilprojekte und ist die solide und oft nachgefragte Kompetenz.
- Der Black Belt wird Projektleiter für größere und komplexere Projekte mit vertieften Kenntnissen im Projektmanagement, in der Prozessanalyse, in Statistik und Messverfahren. Er übernimmt koordinierende Aufgaben zwischen Projekten, Projektleitern, -beteiligten und -entscheidern. Er stellt die Einhaltung der Six Sigma-Vorgehensweise sicher.
- Die Six Sigma-Vorgehensweise ist DMAIC. Das zugrundeliegende Problem wird im Projekt stringent entlang der fünf Phasen Define, Measure, Analyze, Improve und Control bearbeitet. (Unsere Infografik „Prozesse verbessern nach DMAIC“ mit einer Übersicht der Phasen und Werkzeuge können Sie sich kostenfrei downloaden!)
- Ein geklärter Projektauftrag ist ebenso zwingend, wie die Zwischenreflexion, ob sich das Projekt nach dem aktuellen Wissensgewinn noch lohnt. Andernfalls – und so absolut sinnvoll – werden viele Verbesserungsprojekte begründet wieder abgebrochen. Woanders werden solche Entscheidungen nicht getroffen und produzieren unendliche Fehlkosten.
Was ist Prozessmanagement?
Aber der Bedarf, Prozesse zu optimieren, liegt nicht nur in einzelnen Problemlagen begründet, sondern vielmehr erfordert die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen eine ganzheitliche Sicht auf das Prozessmanagement. Prozessziele sicher zu erreichen und Prozesse effizienter zu gestalten, gewinnt bei vielen Führungskräften immer mehr an Bedeutung – und das nicht nur aus ISO 9001-Perspektive, sondern grundsätzlich. (Unsere Infografik zeigt eine Übersicht der Ergebnisse einer Umfrage zum Prozessmanagement in Unternehmen.)
Deswegen startete 2016 die Ausbildung zum DGQ-Prozessmanager. Gemeinsam mit dem Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen, Experten in Prozessgestaltung und Prozesseffizienz, hat die DGQ diese neue Ausbildungsreihe zum DGQ-Prozessmanager ins Leben gerufen. Sie berücksichtigt die veränderlichen externen und internen Rahmenbedingungen von Unternehmen.
Wesentliche Merkmale des ganzheitlichen Prozessmanagements
- Jeder ist sich der Bedeutung und Wechselwirkung einzelner Prozesse für das gesamte Management der Organisation bewusst. Es müssen die Verbesserungspotenziale in Prozessen erst mal gefunden und diese mit passenden Methoden flexibel bearbeitet werden.
- Rollen im Prozessmanagement können je nach Organisationsbedarf definiert werden. Ob Entscheider, mitwirkende oder beratende Funktion bei der Prozessoptimierung – alle benötigen ein Verständnis und gewisse Anwendungskenntnisse zu Methoden im Prozessmanagement. Ziel ist es, diese Kompetenzen bei vielen Fach- und Führungskräften im Unternehmen aufzubauen.
- Das Vorgehen im Prozessmanagement umfasst in ähnlicher Weise die Phasen Zielsetzung, Ist-Analyse, Bewertung, Soll-Prozess und Veränderung. In jeder Phase werden die Methodenanwendung und die Plausibilität des Ergebnisses reflektiert und abgesichert. Jede Phase verfügt über eine Auswahl an Instrumenten und Tools, um fundiert Optimierungsmöglichkeiten zu ermitteln, wo man sie vermutet. Sei es bezüglich der Anbindung an Unternehmensstrategien oder Kundenorientierung, Umgang mit Kennzahlen und Messsystemen, Prozess-, Rollen- und Schnittstellentransparenz, Datenaufbereitung, Prozessstrukturanalysen und -gestaltung, Priorisierungen von Problemen und Lösungen sowie zur Ableitung von Verbesserungsprojekten.
- Ein Unternehmen kann sein komplettes Prozessmanagement strukturiert unter die Lupe nehmen oder im Bedarfsfall ein einzelnes Prozessdesign mit den passenden Instrumenten untersuchen. Eine umfangreiche Auswahl an Werkzeugen und Methodik ermöglicht eine zielgerichtete Flexibilität.
Six Sigma und Prozessmanagement im Vergleich
Vergleicht man Six Sigma mit Prozessmanagement, dann unterscheidet sich vor allem der Anwendungsbereich. Six Sigma-Methoden zielen vor allem darauf ab, Verbesserungen mit dem Ziel der Reduktion von Streuungen in Prozessen zu erreichen. Bei ganz konkreten, vor allem sich wiederholenden Prozessabläufen sollen Verbesserungspotenziale identifiziert und umgesetzt werden.
Das Prozessmanagement nimmt dagegen einen umfassenderen Blick – nämlich auf die gesamte Prozesslandschaft im Unternehmen – ein. Das kann auch sehr individuelle oder variantenreiche Prozessabläufe betreffen. Es handelt sich bei Six Sigma und Prozessmanagement also um zwei verschiedene Perspektiven und Herangehensweisen, die sich jedoch beide mit der Optimierung von Prozessen befassen, teils gleiche Methoden nutzen und in den Bereich des Qualitätsmanagements fallen.
Über die Autoren
Claudia Nauta, geb. 1969 in Herten/Westf., ist seit 2004 bei der DGQ in der Weiterbildung beschäftigt. Sie verantwortet dort die Trainings zu Umwelt-, Energie-, Prozess- und Arbeitsschutzmanagementsystemen und weiteren Themen. Die Anwendung der ISO-Normen hat sie vorab in der Beratung und in Stabstellenfunktion von der Pike auf gelernt und nebenberuflich als Auditorin in der Zertifizierung sowie als EFQM-Assessorin verfeinert. Die Erfahrungen mit Managementsystemen aus unterschiedlichsten Branchen kombiniert sie in der Weiterbildung mit erwachsenenpädagogischen Konzepten. | Oliver Schneider ist Produktmanager in der DGQ Weiterbildung und dort für die Bereiche Lebensmittelsicherheit, QM im Gesundheits- und Sozialwesen sowie für den Bereich Labormanagement und Medizinprodukte verantwortlich. Der studierte Ernährungswissenschaftler war zuvor für die UMS Training GmbH in Frankfurt sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Rainer Wild-Stiftung in Heidelberg tätig. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeiten war die Konzeption und Betreuung von Fortbildungsveranstaltungen. Berufsbegleitend hat er die Qualifikation zum Qualitätsmanager und zum SixSigma Green Belt absolviert. |
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