Die Pestilenz mit der Exzellenz21 | 06 | 16

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Exzellenz ist ein Wort, das in der deutschen Sprache z. B. als Anrede für Diplomaten oder (kirchliche) Würdenträger verwendet wird (nehmen Sie Platz, Euer Exzellenz); oder – heute allerdings weniger üblich – als Titel für ranghohe Beamte oder Generäle etc. Eine wie auch immer geartete Bedeutung darüber hinaus ist nicht angelegt. Aber wir haben für solche Fälle ja die englische Sprache; dort gibt es das Wort „excellence“, es heißt unter anderem auch „Spitzenleistung“. Diese Bedeutung findet sich folgerichtig auch in entsprechenden (englischen) Begriffen der Q-Sprache wieder, wie zum Beispiel in „Business Excellence“ oder „Service Excellence“.

Wenn nun der Versuch unternommen wird, das englische Wort „excellence“ zu übersetzen oder vielmehr irgendwie einzudeutschen, kann es eigentlich nur danebengehen. Denn so etwas wie „Exzellenz“ im Sinn von „excellence“ gibt es bei uns ja gerade nicht. Das deutsche „Exzellenz“ heißt bei den Engländern „excellency“. Das hat aber Frau Bulmahn, die Mutter der im Jahr 2005 erstmals aufgesetzten „Exzellenzinitiative“ (laut Michael Hartmann die Trennung der Elite- von den Massenhochschulen), nicht im Geringsten gestört. Immerhin geht es bei dem Förderprogramm von Bund und Ländern um nicht weniger als einen Leistungs-Wettbewerb zwischen Universitäten, also um Einrichtungen, die in Deutschland für Bildung auf höchstem Niveau zuständig sind – und da kann man schon mal alte Wörter neu erfinden.

Eine klassische Nichtübersetzung

Das seltsame Wort „Exzellenzinitiative“ (Anstoß zu Spitzenleistungen?) kann jedenfalls auf keinen Fall als deutsch, aber auch nicht als etwas anderes bezeichnet werden. Das liegt weniger an dem Bestandteil „Initiative“, was wenigstens den Status eines Fremdwortes innehat, als vielmehr an der klassischen Nichtübersetzung „Exzellenz“. Den Vogel hat man dann aber mit den „Exzellenzclustern“ abgeschossen. Das englische Wort „cluster“ heißt so etwas wie „Gruppe“, „Anhäufung“, dummerweise auch „Klumpen“ etc. Warum bildet man einen inhaltlich ohnehin unübersichtlichen Begriff komplett ohne Not aus einer veralteten deutschen Anrede und einem vieldeutigen englischen Wort? Hätte man nicht einfach „Spitzengruppe“ sagen können?

Auf „Cluster“ kann man eigentlich nur deshalb gekommen sein, weil das Wort so enorm wissenschaftlich klingt, schließlich wimmelt es in der Physik, der Astronomie, der Mathematik, der Informatik, sogar in der Wirtschaftswissenschaft und etlichen anderen Disziplinen nur so von Clustern. Den Duden stört das einerseits nicht – seit 2009 sind die Begriffe „Exzellenzinitiative“ und „Exzellenzcluster“ ohne Kommentar aufgenommen. Im Duden Band 7 „Etymologie der deutschen Sprache“ (5. Auflage) hat man sich dann aber doch noch zu einer kleinen Spitze hinreißen lassen: „… heute ist ,Exzellenz‘ ein Modewort der Bildungs- und Wissenschaftspolitik.“

Mehr Exzellenz, bitte!

Man könnte nun (quasi als müden Rettungsversuch) argumentieren, dass das deutsche Adjektiv „exzellent“ zu Grunde gelegt wurde, als man die „Exzellenz“ in ihrer neuen Bedeutung schuf und mitnichten eine Nichtübersetzung vorliegt, also irgendwie eine Substantivierung stattfand. Wie aus dem Adjektiv „groß“ der/die/das „Große“ bzw. die „Größe“ wird, müsste doch auch aus „exzellent“ der/die/das „Exzellente“ (das gibt es bereits) oder eben die „Exzellenz“ zu entwickeln sein. Wenn jemand wahre Größe zeigen kann, muss ein anderer doch auch Exzellenz vorweisen können, wäre doch gelacht? Ob es ein klassisches deutsches Wörterbuch gibt, das „Exzellenz“ in dieser Bedeutung führt?

Wenn nicht, wird sich das aber bald ändern. Denn im Sog von „Exzellenzinitiative“ und „Exzellenzcluster“ greift „Exzellenz“ auch solo immer weiter um sich. Das (allerdings unmaßgebliche) Wikiwörterbuch „Wiktionary“ ist z. B. schon dabei. Dort heißt es zur Erläuterung: „Exzellenz – die besondere Güte eines Objektes, einer Fähigkeit oder einer Leistung; exzellent sein.“ Im Umfeld der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität hat man die neue Bedeutung des Wortes bereits für reichlich Profanes adaptiert. Dort wurde im Jahr 2012 zu einem Rundgang über das Uni-Gelände geladen, der Titel: „Campus zwischen Exzellenz und Best Practice.“ Die Überschrift eines Artikels zum Thema „Made in Germany“, erschienen am 24. November 2014 in der Tageszeitung DIE WELT, bestätigt den Trend, wenn auch mit unfreiwilliger Komik: „Deutschland steigt ab – mehr Exzellenz, bitte!“

Folgendes Zitat von einer englischsprachigen Wikipedia-Seite zu diesem Thema trifft den Nagel jedenfalls auf den Kopf: “In modern public relations and marketing “excellence” is a much overused buzzword that tries to convey a good impression often without imparting any concrete  information …”

Über den Autor: Peter Blaha

Peter Blaha, geboren 1954 in Frankfurt am Main, ist freier Journalist mit Spezialisierung auf „Managementsysteme“ und „Weinwirtschaft“ und DGQ-Mitglied. Er widmet sich neben der Erstellung von Fachbeiträgen seit jeher (und mit Vorliebe) dem nach seiner Meinung oft viel zu wenig beachteten Phänomen unklarer bis kurioser Formulierungen und Schreibweisen in der deutschen (Q-)Sprache. Wer dabei eine gewisse Nähe zur Argumentation des bekannten Journalisten Wolf Schneider zu erkennen glaubt, liegt nicht ganz falsch.