Grenzen der Nachhaltigkeit: Leitplanken für unternehmerisches Handeln1 | 12 | 25

Grenzen der Nachhaltigkeit

Angesichts globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel, dem Verlust an Biodiversität und den steigenden sozialen Ungleichheiten ist es für Unternehmen zunehmend unerlässlich, Nachhaltigkeit als strategische Ausrichtung zu begreifen. Sie muss im Einklang mit realistischen Rahmenbedingungen so verfolgt werden, dass sie langfristig umsetzbar und wirtschaftlich tragfähig bleibt. Diese Rahmenbedingungen, innerhalb derer ein Unternehmen ökologische, soziale und ökonomische Ziele wirksam verfolgen kann, ohne dabei Ressourcen, Systeme oder die eigene Leistungsfähigkeit zu überlasten, werden als „Grenzen der Nachhaltigkeit“ bezeichnet.

Im kürzlich veröffentlichten DGQ-Impulspapier zum „Umgang mit Grenzen der Nachhaltigkeit“ hat der DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit mehrere Faktoren identifiziert, die aus unternehmerischer Sicht die Grenzen der Nachhaltigkeit bestimmen und den Rahmen für Nachhaltigkeitsambitionen abstecken. Diese Faktoren können wirtschaftliche (zum Beispiel finanzielle Ressourcen), organisatorische (zum Beispiel Personal und Material), regulatorische (zum Beispiel Gesetze und Vorschriften), marktbezogene (zum Beispiel Kundenerwartungen) oder technologische (zum Beispiel Zugang zu modernen Technologien und nachhaltigen Infrastrukturen) Dimensionen umfassen.

Das Ziel dieses Impulspapiers ist es, insbesondere kleinen und mittelgroßen Unternehmen praxisnahe Unterstützung zu bieten, ihre Nachhaltigkeitsziele so auszurichten, dass diese langfristig realisierbar und wirtschaftlich tragfähig sind. Es beleuchtet die genannten möglichen Grenzen der Nachhaltigkeit, und zeigt auf, wie diese im Hinblick auf das eigene Unternehmen identifiziert und beachtet werden können. Damit regt es auch zur Auseinandersetzung mit der Frage an, welche Grenzen unternehmerisch vertretbar sind. Werden diese Grenzen nicht erkannt oder überschritten, können weitreichende negative Folgen für das Unternehmen die Konsequenz sein.

Neben der relevanten DIN EN ISO 26000 – „Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung“ – ist insbesondere in der DIN ISO 37000 „Anleitung für Governance von Organisationen“ ein Abschnitt dem Thema Nachhaltigkeit gewidmet (Grundsatz 11 – „Befähigende Steuerungsprinzipien“ – siehe Abbildung 1).

Überblick über das Rahmenwerk der Unternehmensführung

Abb. 1: Überblick über das Rahmenwerk der Unternehmensführung (©Herdmann/Wernicke, Drei Schritte zu einem integrierten nachhaltigen System der Unternehmensführung, Berlin/Wien/Zürich 2022, Seite 5 Abbildung 1)

In der Zukunft wird die ISO 53001 – „Management Systems for UN Sustainable Development Goals – Requirements“ – in ihrem Abschnitt 4 (Context = „Umfeld”) Ausführungen zur Bestimmung von Nachhaltigkeits-Grenzen in der Organisation adressieren (die Norm befindet sich aktuell noch im Entwurfsstadium).

Methodisch stehen dabei mehrere Wege zur Verfügung:

  1. die Materialitätsanalyse (Wesentlichkeitsanalyse),
  2. die doppelte Materialität,
  3. die Bewertung von Relevanz und Signifikanz sowie
  4. die Priorisierung der Signifikanz.

Grundsätzlich gilt: Die unternehmensspezifischen Grenzen sollten unter Beachtung der Stakeholder-Anforderungen über die Zielsetzung und den Nutzen der Nachhaltigkeitsbestrebungen des Unternehmens bestimmt werden. Aus der Wesentlichkeitsanalyse (1) ergeben sich die Minimalanforderungen. Die doppelte Materialität (2) sorgt dafür, dass sowohl unternehmerische Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft als auch umgekehrt externe Einflüsse auf das Unternehmen berücksichtigt werden. Mit der anschließenden Bewertung von Relevanz und Signifikanz (3) lassen sich die prioritären Themenfelder identifizieren, bevor diese im letzten Schritt – der Priorisierung der Signifikanz (4) – abschließend gewichtet und in die Strategie überführt werden.

Eine Einbeziehung von interessierten Kreisen spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Abbildung 2 zeigt wie diese eingebunden werden können:

Vier Schritte zur Bestimmung der Grenzen der Nachhaltigkeit

Abb. 2: Die vier Schritte zur Bestimmung der Grenzen der Nachhaltigkeit (eigene Darstellung durch den Fachkreis)

Diese Schritte werden im DGQ-Impulspapier genauer beschrieben wie auch weitere Hilfestellungen für Unternehmen zum Umgang mit den Grenzen der Nachhaltigkeit. Das Impulspapier zeigt dabei auf, dass die Definition dieser Grenzen nicht als Einschränkung, sondern als strategische Leitplanke zu verstehen ist: Sie hilft Unternehmen, sich ambitionierte Ziele in Einklang mit wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Realitäten zu setzen, und bildet die Basis für eine belastbare, zukunftsorientierte Unternehmensstrategie.

Nachhaltigkeit erfordert Einsatz und Verände­rungsbereitschaft seitens der Unternehmen. Doch sie ist auch eine Vorausset­zung für langfristigen wirtschaftlichen Erfolg und die aktive Mitgestaltung einer lebenswerten Zukunft. Da sich Regulatorik, Technologien und Erwartungen stetig weiterentwickeln, müssen Unternehmen wachsam bleiben und ihre Prioritäten regelmäßig nachschärfen. Zugleich sind Grenzen und Maßnahmen nicht statisch. Sie sollten in regelmäßigen Abständen überprüft und bei Bedarf angepasst werden.

 

Über die Autoren:

Prof. Dr. Linda Chalupová ist Professorin für Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften an der Hochschule Fulda sowie Prodekanin. Sie ist ESG-Expertin und Mentorin für Unternehmen in ESG-Fragen. Mit Ihrer Expertise und Erfahrung unterstützt sie verschiedene Gremien. Sie ist im Leitungsteam des DGQ-Fachkreises Nachhaltigkeit.

Dr. Frank Herdmann ist Gründer und Inhaber der Auxilium Management Service und berät kleine und mittlere Unternehmen in Steuerungsfragen. Herdmann ist im DIN Vorsitzender mehrerer Ausschüsse und Delegierter zur ISO. Dort arbeitet er an der Erstellung der ISO 53001 mit. Er ist Mitglied im DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit.

Robert Bartel unterstützt mit be lean & start green Industrieunternehmen bei der Implementierung wichtiger oder kritischer Vorhaben zur Verbesserung von Qualität, Leistung und Zusammenarbeit oder Reduktion des CO2-Handabdrucks (Scope 3). Bartel ist Mitglied im DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit und veröffentlicht mit Partnern regelmäßig Paper zu CO2-Reduktion.

Über den Autor: DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit

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Der DGQ-Fachkreis Nachhaltigkeit bietet eine entscheidende Plattform, über die wir Wissen teilen, gemeinsam lernen und Umsetzungsbeispiele für die Praxis erarbeiten und bereitstellen. Wir wollen damit einen Gestaltungsspielraum für engagierte Personen aus Organisationen bieten, die sich ihrer unternehmerischen Verantwortung gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft, aber auch der eigenen Organisation bewusst sind. Dies gilt für die Gegenwart und die Zukunft. Somit vereinen wir Managementsysteme und Nachhaltigkeitsbestrebungen.