Eine Hommage auf Elinor Ostrom – Hummer für die Qualität31 | 07 | 24

Hommage

Die US-amerikanische Professorin Elinor Ostrom (1933-2012) erhielt als erste Frau 2009 den Wirtschaftsnobelpreis. Ihre Arbeiten sind bahnbrechend für das als immer wichtiger erkannte Thema Nachhaltigkeit. Sie hatte, zunächst am Beispiel Hummerfischen, gezeigt, auf welchen Prinzipien die nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher und gemeinschaftlicher Ressourcen basiert.

Diese acht Prinzipien, sie stehen verkürzt als Überschriften unten in der Tabelle, tragen dazu bei, dass Gemeinschaften die Nutzung von gemeinschaftlichen Ressourcen erfolgreich organisieren und Konflikte minimieren können, was eine nachhaltigen Ressourcennutzung ermöglicht.

Hier schien mir eine Übertragung möglich. Um Qualität oder Nachhaltigkeit im Unternehmen zu erzeugen, müssen die Führungskräfte und Mitarbeitende ganz unterschiedlicher Funktionen und Aufgaben doch auch auf gemeinsame Ressourcen des Unternehmens zugreifen. Also ist doch die Situation der gemeinschaftlichen Nutzung und müssten Ostroms Prinzipien darauf übertragbar sein.

Deshalb habe ich, die einen mögen mich faul, die anderen pragmatisch nennen, ChatGPT-4o gefragt: „Wie lassen sich diese Prinzipien innerhalb eines Unternehmens einerseits auf das Qualitätsmanagement und andererseits auf das Nachhaltigkeitsmanagement übertragen? Betrachte das bitte unter der Maßgabe, dass im Unternehmen sowohl Qualitätsziele als auch Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens durch Nutzung gemeinschaftlicher Unternehmensressourcen durch die unterschiedlichen Rollen und Funktionen im Unternehmen erreicht werden müssen.

Die Antwort von ChatGPT lautet: „Die Prinzipien von Elinor Ostrom können innerhalb eines Unternehmens sowohl auf das Qualitätsmanagement als auch auf das Nachhaltigkeitsmanagement übertragen werden, um die Nutzung gemeinschaftlicher Unternehmensressourcen effizient und nachhaltig zu gestalten. Hier ist eine detaillierte Übertragung dieser Prinzipien auf beide Bereiche:

 

Prinzip Qualitätsmanagement Nachhaltigkeitsmanagement
Klare Abgrenzungen Definieren Sie klare Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten für Qualitätsprozesse und -ressourcen. Stellen Sie sicher, dass jeder Mitarbeiter seine Rolle im Qualitätsmanagementsystem kennt. Definieren Sie klare Verantwortlichkeiten für nachhaltige Praktiken und die Nutzung von Ressourcen, wie Energie, Wasser und Rohstoffen. Bestimmen Sie, wer für die Umsetzung und Überwachung der Nachhaltigkeitsstrategien verantwortlich ist.
Angemessene Regeln Entwickeln Sie Qualitätsstandards und -richtlinien, die den spezifischen Anforderungen des Unternehmens und den Bedürfnissen der Kunden entsprechen. Diese Regeln sollten flexibel genug sein, um Anpassungen an Veränderungen in der Produktion oder im Markt zu ermöglichen. Entwickeln Sie Regeln und Richtlinien, die den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen fördern. Diese sollten auf den spezifischen Umweltbedingungen und den langfristigen Zielen des Unternehmens basieren.
Mitbestimmung Binden Sie Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen in die Entwicklung und Verbesserung von Qualitätsprozessen ein. Dies fördert das Engagement und die Akzeptanz der Qualitätsstandards. Involvieren Sie Mitarbeiter und Stakeholder in die Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsinitiativen. Dies fördert die Akzeptanz und das Engagement für nachhaltige Praktiken.
Überwachung Implementieren Sie regelmäßige Qualitätsaudits und -kontrollen, die von internen Teams durchgeführt werden. Nutzen Sie Feedback-Schleifen, um kontinuierliche Verbesserungen zu gewährleisten. Implementieren Sie Systeme zur Überwachung der Ressourcennutzung und der Umweltwirkungen. Nutzen Sie regelmäßige Berichte und Audits, um die Fortschritte zu messen.
Graduierte Sanktionen Entwickeln Sie ein System von Sanktionen für die Nichteinhaltung von Qualitätsstandards, das von leichten Korrekturmaßnahmen bis hin zu ernsthafteren Konsequenzen reicht. Dies sollte transparent und gerecht sein. Entwickeln Sie abgestufte Sanktionen für die Nichteinhaltung von Nachhaltigkeitsrichtlinien, die von leichten Korrekturmaßnahmen bis hin zu strengeren Konsequenzen reichen.
Konfliktlösungsmechanismen Etablieren Sie Mechanismen zur schnellen und effizienten Lösung von Qualitätsproblemen und -konflikten, z.B. durch Qualitätszirkel oder Problemlösungsteams. Etablieren Sie Mechanismen zur Lösung von Konflikten bezüglich der Nutzung von Ressourcen und der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen, zum Beispiel durch Mediationsverfahren oder Nachhaltigkeitszirkel.
Anerkennung des Rechts auf Selbstorganisation Ermöglichen Sie den Abteilungen und Teams, eigene Qualitätsinitiativen zu entwickeln und umzusetzen, solange sie den übergeordneten Qualitätszielen entsprechen. Ermutigen Sie Teams und Abteilungen, eigene Nachhaltigkeitsinitiativen zu entwickeln und umzusetzen, solange sie mit den übergeordneten Nachhaltigkeitszielen übereinstimmen.
Verschachtelte Strukturen Strukturieren Sie das Qualitätsmanagement auf mehreren Ebenen, zum Beispiel durch zentrale Qualitätsabteilungen und dezentrale Qualitätsteams in den einzelnen Abteilungen oder Standorten. Strukturieren Sie das Nachhaltigkeitsmanagement auf verschiedenen Ebenen, zum Beispiel durch eine zentrale Nachhaltigkeitsabteilung und lokale Nachhaltigkeitsbeauftragte in den einzelnen Abteilungen oder Standorten.

 

Zunächst einmal erstaunt mich, wie anschlussfähig Professor Ostroms Prinzipen an das etablierte, normbasierte Qualitätsmanagement (QM) und an das Nachhaltigkeitsmanagement (NM) sind: Zum einen verstärken sie somit die Begründung für längst etablierte Praktiken. Sie betonen aber weitere Aspekte, die so nicht immer im Fokus stehen, wie Sanktionen, Selbstorganisation und „verschachtelte Strukturen“ (Subsidiarität).

Wie können wir damit arbeiten? Hier meine Einsichten und Tipps:

Klare Abgrenzungen

  • Zur Erreichung von Qualitäts- sowie auch Nachhaltigkeitszielen werden gemeinschaftlich genutzte Unternehmensressourcen eingesetzt. Dabei kommt es zu Ressourcenengpässen und -konflikten. Deshalb muss das Unternehmen, müssen Sie klären, wie eine langfristige gemeinschaftliche Nutzung denn konkret erfolgen soll und dafür Regeln, Prämissen, Prioritäten formulieren.

Angemessene Regeln

  • Der Perspektivenwechsel weg von den klassischen Fundierungen, wie zum Beispiel ISO 9001 oder Reportingpflichten, hin zur Betrachtung der kollektiven Ressourcennutzung verschafft Ihnen neue Inspiration und neue Erzählungen zur Begründung der Vorgehensweisen des Qualitäts- sowie des Nachhaltigkeitsmanagements.

Mitbestimmung

  • Mitbestimmung ist viel mehr als die vielzitierte „Beteiligung der Betroffenen“. Finden Sie praktikable Wege echter Mitbestimmung für QM und NM.

Überwachung

  • Überwachung (Kontrolle, Governance) ist unverzichtbar, das wird aber vor allem im QM traditionell geleugnet oder zumindest anzusprechen vermieden. Sie brauchen einen transparenten Umgang mit Gründen für sowie konkrete Konzepte der Überwachung. Das steht übrigens nicht im Gegensatz zu Vertrauen. Unternehmen benötigen Kontrolle und Vertrauen.

Graduierte Sanktionen

  • Es sind Sanktionen, das Bestrafen und Belohnen von Verhalten, die nicht allein, aber auch dazu beitragen, ungewolltes Verhalten zu reduzieren und gewolltes zu stimulieren.

Konfliktlösungsmechanismen

  • Es gibt keine Unternehmen ohne Konflikte. Ihre Führungskräfte und Mitarbeitenden brauche Prozesse, Methoden und Kompetenzen, Konflikte so zu führen, dass diese das Unternehmen nicht lähmen oder schwächen, sondern entwickeln und stärken.

Anerkennung des Rechts auf Selbstorganisation

  • Selbstorganisation ist meistens agiler, stabiler, zuverlässiger und effektiver für Qualität und Nachhaltigkeit als Bevormundungs- oder Bemutterungskonzepte das jemals sein können. Helfen Sie, den Grad der Selbstorganisation zu erhöhen.

Verschachtelte Strukturen

  • Verschachtelte Strukturen ermöglichen, spezifisch geeignete Ressourcen und Kompetenzen in einem Mix aus zentralen sowie bereichsspezifischen dezentralen Einheiten für unterschiedliche spezifische und individuelle Bedarfe zur Verfügung zu stellen.

 

Danke, Elinor Ostrom!

 

Meine DGQ-Blogserie 2024 „Eine Hommage auf…
Eine Hommage ist eine „Huldigung“ für eine Geistesgröße. Ich möchte im Laufe des Jahres 2024 zwölf Menschen vorstellen, die einen wertvollen Beitrag für das QM geleistet haben, egal ob dieser explizit fürs Qualitätsmanagement oder zunächst ohne direkten Bezug dazu entstand. Im Kern geht es darum, interessante Inputs herauszuarbeiten, bevorzugt Inhalte, die im QM kaum bekannt, nicht vertraut sind und deren Bezug zu unserer Arbeit ein Aha auslöst.

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.