Innovative Auditmethoden: Nicht verdrängen, sondern bereichern7 | 03 | 24
Viele Organisationen führen seit Jahrzehnten Audits durch. Dabei greifen sie auf bewährte Methoden zurück, wie zum Beispiel Interviews, Stichproben, Dokumentenanalysen, Begehungen und Einsichtnahmen in Unterlagen. Seit geraumer Zeit jedoch werden neue, alternative Auditmethoden erprobt und verstärkt angewandt. Dies erfolgt nicht etwa deshalb, weil sich die alten, „klassischen“ Methoden nicht als tauglich erwiesen hätten oder als „ausgedient“ betrachtet werden. Vielmehr erhoffen sich Auditierende durch den Einsatz kreativer, anderer Herangehensweisen neue Perspektiven, veränderte Sichtweisen auf Sachverhalte oder ganz einfach eine Revitalisierung der Audits.
Die Revitalisierung des Audits
Es ist kein Geheimnis, dass Audits und deren Ankündigung bei den Betroffenen (denn als solche fühlen sie sich leider) keine positiven oder euphorischen Gefühle auslösen. Es herrscht vielmehr der Gedanke „da müssen wir halt wieder durch“ oder „bringen wir es hinter uns“. Audits erweisen sich meist als „Defizit-Veranstaltungen“, das heißt Fehlersuche, das Aufdecken von Schwächen oder Erkennen von Verbesserungspotenzialen scheint die alleinige Aufgabenstellung dieser Tätigkeit zu sein. Kein Wunder also, dass Audits mit Spaß, Leichtigkeit oder Freude nicht in Verbindung gebracht werden.
Neue, alternative Auditmethoden bemühen sich, den Charakter von Audits dahingehend positiv zu beeinflussen, dass bei aller Ernsthaftigkeit und Seriosität, die notwendig und gefordert ist, Humor, Gelassenheit und lösungsorientierte, konstruktive Dialoge nicht zu kurz kommen. Innovative Auditmethoden sollen jedoch die „Klassiker“ nicht verdrängen oder ersetzen, sondern sollen den Werkzeugkasten unserer Audittechniken ergänzen und uns vielfältigere Möglichkeiten eröffnen, Audits variantenreicher zu gestalten.
Berufsbild Auditor Für die Integrität und Zuverlässigkeit von Unternehmen ist das Einhalten von gesetzlichen, behördlichen und normativen Vorgaben und Anforderungen essenziell. Neben dem Feststellen der Konformität können im Rahmen eines Audits unter anderem bewährte Praktiken erkannt, Lücken identifiziert und Optimierungspotenziale aufgedeckt werden. Auditoren können so einen entscheidenden Beitrag für das Unternehmen leisten und haben gute Karriereaussichten in den verschiedensten Branchen. Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Auditor:
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Worüber sprechen wir, wenn von alternativen Auditmethoden die Rede ist?
Mit alternativen Auditmethoden werden häufig die nachfolgend genannten in Verbindung gebracht:
- TOP/FLOP Methode
- Workshop/Assessment-Methode
- Interne Kunden auditieren (interne Lieferanten/ Schnittstellenaudits)
- In Rollen gehen/ Ich-bin-Methode
- Stellvertreteraudits
- Auditquiz
- Von hinten nach vorne
- Blitzaudit/ ad-hoc-Audits/ unangekündigte Audits
- Stärkenaudits
In diesem Blogbeitrag werden die drei Methoden „In Rollen gehen/ Ich-bin Methode“, „Stellvertreteraudits“ sowie „TOP/FLOP Methode“ näher erläutert.
In Rollen gehen/ Ich-bin Methode
Bei dieser Methode schlüpfen Auditierende in eine Rolle. Dies können fiktive interessierte Parteien (Kunden, Behördenvertreter, Lieferanten oder im Sozial-/Gesundheitsbereich Angehörige, Patienten) oder Gegenstände/Sachverhalte (falsch angeliefertes Material, Reklamation, IT-Ticket, neuer Auftrag) sein.
Der Auditdialog wird beispielsweise folgendermaßen eröffnet:
„Ich habe vor, dieses Audit heute in etwas abgewandelter Form durchzuführen und hoffe, dass Sie sich darauf einlassen, OK? Ich schlüpfe jetzt mal in die Rolle einer Beschwerde. (kurze Pause). Ich bin eine Beschwerde und bin eben gerade reingekommen. Wer kümmert sich denn nun um mich?“
Wichtig ist, dass die Auditierenden konsequent in der Rolle bleiben und jetzt alle Aspekte des Umgangs mit einer Beschwerde aus der Rolle heraus beleuchten können, zum Beispiel: „Ich sehe hier neben mir einen Beschwerdekollegen, der liegt schon seit einer Woche hier und keiner will sich um ihn kümmern?“ oder „Ich weiß ja, dass ich von einem kleinen Kunden komme, der nicht so oft bei euch bestellt, aber ich find’s schon ungerecht, dass die anderen Reklamationen von Großkunden schon bearbeitet sind, obwohl sie nach mir gekommen sind“ oder „Ich finde es schade, dass mein Absender noch gar nicht Bescheid weiß, dass ich überhaupt bei euch angekommen bin und ihr euch um mich kümmern werdet…..“
Diese Technik kommt zwar auf den ersten Blick sehr „humorig“ rüber, ist in der praktischen Ausübung aber sehr gut geeignet, gerade schwierige Themen und Sachverhalte in einer spielerischen Form zu erkennen und zu bearbeiten. Meistens kommen Vorgehensweisen zur Sprache, die viel exakter an der realen Praxis orientiert sind, als wenn anhand einer konkreten Beschwerde bierernst über dem ausgefüllten Formblatt „Reklamationsbearbeitung“ gebrütet wird.
Stellvertreteraudits
Stellvertreteraudits sind streng genommen nicht neu, denn wir führen sie immer wieder durch, allerdings eher zufällig, ungeplant und spontan, weil unsere Ansprechpartner kurzfristig verhindert sind, wir das Audit aber nicht verschieben wollen und daher das Auditgespräch mit der Stellvertretung führen. Neu wird diese Methode, wenn wir dies geplant und konsequent tun.
Ein Beispiel: In einem Auditjahresprogramm immer die Stellvertretungen als Interviewpartner einplanen und dies auch so ankündigen. Hier entsteht nämlich der erste Effekt bereits bei der Ankündigung. Stellvertretende machen sich vor dem Audit nochmals schlau über die Prozesse, Kennzahlen, Cockpitdaten usw. und stellen dabei unter Umständen fest, dass sie keinen Zugriff auf bestimmte Auswertungen oder Dateien haben. Im Audit selbst konzentriert sich das Gespräch auf die Verantwortungen und Aufgaben, die in der Stellvertretung wahrgenommen werden müssen. Dies dient insbesondere der Risikominimierung im Falle der Abwesenheit von Hauptverantwortlichen.
Diese Methode eignet sich nicht für den Dauereinsatz. Nachdem in einem Jahr die Stellvertretungen im Fokus waren, wird in den Folgejahren auf die Hauptverantwortlichen zurück gewechselt.
TOP/FLOP Methode
Diese Methode weicht von unserer normalen Vorgehensweise mittels Stichproben ab, bei der meistens Zufallsstichproben gezogen werden und – das lehrt uns die Gaußsche Normalverteilung – häufig im 80-Prozent-Bereich des „OK“ landen. TOP/FLOP blendet dieses Prinzip aus und beleuchtet die Ränder.
Wir beginnen mit einem TOP-Beispiel, das heißt mit einem Projekt, einem Auftrag oder einer Entwicklung, die so perfekt verlaufen ist, dass die Akteure es selbst kaum fassen konnten. Ziel ist zu lernen, ob und in welcher Form es möglich ist, hier eventuell aufeinandertreffende Aktivitäten/Ereignisse zu reproduzieren und damit häufiger zu erreichen, vielleicht sogar zur Routine werden zu lassen.
Erst dann schauen wir uns ein FLOP-Beispiel an, das heißt, hier ist schiefgelaufen, was schieflaufen konnte. Ziel hier ist es ebenfalls zu lernen – jedoch geht es darum zu erkennen, was vermieden werden muss, um Eintrittshäufigkeit und/oder Schadensauswirkung zu reduzieren. Nur die Reihenfolge: erst TOP, dann FLOP funktioniert (das ist reine Psychologie).
Denn nur wer zeigen konnte welche TOP Leistungen erbracht werden konnten, wird den „Giftschrank“ öffnen und ein FLOP-Projekt darlegen. Natürlich werden aus den Erkenntnissen des FLOP-Beispiels keine Abweichungen als Auditergebnis generiert. Diese Methode eignet sich nicht für den Dauereinsatz. Immer wieder einmal eingestreut, beispielsweise bei der Auditierung von Entwicklungsprozessen oder im Projektgeschäft, lassen sich damit durchaus neue, andere Auditerkenntnisse erzielen.
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