Pflegekompetenzgesetz: 17 Punkte für einen Meilenstein20 | 02 | 24
In der Pflege- war es in der Vergangenheit wie in der Verteidigungspolitik. Minister:innen kamen und gingen, umwälzende Reformen wurden angekündigt, eingeleitet und verliefen sich im Nirvana. Doch dann kam eine Krise, die die Doktrin der letzten Jahre erschütterte und einen „Wumms“ verursachte.
Dass ausgerechnet Karl Lauterbach nach vermeintlich untätigen Jahren für einen Pflege-„Rumms“ sorgt, hatte wohl niemand mehr erwartet. Tatsächlich sind die ersten Regierungsjahre der Ampel ohne wesentliche Reformschritte für die Pflege ins Land gegangen. Aber nun kommt ein Gesetzentwurf, der schon deshalb erstaunlich ist, weil er von allen Seiten begrüßt wird. Leistungsträger und -erbringer sowie Fach- und Berufsverbände loben den Entwurf für das Pflegekompetenzgesetz.
Die wesentlichsten Dinge, die mit diesem Gesetz erreicht werden sollen, lassen sich so zusammenfassen:
- Stärkung der Kompetenzen der Pflegefachkräfte entsprechend der ohnehin vorhandenen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten
- Schaffung und echte Aufwertung akademischer Berufswege und damit die lange geforderte Attraktivitätssteigerung für entsprechende Pflege-Laufbahnen und das Berufsfeld insgesamt
Initiative liefert Vorschläge für Kompetenzerweiterung des Pflegepersonals
Das Eckpunktepapier für die Gesetzesinitiative, das im Dezember 2023 vom BMG veröffentlicht wurde, umfasst 17 Punkte. Nicht alle werden es bis in das Gesetz schaffen. Bis dahin ist mit viel Schliff aus den unterschiedlichen Interessengebieten zu rechnen. Aber einen geschickten politischen Zug beinhaltet die Initiative: Sie erfordert im ersten Schritt kaum finanziellen Erfüllungsaufwand.
Vielmehr liefert der Entwurf auf breiter Ebene und facettenreich Vorschläge für die Kompetenzerweiterung von Pflegepersonal. Das lässt aufhorchen, denn es handelt sich um einen Paradigmenwechsel in der Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung mit großem Potenzial für die Qualität der Pflege. Denn die Qualifikation der Pflegekräfte wird in dem Papier als maßgeblich anerkannt für eine Kompetenzerweiterung im Bereich der heilkundlichen Aufgaben. Diese Erweiterung würde nicht nur die Selbstständigkeit der Disziplin stärken, sondern gleichzeitig zu einer neuen fachlich-rechtlichen Grenzlinie zwischen Medizin und Pflege führen.
Damit berücksichtigt der Entwurf noch drei weitere Herausforderungen. Denn die Anhebung des Kompetenzniveaus hat erstens das Potenzial, die Versorgungsqualität in der Pflege zu verbessern. Zweitens geht sie in vergleichbaren Fällen im Ausland mit einer nachweisbaren Motivationssteigerung beim Personal sowie drittens einer Attraktivitätssteigerung des Berufsfeldes einher.
Best-Practice-Beispiele aus dem Ausland dienen als Vorbild
Es ist interessant, dass im Zuge der Kompetenzerweiterungen das Entlassmanagement genannt wird. Die Verzahnung der pflegerischen Übergabe zwischen den Versorgungssektoren ist seit jeher ein Problem. Wenn – wie nun gefordert – die Pflegebedürftigkeit bereits im Krankenhaus durch Pflegende ermittelt wird, so entspricht das den Ergebnissen einer Arbeitsgruppe der DGQ. Die sieht das als Voraussetzung dafür an, die Versorgungsbrüche in der Überleitung aus dem Krankenhaus in die Langzeitpflege zu überwinden.
Außerdem wird in dem Eckpunktepapier mehrfach auf gute Beispiele im Ausland hingewiesen. Es ist klar, dass nicht alles übertragbar ist, was anderswo funktioniert. Aber das Lernen am ausländischen Best-Practice-Beispiel gehörte bislang nicht zu den Tugenden deutscher Pflegepolitik.
Endlich tut sich Substantielles für die Pflege auf der politischen Bühne in Deutschland. Hoffentlich hält das Vorhaben in den grundsätzlichen Punkten dem parlamentarischen Prozess stand. Und vielleicht ist dies der Anlauf zu dem noch größeren politischen Vorhaben einer großen Pflegereform, die auch die Finanzierung einbezieht.
Die Diskussion um dieses längst überfällige Vorhaben ist mit dem Pflegekompetenzgesetz-Entwurf kurzfristig in den Hintergrund getreten, aber auch das ist vielleicht ein kluger politischer Schachzug des Gesundheitsministeriums. Eine Initiative für dieses Mega-Projekt oder eine ebenfalls von vielen Seiten geforderte nachhaltige Digitalisierungsstrategie sind nun in dieser Legislaturperiode zwar unrealistischer geworden. Aber vielleicht führt der Innovations-Schub zu Mut und eine kommende Regierung wagt den ganz großen Wurf. Bis dahin können sich die hoffentlich zahlreichen positiven Effekte des Pflegekompetenzgesetzes voll entfalten.
Übersicht zu den vorläufigen Eckpunkten des Pflegekompetenzgesetz
Die 17 Eckpunkte im Überblick (bearbeitete Kurzfassung seitens DGQ) – eine vollständige Übersicht finden Sie hier:
- Stärkung der Befugnisse im Rahmen der häuslichen Krankenpflege
- Pflegefachperson „verordnet“ Pflegehilfsmittel und Hilfsmittel
- Modellprojekt zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch Pflegefachpersonen im Entlassmanagement
- Pflegegradunabhängiger Anspruch auf Pflegeprozesssteuerung
- Wahrnehmung erweiterter Versorgungsaufgaben in der Regelversorgung
- Einführung Advanced Practice Nurse (mit Community Health Nurse) nach internationalen Vorbildern
- Prüfung des APN-Master-Abschlusses mit weitergehenden Befugnissen: Verordnung von häuslicher Krankenpflege, Hilfsmitteln und bestimmter Arzneimittel
- Förderung für primärqualifizierte Pflegefachpersonen, im Ausland einen Master-Abschluss (MBN, MScN) zu erwerben
- Entwurf erweiterter Rollen für Pflegefachpersonen – wie international verbreitet
- Zentrale berufsständische Vertretung der Profession Pflege
- Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung gesetzlich verankern
- Regelhafte Beteiligung von Pflegefachpersonen in Institutionen und Gremien bei der akuten Bewältigung und Vorbereitung auf Krisensituationen
- Zusätzliche Beschäftigungsanreize für hochschulisch qualifizierte Pflegefachpersonen durch Erweiterung der Verhandlungsmöglichkeiten im Personalmix der Einrichtungen gegenüber Kassen
- Entlastung der Pflegefachpersonen durch Kompetenzerweiterung weiterer pflegerelevanter Fachpersonen
- Schaffung einer Geschäftsstelle zur Koordination und Begleitung der Umsetzung des Pflegepersonalbemessungsverfahrens
- Berücksichtigung der in Ziffer 15. genannten Geschäftsstelle auch im Prozess der Einführung eines Personalbemessungsverfahrens im Krankenhausbereich
- Verlängerung des Förderprogramms für „Gute Arbeitsbedingungen in der Langzeitpflege (GAP)“
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