Der Wind dreht im Mittelstand: Sollten Qualitäter und Organisationsentwickler den Kurs wechseln?29 | 09 | 23

Mittelstand, Wind, Windsocke

Die Zeiten ändern sich: Nach einer wirtschaftlich expansiven Phase der 2010er Jahre fühlen sich viele, insbesondere produzierende Mittelständler in den 2020ern gleich von mehreren Seiten unter Druck gesetzt. Der Wind weht nun in eine andere Richtung:

  • Die Absatzmärkte sind unsicher. Der europäische Heimatmarkt ist inflationsgebeutelt, China wackelt und die USA agieren zunehmend protektionistisch.
  • Die Energiepreise drücken von der anderen Seite auf das Jahresergebnis.
  • Restriktivere Fremdkapitalvergabe und sinkende Risikobereitschaft machen die Finanzierung schwierig.
  • Zunehmende regulatorische Anforderungen knabbern an der operativen Kapazität.
  • Die Planbarkeit nimmt nicht zuletzt durch Fachkräftemangel, anstehende Rentenwelle und teils unklare Nachfolgen ab.

Auch ohne Ökonom zu sein lässt sich erkennen, dass die rosigen Zeiten vorbei sind.

Die Konsequenz: Geschäftsführer fokussieren die Wertschöpfung

Es ist keine Bosheit, es ist ihre Verantwortung: Geschäftsführer nehmen Rollen und Aktivitäten, die nicht direkt an der Front der Wertschöpfung stehen, vermehrt unter die Lupe. Dazu zählen auch Rollen, die das Managementsystem der Organisation moderieren, wie beispielsweise Qualitätsmanager (QM), Organisationsentwickler (OE), Prozessmanager und Compliance-Beauftragte. Sie tragen, wie der Geschäftsführer, typischerweise nicht direkt zur Wertschöpfung bei.

Der Beitrag dieser Rollen zur Wertschöpfung ist nur mittelbar. Sie wirken folglich meist erst über andere wertschöpfend. Dementsprechend können sie als Architekten der Wertschöpfung betrachtet werden: Sie entwerfen das Haus, bauen jedoch nicht selbst mit.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, genau den Arbeitsanteil in QM und OE zu identifizieren, der signifikant auf die Wertschöpfung einwirkt – und diesen auszubauen. Vom Management gibt es dafür sicherlich Rückenwind. Denn die Belohnung ist nicht ausschließlich wirtschaftliche Effizienz, sondern auch eine gesteigerte Arbeitszufriedenheit durch erlebte Selbstwirksamkeit.

Besonders für diejenigen, die ihre Rolle bereits mit Leidenschaft und Bewusstsein für die geschilderte Situation ausfüllen, können die folgenden Gedanken vorwurfsvoll klingen. Doch wer bis hierher gelesen hat, zeigt bereits Offenheit für Veränderung und Weiterentwicklung.

Die Frage: Wie erreicht QM eine höhere mittelbare Wertschöpfung?

Einen höheren Beitrag zur Wertschöpfung leistet man nicht mit

  • der Aktualisierung von Versionsnummern von Dokumenten,
  • dem manuellen Eintragen von Freigaben für Prozessbeschreibungen und
  • auch nicht durch das Einsammeln von Unterschriften für Unterweisungen.

Solche Tätigkeiten sind aus Sicht der Wertschöpfung nur Nebenschauplätze, die Sie nicht priorisieren sollten. Wenn solche Aktivitäten einen relevanten Teil Ihrer Zeit in Anspruch nehmen, sollten Sie handeln: Automatisieren oder übersehen Sie diese Aufgaben. Tappen Sie nicht in die Falle, das Schaffen von Qualität mit Qualitätstheater zu verwässern.

Konzentrieren Sie sich stattdessen auf das Wesentliche – Ihre Vorgesetzten werden es Ihnen danken:

  1. Erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit für Verbesserung:
    Wie schaffen Sie es, aus möglichen Prozessveränderungen die Prozessverbesserungen zu filtern?
  2. Strategische Entscheidungen wirksam in Prozesse einweben:
    Welche guten Entscheidungen sind noch nicht im Arbeitsalltag angekommen und wie lässt sich das ändern?
  3. Kundenanforderungen spürbar erfüllen:
    Wie stellen Sie prozessual sicher, dass Ihre Kunden wettbewerbsdifferenzierende Merkmale aktiv wahrnehmen?
  4. Risiken auf einen Nenner bringen:
    Wie können Sie Risiken verschiedener Disziplinen sinnvoll vergleichen?
  5. Priorisieren Sie regulatorische Anforderungen:
    Was ist mit Blick auf das Risikoprofil Ihrer Organisation wirklich dringlich?
  6. Reduzieren Sie wiederkehrende Diskussionen:
    Wie schaffen Sie ein Managementsystem, das auf Akzeptanz ausgerichtet ist?
  7. Beschleunigen Sie Best Practices:
    Wie fördern Sie die Interaktion mit Prozessbeschreibungen, sodass alle voneinander lernen?

Alle sieben Punkte gleichzeitig umzusetzen ist unrealistisch. Priorisieren Sie darum und nehmen Sie sich die relevantesten zwei bis drei zu Herzen.

Der Appell: Passen Sie den Kurs an!

Resümierend möchte ich festhalten: QM, OE & Co. sind qua Funktion in der ersten Reihe platziert, um Unternehmen durch transformative Phasen zu führen. Also nutzen Sie diese Poleposition und passen Sie Ihren Kurs an: Das ultimative Ziel, die Kundenanforderungen systematisch zu erfüllen, bleibt bestehen. Nur der Wind hat sich gedreht.

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Über den Autor: Vincent Fischer

Vincent Fischer ist stellvertretender Geschäftsführer der Modell Aachen GmbH. Als gelernter Produktionstechniker ist er über die Strategieberatung bei KPMG und McKinsey zum Prozessmanagement gekommen. Mittlerweile ist er begeisterter Verfechter des Prinzips Interaktiver Managementsysteme auf Basis der Software Q.wiki. Seine Leidenschaft: rasante Prozesse etablieren, die echte Werte für Unternehmen und die Menschen dahinter schaffen. Und jene Prozesse abschaffen, die das nicht erreichen.

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