12 Sätze, die Ihr QM verbessern – 2. Satz: Ich weiß es nicht4 | 04 | 23

12 Sätze die ihr QM verbessern

Genau dieser Satz gehört auch zu denen, die Karin Kuschik in „50 Sätze, die das Leben leichter machen“ bespricht. Für Menschen im Qualitätsmanagement halte ich ihn für unverzichtbar und deshalb übernehme ich ihn ganz früh und weit oben in unsere kleine Liste.

Wir alle sehen uns – zumindest beruflich – unter der Anforderung, viel wissen und können zu müssen. Nichtwissen gilt per se als problematisch und als karriereschädliches Defizit. Dass es unmöglich ist, alles zu wissen, nicht einmal alles für unsere Funktion relevante, dessen sind wir uns durchaus bewusst. Doch das einzugestehen, fällt schwer. Sein eigenes Nichtwissen nicht einzugestehen oder zu kaschieren ist geradezu eine „Deformation Professionelle“, eine Berufskrankheit, von Problemlösern und auch von Führungskräften. Leider verdrängt mit Macht oder Penetranz vorgetragenes Halbwissen machtloses Besserwissen viel zu oft.

Was ist die besondere Bedeutung dieses Satzes im Qualitätsmanagement? Das QM wirkt idealerweise in alle Prozesse und Bereiche hinein, weshalb es ein sehr großes Wissensspektrum erfordert. Und Qualitätsmanagerinnen und -manager haben ein ausgeprägtes Selbstverständnis als Problemlöser, was den eigenen und fremden Anspruch des „wissen müssen“ begünstigt. Weitere Rollen als Auditoren, Prozessdesigner und Fehleranalytiker verstärken diesen oft noch. Und da manchmal einige dem Qualitätsmanagement und seinen Protagonisten kritisch gegenübertreten, ist die Versuchung umso größer, sich oft und überall und breit und tief einzubringen. Das ist eine schwierige Gratwanderung zwischen sympathischem Besserwisser und unangenehmem Klugscheißer. Abgesehen davon, dass wir da leicht die Grenzen unseres Wissens erreichen, nimmt das auch immer wieder anderen den Raum für deren Wissen. Das Team bzw. die Teams im Unternehmen wissen „alles“, nicht nur der oder die Einzelne. Manchmal ist das beste Wissen das, wann wir zu schweigen und anderen zuzuhören haben.

Und wenn wir einmal etwas nicht wissen oder nicht gut genug wissen, dann können wir das zugeben. Leichten Herzens sagen zu können „Ich weiß es nicht“, entlastet beide Seiten. Die, die an die Grenzen ihres Wissens stoßen und die, die nun ihr eigenes Wissen umso besser ins Spiel bringen können.

Und vieles, was für uns relevant wird, ist für alle im Unternehmen neu. Dann gilt, was immer gelten kann: „Ich weiß es nicht, wenn ihr es auch nicht wisst, lasst es uns herausfinden“.

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Die Idee für diese Reihe habe ich dem Buch „50 Sätze, die das Leben leichter machen“ von Karin Kuschik (rororo 2022) entnommen. Ich fand sie großartig und deshalb habe ich sie für uns aufgegriffen.

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

5 Kommentare bei “12 Sätze, die Ihr QM verbessern – 2. Satz: Ich weiß es nicht”

  1. 8c280b8b885b3b96363f775962ae5646 Wilhelm Floer sagt:

    Lieber Benedikt, ist es nicht soziokulturell bedingt, dass wir uns so verhalten, wie von Dir beschrieben. Bereits im frühen Kindesalter machen wir die Erfahrung, dass es negative Folgen haben kann, wenn wir etwas nicht wissen. Dem Mathematiklehrer auf die Frage nach der Lösung einer Gleichung zu antworten: „Ich weiß es nicht“ war in der Regel nicht so gut. Mit der „Deformation Professionelle“ haben sicherlich einige von uns in vielerlei Hinsicht Erfahrungen gemacht. Es wäre sicherlich schön, wenn es in den Unternehmen eine derart offene Kultur gibt, die es zulässt zu sagen „Ich weiß es nicht, wenn ihr es auch nicht wisst, lasst es uns herausfinden“.

  2. 12fad89dbfa0bd7577219e8081bbd19e Benedikt Sommerhoff sagt:

    Lieber Wilhelm, es gibt in der Kindheit einen Kipppunkt. Zunächst einmal fragen uns und anderen Kinder Löcher in den Bauch. Sie haben nicht das geringste Problem damit, etwas nicht zu wissen. Und den ganz Kleinen machen wir Erwachsenen auch keines, wir kennen und akzeptieren ihr Nochnichtwissen. Wir wollen ja, dass sie lernen und genau dies machen sie mit Freude und rasanter Geschwindigkeit und eben mittels Fragen, es gibt dafür nichts Besseres. Dann ändern wir unsere Haltung. Mit der Einschulung steigt unsere Erwartung ans Wissensollen an die Kinder und unsere Ungeduld mit ihrem Fragen. Kinder lernen dann, dass sie nicht fragen, sondern antworten sollen. Das ist fatal. Dass dann auch Erwachsene sie Dinge fragen, obwohl sie sie selbst wissen. Das ist doch eigentlich unnütz.
    Wie schön und lehrsam die Zeit der frühen Kindheit, als wir alles fragen durften und kein Wissen vorausgesetzt wurde.

  3. 8ad775a89e7ee71c51f49b2a6c3f8d96 Anja sagt:

    Sehr geehrter Herr Sommehoff,
    bei dem Satz „[das] entlastet beide Seiten. Die, die an die Grenzen ihres Wissens stoßen und die, die nun ihr eigenes Wissen umso besser ins Spiel bringen können.“, bekam ich dann doch ein wenig Stirnrunzeln! In einer idealen Welt, gebe ich Ihnen absolut recht. In meiner Wunschvorstellung spielt sich das auch so ab, aber aus meiner QM-Erfahrung in kleinen wie auch größeren Unternehmen im In- oder Ausland kam das leider nie vor! In der Realität sind Sie von QM in dem Moment von den Ideen der andren Teams oder Diskussionsteilnehmer überfahren und werden in den nä 3 Diskussionen kaum zu Wort kommen bzw belächelnd grade mal sprechen gelassen wenn schon nicht gehört geschweige denn verstanden, in dem Sie genau DIESEN Satz sagen! Denn allgemein ist es nunmal so, bevor man Quality fragt, hat man schon alle Alleen in anderer Richtung abgeklappert. Und wenn die dann mit „Weiss ich nicht!“ kommen/kommt, kommt das menschliche Ego der Herren durch und es wird der shortcut gefahren, den man ohne Quality sowieso schon längst machen wollte! Der Satz „Ich weiss es nicht!“ hat in meiner Erfahrung leider nur das Türchen zu „Ich kann machen, was ich will!“ geöffnet, anstatt die Anstrengung zu unternehmen, nun selbst (oder vllt noch mit Unbekannten im Team, die einem in die Suppe spucken könnten) herausfinden zu müssen, was und wie genau man es denn richtig machen sollte. Und ganz besonders in Dtl ist mir aufgefallen, dass denjenigen auszulachen, der es nicht weiss, dich viel einfacher ist, denn so kann man alle weitere Anstrengung einstellen und das Problem andren überlassen. Man hat es ja schließlich angesprochen, weil man es nicht weiss. Und diese ärgerliche Pattsituation nimmt man als QMler oder generell als Mensch ungern allzuoft in Kauf und verkneift sich solche Sätze, denn Sie enden nur mit einem weiteren Problem in Ihrem Schoss während die andren dümmlich grinsend von Ihnen nun die alleinig herausgefundene Lösung erwarten!
    Das ist dann der Reality Check NACH der Wunschvorstellung! 😉

    1. 12fad89dbfa0bd7577219e8081bbd19e Benedikt Sommerhoff sagt:

      Sieht so aus, als könnten Ihre Gesprächspartner den Satz besser gebrauchen, als Sie selbst. Ich habe keine schnelle Lösung für das, was Sie beschreiben. Ich denke mir nur, dass das insgesamt nach einer Situation in Ihrem Unternehmen klingt, die Verbesserungspotenziale auf vielen Ebenen erfordert: menschlich, fachlich, organisatorisch. Weiter so erscheint mir aber auch keine erstrebenswerte Option.
      Da braucht’s aber mehr als 1-12 Sätze! Klar, dass dann so ein Blogbeitrag wie aus der Realität gefallen wirkt.

  4. 2f02b6ad85b3d3ecb6623929f6702f49 Manuela Sarodnick sagt:

    Ich würde den Satz ergänzen mit – „Ich weiß es nicht, aber ich weiß wo es steht /stehen könnte…“. Damit wird Halbwissen nicht gefährlich angewandt, Zeit zum nachforschen gegeben – und ggf. findet man ein Team, das gemeinsam Nachschlagetools „Salonfähig“ macht (Hilfe zur Selbsthilfe).

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