Voll fachkompetent2 | 02 | 16

Es gibt heute – viel mehr als noch vor einigen Jahrzehnten – für alle nur erdenklichen Sachverhalte besondere Ausdrücke und Wendungen, denen offensichtlich eines gemein ist: Sie wurden nicht von ausgewiesenen Sprachfreunden ersonnen. Sie muten bisweilen unverständlich an, was evtl. daran liegen könnte, dass man als normaler Leser nicht unbedingt vom Fach ist; manchmal klingen sie aber auch einfach nur komisch. Die Wendungen „kompetenter Fachexperte“ und „fachkompetenter Spezialist“ sind solche Gebilde, und man liest das gar nicht so selten.

Zumindest die Herkunft des „Fachexperten“ (hier noch ohne „kompetent“) ist klar: Der Begriff taucht in ISO/IEC 17021 auf, und zwar haufenweise. Was ist ein „Fachexperte“? Die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) beschreibt einen „Fachexperten“ als fachlichen Begleiter eines Auditors in einem Audit, jedoch ohne eigene Auditierungs-Befugnis. Der „Fachexperte“ ist also ein höchst offiziell eingeführter Fachausdruck – was nichts daran ändert, dass er sich ziemlich seltsam anhört. Schließlich zeichnen sich Experten ja gerade dadurch aus, von wenigstens einem Fach zu sein.

Der „Sachverständige“ ist bereits vergeben

Das lässt sich aber schnell aufklären. Die englische Version von ISO/IEC 17021 spricht dort, wo die deutschen Leser auf den „Fachexperten“ stoßen, von einem „technical expert“ – korrekt übersetzt wäre das eigentlich ein „Sachverständiger“. Nun ist klar, dass die deutsche Fassung von ISO/IEC 17021 dieses Wort nicht benutzen kann, weil man unter einem Sachverständigen hierzulande (vor allem in der Rechtssprache) etwas anderes versteht. Ein schlichter „Experte“ geht deswegen nicht, weil man den in der englischen Fassung verwendeten Zusatz „technical“ ja irgendwie unterbringen muss – so stelle ich mir das jedenfalls vor. Also „Fachexperte“! Und was wird dann – jenseits des Normtextes – flugs daraus gemacht, als vermeintliches Alleinstellungsmerkmal? Ein „(hoch-)kompetenter Fachexperte“!

Comté-Spezialisten – mehr als nur Käser

Kommen wir zum „fachkompetenten Spezialisten“. Geht man völlig unbefangen an einen solchen Multikönner heran, fällt zweierlei auf: Diese Wendung ist, erstens, ein klassisches Aussage-Tripel, und zweitens ist sie unvollständig. Letzteres kann man schnell beheben, indem man sagt, in welchem Metier dieser Spezialist „fachkompetent“ ist. Jemanden, der seit Jahren zur Zufriedenheit seiner Kunden Comté bereitet, würde man beispielsweise als Comté-Spezialisten bezeichnen, der schlichte Ausdruck „Käser“ reichte hier in der Tat nicht aus; ein anderer hat vielleicht gelernt, wie man effektiv und effizient Audits nach bestimmten Regelwerken durchführt. Diesen muss man dann, etwas ungelenker allerdings, z. B. „Auditor mit Spezialisierung auf (oder für) ISO 9001“ nennen.

Vierfachnennung

Das Tripel kann man hingegen nur durch Weglassen in Ordnung bringen. In der Bezeichnung „Spezialist“ steckt die Kompetenz bereits drin. Dass diese Kompetenz (jedenfalls in einem solchen Zusammenhang) in mindestens einem Fach bestehen muss, versteht sich gleichsam von selbst. Im Absatz zuvor habe ich noch angemerkt, dass der „fachkompetente Spezialist“ gar nichts darüber aussagt, in welchem Fach diese Kompetenz besteht. Nehmen wir also noch den „fachkompetenten Spezialisten für die Durchführung von Audits gemäß ISO 9001“, also einen ISO(-)9001-Auditor, hinzu. Jetzt, wo wir das Fach genannt haben, wird aus dem Tripel sogar ein Quadrupel – es steht damit nur noch eine Stufe unter der oft als Lachnummer angeführten Fünfer-Phrase „Bewahren Sie absolut strengstes Stillschweigen!“ – statt „Schweigen Sie!“.

Die Norm definiert Kompetenz

Warum liest man diese Vervielfachung dennoch allenthalben, gerade auch in der Q-Branche? Lassen wir einmal den „Spezialisten“ beiseite; zumindest die Zuordnungen „Fachkompetenz“ bzw. „fachkompetent“ könnten ja evtl. irgendwo so „vorgeschrieben“ sein, in einer gängigen Norm vielleicht? Ein Blick in ISO 9001:2015 offenbart jedoch: Nichts, die neue Norm gibt sich keine Blöße! Ebenso ISO 14001:2015, dasselbe in ISO/IEC 17021, obwohl da ja der „Fachexperte“ zu Hause ist und es nur so wimmelt von „Kompetenz(en)“.

Andererseits ist das aber auch kein Wunder, weil Kompetenz in Normen ja eindeutig als „Fähigkeit Wissen und Fertigkeiten anzuwenden, um beabsichtigte Ergebnisse zu erzielen“ definiert ist, da hat das „Fach-“ ja auch gar keinen Platz; und das vermeintliche Adjektiv „fachkompetent“ kennt noch nicht einmal der Duden. Das Wort „Fachkompetenz“ ist allenfalls geeignet, um diese Art von Kompetenz, manche sagen auch „Sachkompetenz“, von „Sozial-“ bzw. „Selbstkompetenz“ zu unterscheiden, was im Alltag so genannter „Spezialisten“ reichlich selten bis gar nicht notwendig ist.

ISO 50001 liefert dann übrigens doch noch einen kleinen Ausreißer: In Kapitel 4.2.1 Top-Management heißt es in der Anmerkung: „Ressourcen umfasst Mitarbeiter, Fachkompetenzen, technologische und finanzielle Ressourcen.“ Diese eine Stelle sollte den Kohl aber nicht fett machen. Was dann?

Diesmal kein Übersetzungsproblem?

Zu dem, was hierzulande „Fachkompetenz“ heißt, sagen die Englischsprachigen angenehm verdoppelungsfrei „expertise“, deutlich seltener „professional competence“, was der deutschen Wendung allerdings schon etwas näher kommt, aber als Ursache für die enorme Verbreitung nicht in Frage kommt. Wie im Deutschen kommt auch im Englischen die Bildung „fachkompetent“ (jedenfalls offiziell) nicht vor. Nichts deutet also auf ein offensichtliches Übersetzungsproblem hin.

Es sei denn, mit dem englischen Adjektiv „competent“ ist gar nicht „kompetent“ gemeint, sondern „zuständig“, was es ja auch noch heißt. Dann würde sich aus „technically competent“, was man hin und wieder liest und bisweilen mit „fachlich zuständig“ übersetzt wird, im Zug einer Vermischung über „fachlich kompetent“ auch „fachkompetent“ hinbiegen lassen. Aber das ist – zugegebenermaßen – nur eine Hilfskonstruktion.

Der Autor dieser Zeilen versteht sich zwar als absolut hoch- und sachkompetenter Superfachexperte wenigstens für das Aufspüren von Pleonasmen; vor der schwierigen Frage nach der Herkunft dieser unglaublichen Vielkönnerschaften muss er im Moment jedoch kapitulieren.

 

 

Über den Autor: Peter Blaha

Peter Blaha, geboren 1954 in Frankfurt am Main, ist freier Journalist mit Spezialisierung auf „Managementsysteme“ und „Weinwirtschaft“ und DGQ-Mitglied. Er widmet sich neben der Erstellung von Fachbeiträgen seit jeher (und mit Vorliebe) dem nach seiner Meinung oft viel zu wenig beachteten Phänomen unklarer bis kurioser Formulierungen und Schreibweisen in der deutschen (Q-)Sprache. Wer dabei eine gewisse Nähe zur Argumentation des bekannten Journalisten Wolf Schneider zu erkennen glaubt, liegt nicht ganz falsch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert