„Wir haben bei unserer Themenausrichtung als Fachkreis meist den richtigen Riecher gehabt“4 | 01 | 24

Organisationsentwicklung, Qualitätsmanagement

Ein ganzheitliches Verständnis von Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung: Das ist das Ziel des DGQ-Fachkreises „QM und Organisationsentwicklung“. Mit Themen wie Methoden, Qualitätskultur, Digitalisierung und Q-Leadership hat der Fachkreis dabei stets aktuelle Entwicklungen und Trends im Blick. 2023 feierte der mitgliederstärkste DGQ-Fachkreis sein zehnjähriges Bestehen. Silke Krische, Mitglied des Leitungsteams, und Dieter Schaller, bis 2023 ebenfalls Mitglied des Leitungsteams, werfen im Interview einen Blick zurück auf die Meilensteine der vergangenen zehn Jahre – und wagen einen Blick in die Zukunft.

Warum ist Qualitätsmanagement als Organisationsentwicklung gerade in der heutigen Zeit so relevant?

Krischke: Die heutige Zeit ist unheimlich volatil und Organisationen müssen mit einer Vielzahl an Veränderungen umgehen. Beispielsweise haben viele Unternehmen derzeit mit Lieferengpässen zu kämpfen. Diese Schmerzpunkte zu kennen und mit der gesamten Prozesskette übereinzubringen, in Audits mitzudenken und darauf einzugehen – das erfordert den organisationsentwicklerischen Blick. Das gilt umso mehr mit Blick auf die weiteren Mega-Herausforderungen wie den technologischen Wandel.

Schaller: Insgesamt gibt es ja mehr kleine als große Firmen. Erstere verfügen jedoch in der Regel nicht über separate Organisationsentwickler. Diese Rolle ist aber gerade vor dem Hintergrund der genannten Herausforderungen dringend notwendig. Da ist es ein großer Vorteil für den Qualitäter, wenn er über das klassische QM-Handbuch hinausblicken und erkennen kann: Mit dem, was ich weiß und kann, bin ich derjenige, der diese Lücke in der Organisation füllen und Organisationsentwicklung betreiben kann. Es gibt wenige Bereiche, die das so können wie das QM.

Wie kam es zur Gründung des Fachkreises „QM als Organisationsentwicklung“?

Schaller: Der Impuls dazu geht im Prinzip zurück auf einen Vortrag, den Benedikt Sommerhoff, Leiter Themenfeld Innovation bei der DGQ, bei einer Veranstaltung 2010 in Köln gehalten hat. Sein Tenor war, dass das – damals aktuelle – Berufsbild des Qualitätsmanagers den Anforderungen der Zukunft nicht mehr gewachsen ist. Während das natürlich bei manchem Widerspruch ausgelöst hat, fand die Meinung auch viel Zuspruch unter Personen, die meinten: Qualitätsmanager brauchen „eine neue Spur“, auf der sie laufen können, um wirklich wirksam zu sein. Schließlich können Qualitäter mehr, als nur aus dem Normenbuch zu zitieren. Dazu gehört auch, dass Qualitätsmanager ihre Themen besser vermarkten müssen, um die Menschen außerhalb des QM besser mitzunehmen. Diese Diskussionen mündeten letztlich in der Gründung des Fachkreises 2013.

Nach dem Startschuss: Wie sahen die Anfänge der Fachkreisarbeit aus?

Schaller: Bevor wir die agile Arbeitsweise eingeführt haben, war die Fachkreisarbeit teilweise etwas zäh. Wir sind oftmals drei Schritte vorgegangen und dann wieder zwei zurück, da wir uns gerne in Diskussionen verloren haben. Dank der agilen Arbeitsweise hat es dann gezündet, sodass wir in der Folge eine hohe Schlagkraft entwickelt haben und schnell Ergebnisse vorzeigen konnten.

Krischke: Mittlerweile ist das Agile kennzeichnend für unsere Fachkreisarbeit: Sich selbst organisierende Teams entwickeln neue Themen, Methoden, Konzepte und nutzen regelmäßig die Fach-Community zum Austausch und zur Reflexion – um mit diesem Feedback dann weiterzuarbeiten.

Der Fachkreis QM als Organisationsentwicklung zählt zu den mitgliederstärksten DGQ-Fachkreisen. Wie hat sich das entwickelt?

Schaller: Ganz am Anfang war das Echo im Netzwerk noch verhalten. Richtig Fahrt aufgenommen hat der Fachkreis dann beim DGQ-Qualitätstag 2014, bei dem unser Workshop regelrecht überrannt wurde: Geplant waren etwa vierzig Leute, gekommen sind rund 200. Und diese Geschichte hat sich fortgesetzt.

Krischke: Unser „USP“ als Fachkreis ist das ganzheitliche Denken – man könnte sagen: Kapitel 4 in der ISO 9001: Den Kontext der Organisation verstehen und gestalten. Jeder in der Organisation hat sozusagen „seinen eigenen Teller“ und damit auch seinen eigenen Tellerrand, der oft die Blicke begrenzt. Wir QMler haben diesen Teller nicht, weil wir in die ganze Organisation reingucken – das ist unsere Perspektive im Fachkreis. Und das stößt im Netzwerk auf viel Resonanz.

Was waren die ersten großen Fachkreis-Themen?

Schaller: Die ersten großen Themen – und damit auch die ersten Hürden – betrafen die Definition von Begriffen. Sprich, ganz grundsätzlich zu klären: Was ist Qualitätsmanagement, was ist Qualitätssicherung, was ist Organisationsentwicklung? Ein weiterer Meilenstein ganz am Anfang war dann, als wir uns entschieden hatten, das Thema Methoden in den Fokus zu nehmen. Dazu kamen dann in der Folge Fragen zu Rollenverständnis und Rollenklarheit, zu Kultur und Change.

Gibt es ein konkretes Thema, das sich bis heute durchzieht?

Schaller: Qualitätsverantwortliche stehen in ihrem Arbeitsalltag immer wieder vor der Frage: Wie kann ich andere überzeugen, dass ich der Richtige bin, um das Unternehmen weiterzuentwickeln? Das hat sich schnell zu einem roten Faden für die Fachkreisarbeit entwickelt. Aktuellstes Beispiel ist unser „Q-Leadership Self-Assessment“, ein Umfragetool, bei dem QMler sich selbst und ihre Leadership-Fähigkeiten bewerten können.

Woher stammen die Themen für eure Fachkreisarbeit?

Krischke: In den Fachkreistreffen hören wir direkt in die Community rein – sprich: Was sind die Themen und Schmerzpunkte, die die Teilnehmenden beschäftigen? Diese neuen Ideen nehmen wir Ende des Jahres ins Programm für das nächste Jahr auf. Somit wird das, was wir machen, gestaltet von den Menschen, die aktiv daran teilnehmen. Das ist etwas, was mich so begeistert an der Fachkreisarbeit: Sie lebt wirklich von den Aktiven.

Schaller: Wir haben dabei in den vergangenen Jahren auch begonnen, Themen aufzunehmen, die über unser klassisches Fachkreisportfolio hinausgehen, wenn sie übergreifend relevant sind. Das gilt beispielsweise für IT-Themen, für Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) – keine klassischen QM-Themen, aber im Rahmen der Organisationsentwicklung für viele unserer Mitglieder doch relevant.

Mit welcher Zielsetzung nähert ihr euch euren Themen?

Krischke: Wir wollen im Fachkreis erarbeiten: Wie können wir als QMler, die in ihrem Berufsalltag zunehmend mit diesen Themen zu tun haben, besser mit diesen komplexen Entwicklungen umgehen? Wie können wir in unserer Rolle als Auditoren oder auch in der Organisationsentwicklung zu diesen Themen sprachfähig werden?

Schaller: Es gab in der Vergangenheit Versuche innerhalb des DGQ-Netzwerks, den Beruf des Qualitätsmanagers zu definieren. Wir im Fachkreis definieren ihn mittlerweile über die Themen, mit denen er in diesem Beruf Berührung hat. Daher versuchen wir in der Fachkreisarbeit, Themen zu identifizieren und zu bearbeiten, die für die Ausübung des Berufs Qualitätsmanager immer wichtiger werden. Dabei haben wir in der Vergangenheit meist den richtigen Riecher gehabt.

Der Fachkreis ist auch bei Veranstaltungen sehr aktiv. Was steckt hinter dem neuen Format „Lunch Break“?

Krischke: Wir haben mittlerweile rund 1.000 Leute im Fachkreis. Darunter sind viele, die es einfach nicht schaffen, sich aktiv in den Treffen einzubringen. Also haben wir uns gefragt: Was könnte ein Format sein, um auch die abzuholen und gleichzeitig unsere Themen in die Breite zu spielen? So ist der Gedanke entstanden, dass wir – inspiriert von einem spannenden Vortrag zu einem aktuellen Thema – die Mittagspause zusammen verbringen.

Welche Highlights nehmt ihr aus zehn Jahren Fachkreisarbeit mit?

Schaller: Ich finde tatsächlich ständig neue Highlights. Ein Highlight sind sicherlich die vielen Ideen, die dann zu ganz konkreten Produkten geworden sind; ich denke da etwa an unseren QM-Selbstlernkurs, an die Workshops zum Thema „Rollenklärung mit dem Chef“ und die zahlreichen Publikationen. Ganz allgemein waren in den vergangenen Jahren so viele spannende Themen dabei, bei denen es immer wieder gezündet hat. Und ein ganz konkretes Highlight war sicherlich, als wir beim ersten Q-Tag überrannt worden sind.

Krischke: Ich habe tatsächlich drei Highlights: Als Autorin und Trainerin bei der DGQ ist eines meiner Highlights, dass wir Inhalte aus der Fachkreisarbeit in den QM4-Lehrgang einbringen konnten. Zweitens: Ich durfte bei der DGQ die Ausbildung zur Moderation Agiler Workshops durchlaufen, inklusive des Coachings und Durchführen von Fachkreistreffen. Es war eine wertvolle Erfahrung, die Dynamiken anderer Fachkreise zu erleben; von der bis heute Freundschaften geblieben sind. Das dritte Highlight war der letzte Q-Tag: Bei meinem ersten Q-Tag 2014 kannte ich noch niemanden und bin allein hingegangen. Am Q-Tag 2022 konnte ich zwar erst zur Abendveranstaltung da sein. Aber kaum, dass ich zur Tür reinkam, herrschte eine beinahe familiäre Atmosphäre – das hat mir wieder einmal gezeigt: Das Netzwerk ist einfach genial und wenn man sich aktiv einbringt, dann ist es faszinierend zu sehen, was man dort lernt und was für tolle Menschen man treffen kann.

Auf welche weiteren Highlights dürfen wir uns 2024 freuen?

Krischke: Am 27. November fand das letzte Fachkreistreffen statt, in dem wir die Themen für 2024 festgelegt haben: Dazu zählt unter anderem die Entwicklung eines ganzheitlichen Managementsystems, das den Anforderungen der heutigen VUCA-Welt gerecht wird; die weitere Auseinandersetzung mit Qualitätskultur und der Frage, wie das QM die Organisationsbereiche unterstützen kann, deren Ziele zu erreichen sowie die Zusammenarbeit zwischen QM bzw. Organisationsentwicklung und IT. Beim Thema Digitalisierung steht für uns zudem die Frage im Fokus: Wie kann KI uns bei der Gestaltung von Veränderungen helfen? Das ist eine spannende Themenauswahl und darauf freuen wir uns!

Schaller: Und wenn jemand das jetzt liest und ein Thema hat, bei dem er oder sie sagt; Mensch, damit müsste man sich mal auseinandersetzen – dann freuen wir uns auf diese Impulse.

 

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