„Wenn Normen von den Anwendern leicht verstanden und umgesetzt werden können, ist das auch in den Zertifizierungsprozessen nachvollziehbar“29 | 09 | 25

Business, Meeting, Normenanwendung

Der DIN-Ausschuss Normenpraxis (ANP) bringt Expertinnen und Experten aus Unternehmen zusammen, um sich über Erfahrungen in der Anwendung von Normen auszutauschen. Im Interview spricht der Vorsitzende Matthias Dusemond darüber, wie das Netzwerk arbeitet, welche Themen und Herausforderungen die Mitarbeitenden aktuell bewegen und welchen Mehrwert die Arbeit im ANP bietet.

Herr Dusemond, was kennzeichnet den DIN – Ausschuss Normenpraxis? Welche Ziele verfolgt er?

Der ANP ist das Anwendernetzwerk für die Normungsexperten aus der Wirtschaft. Hier treffen sich Vertreter aus unterschiedlichsten Branchen zum Erfahrungsaustausch. Zum einen gibt es das übergeordnete Ziel, die Einführung von aktuellen Normen in die tägliche Praxis in den Betrieben zu unterstützen. Zum anderen ist es für jeden Einzelnen bedeutsam, über den Tellerrand hinaus zu blicken, um Best Practices von anderen zu erfahren und im eigenen Unternehmen zu integrieren.

Welche Funktion und Aufgaben nehmen Sie im ANP wahr?

Ich habe über neun Jahre die Regionalgruppe Stuttgart des ANP geleitet und war in dieser Rolle auch Teil des ANP-Beirats. Dieses Gremium hat mich im Mai letzten Jahres zu deren Vorsitzenden gewählt. In dieser neuen Aufgabe sehe ich mich weniger als Chef, sondern viel mehr als Moderator zwischen den unterschiedlichen Interessen der ANP-Mitarbeitenden. Die Gespräche sind oftmals anstrengend, aber immer wieder auch sehr bereichernd.

Was motiviert Sie für Ihr Engagement in diesem Gremium?

Als junger „Normer“ war ich in meiner damaligen Firma mit der Aufgabe allein und habe im ANP engagierte Menschen gefunden, die bereitwillig ihre Erfahrungen weitergegeben haben. Völlig unabhängig von Firmengrößen oder persönlichen Positionen: So haben Senior Manager aus Großunternehmen mit Quereinsteigern aus Kleinstunternehmen ganz unkompliziert auf Augenhöhe über fachliche Fragen der Normung diskutiert. Das ist ungemein hilfreich und beispielgebend für so manch andere Alltagssituation, in der man evtl. Hilfe gebrauchen könnte. Der ANP liefert diese mit einer scheinbaren Selbstverständlichkeit. Das will ich gerne an die nachrückenden Experten und Normenanwender weitergeben.

In welcher Beziehung steht der ANP zu den anderen Normungsgremien des DIN?

Tatsächlich ist der ANP kein Gremium, das selbst irgendwelche Normen schreibt. Wir sind als Netzwerk in einer beratenden Rolle an die Strukturen im Verein DIN angebunden. Den normenschreibenden Arbeitsausschüssen stehen wir als Sparringspartner bereit, wenn es darum geht, Rückmeldungen zu geben, inwieweit deren Normen in der Praxis verständlich und anwendbar sind. Hier sehe ich auch die Brücke zum DGQ-Monatsthema „Normung und Zertifizierung“. Wenn Normen von den Anwendern leicht verstanden und umgesetzt werden können, ist das auch in den Zertifizierungsprozessen für Produkte, Prozesse und Managementsysteme nachvollziehbar.

Welche Veränderungen gab es in den vergangenen Jahren?

Die gesellschaftlichen Änderungen wirken sich natürlich auch auf die Zusammenarbeit im ANP aus. Traditionell sind viele ANP-Gruppen regional orientiert oder sektorspezifisch ausgerichtet. Durch den Einzug vieler digitaler Meeting-Formate ändert sich das. Treffen werden dynamischer, kürzer und vor allem fokussiert auf Einzelthemen. Zeitgleich hat sich auch der Normungsprozess selbst weiterentwickelt. Prozesse werden digital abgebildet, was auch Einfluss auf die organisatorischen Strukturen in den Unternehmen hat.

Wie setzt sich der ANP zusammen?

Im ANP sind rund 350 aktive Mitarbeitende aus den deutschen Firmen organisiert. Meist sind das die Leiter der Normenstellen oder jeweilige Fachexperten der Normung. Neben den bundesweit verteilten Regionalgruppen bestehen drei Sektorgruppen sowie zwei Themengruppen. Die Vorsitzenden der Gruppen bilden zusammen mit der von DIN besetzten Geschäftsstelle den ANP-Beirat, der sich als Gremium in der Schnittstelle zwischen der DIN-Organisation und den Firmenvertretern befindet. Auf unserer Website sind alle wichtigen Details und die jeweiligen Ansprechpartner zu finden.

Was sind die derzeit aktuellen Themen und Herausforderungen, die sich im Rahmen der Arbeit im ANP ergeben?

Da gibt es zwei Schwerpunkte: Zum einen geht es im Erfahrungsaustausch oft um die grundlegenden Werkzeuge einer Normenabteilung. Da wäre der Normungsprozess, der Grundlage für die Mitwirkung in nationalen und internationalen Gremien ist und auch firmenintern für die Werknormung genutzt wird. Die firmeninterne Bereitstellung von externen Normen wird ebenso oft behandelt, da hierbei viel Erfahrung im Umgang mit den vielschichtigen Lizenzbestimmungen der Regelsetzer benötigt wird.

Zum anderen folgen die regen Diskussionen den neuen Technologien und Vorgaben. Digitale Prozesse verändert die Art und Weise, wie mit Normen umgegangen wird. Das muss in die tägliche Praxis im Betrieb eingepasst werden. Neue Vorgaben, insbesondere gesetzliche Anforderungen hinsichtlich Produktkonformität, werden im ANP besprochen, um herauszufinden, wie Unternehmen diese am effizientesten erfüllen können.

Herausfordernd dabei ist die Menge und Schnelligkeit der Änderungen, die ein Experte allein schier nicht beherrschen kann. Sich dann auch noch die Zeit zu nehmen, außerhalb der eigenen Firma nach Hilfe zu suchen, ist die wohl größte Herausforderung. Aber genau hier liegt auch der Vorteil des ANP.

Warum und für wen lohnt sich das Engagement im ANP? Was raten Sie Interessierten?

Um die genannten Themen und Herausforderungen bewältigen zu können, ist der ANP eine der möglichen Hilfestellungen. Die aktive Mitarbeit in den Gruppen, die regen Diskussionen im Erfahrungsaustausch helfen in beiden Richtungen. Eigene Lösungen können als Beispiel für andere Firmen dienen. Selbst lernt man Dinge von anderen, mit denen man die eigenen Lösungsmöglichkeiten erweitern kann. Das ist nach meiner Erfahrung unglaublich bereichernd. Jeder normungsinteressierte Mitarbeiter kann von seiner Firma für die aktive Mitarbeit in einer der ANP-Gruppen entsandt werden. Hierzu einfach unsere Geschäftsstelle unter anp@din.de kontaktieren und die relevante Gruppe angeben.

Inwiefern spielt das Thema Nachwuchsförderung für den ANP eine Rolle?

Mitarbeitende des ANP setzen sich auch für die Ausbildung von künftigen Experten im Umfeld der Normung ein. Nur mit kompetentem Personal gelingt es uns, Zertifizierungen aufrecht zu erhalten und unsere Prozesse rings um Normen und Spezifikationen weiter fit zu halten für die kommenden Aufgaben in unseren Firmen.

 

Über den Interviewgast:

Matthias DusemondMatthias Dusemond ist DIN-geprüfter Normungsexperte, Mitarbeiter der Abteilung Technische Standards bei Daimler Truck AG, Vorsitzender des DIN – Ausschuss NormenPraxis (ANP), Beirat im Strategiekreis Normung und im Normenausschuss Grundlagen der Normung sowie Mitarbeiter im Normenausschuss ISO GPS. Er ist auch als Interner Auditor nach IATF 16949 tätig, hat an einem VDA-Band mitgewirkt, und hat das Managementsystem eines global aufgestellten Unternehmens betreut. Des Weiteren ist er in diversen DGQ-Fachkreisen eingebunden.

Informieren Sie sich zur Normungsarbeit auf unserer Themenseite Normung

Normung und Standardisierung setzen Leitplanken für Gesellschaft und Wirtschaft. Als Fachgesellschaft hat die DGQ sich zum Ziel gesetzt, das Know-how und die Methoden im Bereich Qualität und Qualitätsmanagement weiterzuentwickeln, über neueste Erkenntnisse zu informieren und deren praktische Umsetzung zu fördern. Über die Entsendung haupt- und ehrenamtlicher Vertreter wirkt die DGQ sowohl in der nationalen als auch der internationalen Normungsarbeit zum Thema Qualität und Qualitätsmanagement aktiv mit. Weitere Informationen finden Sie dazu auf unserer Themenseite Normung »

Über den Autor: DGQ

Avatar-Foto