Unter die EFQM-Lupe genommen: Circular Economy30 | 06 | 22

Ein Ziel des EFQM-Modells besteht darin, auf nahezu alle Zwecke der Organisationsentwicklung anwendbar zu sein. Die daraus resultierende eher allgemeine Sicht auf Organisationen lässt Spielraum für Konkretisierungen. Genau darauf ist die EFQM-Lens-Series ausgerichtet. Die jüngste Lens fokussiert die Kreislaufwirtschaft.

Wie unter einer Lupe lassen sich mit den Diagnosetools der Lenses spezifische Themen in einer Organisation detaillierter betrachten. Methodisch funktioniert das im Prinzip wie bei dem allgemeinen EFQM-Modell. Basis sind die drei Grundsätze Ausrichtung, Realisierung und Ergebnisse. Die Kriterien weisen dann jeweils eine themenspezifische Ausrichtung auf. Auf der EFQM-AssessBase können dann jeweils nach Bedarf einfache (Fragebogen) oder detailliertere (Businessmatrix Advanced) Analysen und Bewertungen vorgenommen werden.

Zu folgenden Themen hat die EFQM bereits Lenses entwickelt:

  • Circular Economy (Kreislaufwirtschaft)
  • UN Sustainable Development Goals (Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen)
  • Innovation
  • Disruption

Diese wurden sukzessive mit Partnern der EFQM aus ganz Europa entwickelt. Die jüngste ist die Circular Economy Lens, die in Zusammenarbeit mit Excellence Finland (vormals Laatukeskus) entstand und im April öffentlich vorgestellt wurde.

Mehr und mehr Organisationen legen Wert darauf, ihr Geschäftsmodell mit Aspekten der Nachhaltigkeit zu versöhnen. Wer größere Ambitionen hegt, der versucht gar eine Führungsrolle in Sachen nachhaltiges Wirtschaften anzustreben. Dabei ist jedem klar: Ein forsches Ziel ist schnell formuliert. Doch gerade heute, in einer Zeit, in der Unternehmen mit Berichten zu diesem Thema Nachhaltigkeit gefühlt die Öffentlichkeit fluten, entsteht schnell der Verdacht, dass es dabei oft nur um „Greenwashing“ geht. Jeder Trend erzeugt eben Trittbrettfahrer. Mit der EFQM Circular Economy Lens kann eine Organisation dem Eindruck entgegentreten, lediglich „Greenwashing“ zu betreiben.

Bei der Idee des zirkulären Wirtschaftens geht es vorrangig um ein Denken in Kreisläufen – weg vom Ansatz des „take, make, use and throw away“. Es geht nicht allein um Recycling. Vielmehr wird der Zyklus nicht vom Produkt her, sondern aus der Sicht eingesetzer Rohstoffe und Energie gedacht. Alles, was im Rahmen von Circular Economy produziert werden soll, wird mit Blick auf (alle) Möglichkeiten der Nutzung, Wiedernutzung (second life), Wiederverwertung und Reparaturfreundlichkeit betrachtet. Die drei Prinzipien zirkulären Wirtschaftens lauten: Verschwendung und Verschmutzung bereits in der Entwicklung eliminieren, Produkte und Materialien so lange wie möglich nutzen, natürliche Systeme regenerieren (Definition gemäß EFQM). Somit wird das Denken in geschlossenen Kreisläufen ermöglicht – ein elementarer Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit.

Wie unterstützt nun EFQM dabei? Die Kriterien der Circular-Economy-Lens weisen verbindlich den Weg. Wie im EFQM-Modell sind diese den Grundsätzen Ausrichtung, Realisierung und Ergebnisse zugeordnet. Entscheidend für die Frage, wie verbindlich das Thema Circular Economy aus Sicht der EFQM gesehen wird, ist jedoch, dass kein Veränderungsprozess ausschließlich intern betrachtet wird. Was heißt das konkret? Gemäß EFQM reflektiert sich eine herausragende Organisation als Teil eines Ecosystems, auf das sie einwirkt, das aber umgekehrt auch förderlichen oder erschwerenden Einfluss auf die Ziele der Organisation ausübt. Insofern ist die Einbindung der wichtigsten Stakeholder ein zentrales Prinzip im EFQM-Modell. Das gilt auch für die Circular-Economy-Lens.

Zunächst fordert das Kriterium 1.2 (Ausrichtung), die Bedürfnisse der Stakeholder zum Thema Veränderung in Richtung Circular Economy zu identifizieren und zu verstehen. Im Bereich Realisierung fordert die EFQM-Lens, die Beziehung zu Kunden nachhaltig nach zirkulären Prinzipien auszurichten (Kriterium 3.1). Die Mitarbeiter sollen bestärkt werden, den Kurs mitzutragen und mitzugestalten (Kriterium 3.2). Wirtschaftliche und regulatorische Interessengruppen (Anteilseigner, Finanziers, Regierungen und Behörden) werden eingebunden, um den Kurs der Organisation nachhaltig zu sichern (Kriterium 3.3). Eine herausragende Organisation interagiert mit der Gesellschaft (interessierte und betroffene Akteure im nähreren oder weiteren Umfeld der Organisation), leistet einen signifikanten Beitrag zur Förderung der Zirkulärwirtschaft und sucht aktiv Feedback zu ihren Aktivitäten (Kriterium 3.4). Beziehungen zu Partnern und Lieferanten werden so gestaltet, dass sie auf die Vision der Organisation und den Zweck der Erfüllung der Prinzipien von Zirkulärwirtschaft einzahlen (Kriterium 3.5). Damit dieses umfassende Engagement nachhaltig gesichert werden kann, ist es notwendig, dass sich die Organisation ein umfassendes Bild darüber verschafft, wie dieses von ihren Stakeholdern wahrgenommen wird (Kriterium 6). Dazu können vielfältige Bezugsquellen für Feedback unterschiedlichster Interessengruppen herangezogen werden. Diese Rückmeldung liefert wichtige Informationen, um die Strategie und Ziele sowie die Maßnahmen zu deren Umsetzung zu prüfen, zu bewerten und bei Bedarf anzupassen.

Dieser exemplarische Einblick zeigt auf, wie tiefgreifend und verbindlich Themen mit dem EFQM-Modell und insbesondere mit den Lenses aufgegriffen werden können. Eine Organisation, die sich zum Ziel setzt, ihr Geschäftmodell auf nachhaltiges Wirtschaften nach den Prinzipien der Circular Economy auszurichten und die Verbindlichkeit dieses Ansatzes belegen möchte, findet in der EFQM Circular-Economy-Lens ein geeignetes Instrument.

Über den Autor: Jörn Cerff

Jörn Cerff verantwortet bei der DGQ Weiterbildung die Themenbereiche Automotive, Bahnindustrie, Luft-, Raumfahrt und Verteidigung, QM-Managementkompetenz und EFQM. In diesen Themenfeldern ist der studierte Politikwissenschaftler und Soziologe für die Konzeption von Weiterbildungsinhalten und -formaten verantwortlich.

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