Qualität und Nachhaltigkeit13 | 04 | 23

CO2-Emissionen, Unternehmen, Nachhaltigkeit, Qualität

Hier will und muss ich wohl niemand erklären, warum einerseits Qualität und andererseits Nachhaltigkeit für uns Menschen und für die Gesellschaft wertvoll und erstrebenswert sind. Hier möchte ich zeigen, wie sehr sie miteinander verwoben sind.

Fundamentale Qualitätsdimensionen sind Funktionalität und Sicherheit. Was nicht funktioniert, dessen Ressourceneinsatz war Verschwendung. Was nicht sicher ist und daher Menschen und Sachwerte gefährdet, das verursacht inakzeptable Schäden und löst unnötigen Ressourceneinsatz zu deren Kompensation aus. Nichtqualität ist also grundsätzlich und in jedem Fall nicht nachhaltig.

Gibt es auch eine positive Verknüpfung von Qualität und Nachhaltigkeit? Etwas was lange oder gar dauerhaft, also nachhaltig, seine Funktion sicher erfüllt, ist doch wohl besser, also von höherer Qualität als etwas, was dies nur zeitlich begrenzt leistet.

Es ist ein Dilemma, dass unsere etablierten Marktlogiken und unsere psychischen und physiologischen Belohnungssysteme honorieren, Dinge nicht so lange wie möglich zu nutzen, sondern immer wieder durch Neues zu ersetzen. Kauffreude bis hin zur Kaufsucht und sie aufgreifende oder gar stimulierende Innovations- und Vermarktungsbemühungen halten die Wirtschaft in Gang. Wenn – oder eher weil – wir das nicht durchbrechen, müssen wir immerhin Kreisläufe bilden und die verwendeten Stoffe erneuter Nutzung zuführen. Die Circular Economie, die Kreislaufwirtschaft ist einer der wichtigsten Ansätze für Nachhaltigkeit. Sie zu realisieren, stellt uns in Produktdesign, Materialauswahl, Herstell- und weiteren Prozessen des Lebenszyklus vor neue Anforderungen, die ja in unserer eigenen Logik somit zu Qualitätsanforderungen werden. Das ist unumgänglich, weil unsere Ressourcen zur Neige gehen und das bisher exponentielle Wachstum nicht mehr lange fortgesetzt werden kann. Ach, jetzt bin ich ja doch bei Begründungen, die ich oben ankündigte, unterlassen zu können.

Nachhaltigkeit und Qualität haben also eine enge Verbindung. Um sie zu stärken, müssen wir ein etabliertes Qualitätsverständnis hinterfragen. Wenn Qualität der Grad der Anforderungserfüllung ist, wie gehen wir damit um, dass viele unserer Anforderungen oder deren Realisierung nicht nachhaltig sind oder sogar Nachhaltigkeit erschweren oder reduzieren?

Nachhaltigkeit und Qualität auch im Unternehmen verzahnt zu behandeln, halte ich aufgrund der genannten Verknüpfungen für sehr sinnvoll. Ja, es ist zunächst eine weitere Last für das bisherige QM-Personal. Eine wirkungsvolle Bearbeitung des neuen und leider zunehmend überbordend reglementierten Themas „Nachhaltigkeit“ wird zusätzliche Ressourcen erfordern. Und die müssen auch investiert werden, wenn wir vorankommen wollen – was wir ja müssen. Die Synergien zwischen beiden Themen lassen aber befürchten, dass es für das Unternehmen aufwändiger und für die beiden Themen dysfunktionaler ist, sie getrennt zu bearbeiten. Hinzu kommt, es ist eine erstrebenswerte, weil wichtige und interessante Aufgabe. Und bereits vorhandene Kompetenzen können wir weiterverwenden, weitere müssen wir uns aneignen.

Wenn jetzt noch nicht offensichtlich ist, wie wir beides unter einen Hut bekommen, inhaltlich, systemisch und arbeitsorganisatorisch, dann müssen und werden wir in der DGQ gemeinsam Lösungen dafür erarbeiten. Dazu ist jede und jeder Interessierte herzlich eingeladen.

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

5 Kommentare bei “Qualität und Nachhaltigkeit”

  1. 26c0aeaafd7f863ac6f8c4db26f1a74d Andrea Schranck sagt:

    Hallo Herr Sommerhoff,
    echte Nachhaltigkeit und gewinnoptimierte Marktwirtschaft gehen schon immer nicht gut zusammen. Und das wird sich so lange nicht ändern, bis wir gelernt haben ein Stück vom Kuchen a) für unsere Umwelt und b) für die Menschen und Länder in der tiefen Lieferkette abzugeben. Das kann sich aber noch hinziehen. Fragen Sie mal den Finanzminister!
    Von daher möchte ich auch vorschlagen insgesamt drei Aspekte unter den Hut bekommen zu wollen, nämlich die wirtschaftlichen (da hängt die Q mit dran, denn schlechte Q ist selten wirtschaftlich), die Sozialen- und die Umwelt-Komponenten inkl. Ressourcenschutz. Dann sind wir in der echten Nachhaltigkeit unterwegs!
    Alleine mit Circular economy werden wir das nicht mehr hinbekommen; wir brauchen dringend ganz viel Erneuerbare Energie, um überhaupt irgendwas produzieren zu können und dann dringend eine Diskussion über Versorgungssicherheit vs. Überangebot/ Verschwendung von fertig produzierten Waren, d.h. nicht nur das WIE, sondern auch das WAS wir produzieren in Zukunft. Da ist ein IMS schon eine feine Sache, wenn das Unternehmen nicht nur die Vorgaben zu Wirtschaftlichkeit und Kundenorientierung sondern auch zukunftsfähige Verbesserungen in Energieversorgung und Sozialstandards lebt und nicht nur die Aktionäre im Blick hat.

  2. 12fad89dbfa0bd7577219e8081bbd19e Benedikt Sommerhoff sagt:

    Dass wir (im Sinne von: für die notwendige Wirkung genug Menschen) lernen, zu verzichten oder abzugeben, daran sind Zweifel geboten. Doch da Resignation ja auch kein tragbarer Ansatz ist, würde ich auch dem Weg folgen wollen, den Sie vorschlagen: soziale, ökonomische und ökologische Aspekte unter einen Hut nehmen und auch im Unternehmen diese und weitere Themen unbedingt integriert mit einem Managementsystem adressieren.

  3. Hallo Benedikt, mal wieder ein „Modethema“ aufgegriffen? Qualität, ich meine echte Produkt/Dienstleistungsqualität, folgten schon immer dem Grundsatz der Nachhaltigkeit. Denn nur was so entwickelt und hergestellt wurde, dass es lange funktioniert, ist qualitativ hochwertig und somit nachhaltig. Warum nachhaltig? Weil nicht jedes Jahr für „Facelifts“ und andere Konsumergetriebene Aktionen dazu führen, dass ein Produkt nicht mehr so gut ist wie das vorherige. Die Definition für Qualität ist seit der Vedröffentlichung nicht greifbar und auch nicht mit Nachhaltigkeit in Verbindung zu bringen. An dieser Stelle möchte ich Dieter Rams (Braun Designer) mit seinen 10 Design Prinzipien ins Spiel bringen:
    1. Gutes Design ist innovativ
    2. Gutes Design macht ein Produkt brauchbar
    3. Gutes Design ist ästhetisch
    4. Gutes Design macht ein Produkt verständlich
    5. Gutes Design ist unaufdringlich
    6. Gutes Design ist ehrlich
    7. Gutes Design ist langlebig
    8. Gutes Design ist konsequent bis ins letzte Detail
    9. Gutes Design ist umweltfreundlich
    10. Gutes Design ist so wenig Design wie möglich

    Würden Entwickler diesen Prinzipien folgen, so hätten wir Produkte welche unter nachhaltigen Gesichtspunkten entwickelt und hergestellt würden. Das das funktioniert, zeigen Produkte, welche nach diesen Prizipien entwickelt und hergestellt werden, seit mehr al 40 Jahren erfolgreich im Markt sind (Braun KF 47).

    Leider passen diese Prinzipien nicht in eine Welt, die vom Wachstum getrieben wird und ausschließlich kosumorientiert unterwegs ist. Als Kosumgesellschaft sind und können wir nicht nmachhaltig unterwegs sein. Daher muss als erstes etwas im Kopf bei uns Menschen passieren. Denn wenn wir bereit sind für Qualität als Ganzes (siehe die 10 Prinzipien oben) auch den Gegenwert zu bezahlen (Qualität kostet Geld), dann könnten wir uns auf einem nachhaltigen und qualitätsorientierten WQeg machen.
    Ob Qualitäter auf diesem Weg eine entscheidene Rolle spielen müssen oder werden, bezweifle ich. Ein Qualitäter ist keine „eierlegende Wollmilchsau“, bei dem jedes Modethema adressiert werden muss.
    Jedoch können gute Qualitätssicherer (nicht QM-Manager) mit einer intelligenten Prüfstrategie (C2C) einen wertvollen Beitrag in Richtung Nachhaltiglkeit leisten – Ziel muss es sein, Verschwendung im gesamten Prodiktlebenszyklus zu minimieren.

    1. 12fad89dbfa0bd7577219e8081bbd19e Benedikt Sommerhoff sagt:

      Modethema? Überlebensthema, Herzensthema!
      Wenn wir warten, dass sich im Kopf der Menschen etwas ändert, wird gar nicht passieren. Es wird immer genug Egoisten und Ignoranten geben, um das zu verbrauchen, was die Altruisten einsparen. Lösungen für mehr Nachhaltigkeit müssen daher weitgehend auch durch Anforderungen erzwungen werden. (Ich sage extra dazu, das ist eine persönliche und keine abgestimmte DGQ Position.) Qualitätsmanager sollen und müssen an der Verbesserung der Nachhaltigkeit von Unternehmen mitwirken. Es ist ja nicht ihre exklusive Aufgabe, sie müssen das als Teil eines Expertenkollektivs tun, das die Themen Qualitätsverbesserung, Energie- und Ressourceneinsparung, Kreislaufwirtschaft, soziale, ökonomische, ökologische Wirkungen gemeinsam und systemisch adressiert. QM ist ja keine Insel und ganzheitliches Kooperieren mit anderen macht einen noch nicht zur eierlegenden Wollmilchsau.

      1. Ja, über Anforderungen kann dem Thema Nachhaltigkeit geholfen werden. Nur welche Aufgabe hat QM? Und, in vielen Organisationen ist QM eine Insellösung bzw. eine Parallelwelt, da durch Zertifizierungen wie ISO 9001 und deren Auditoren getrieben. Vielleicht wäre es nachhaltig, QM zu begraben und das Feld der Organisationsentwicklung den Organisationsentwicklern zu überlassen. Diese haben eine ganzheitliche Aufgabe: Eine Organisation nachhaltig zu gestalten bzw. zu entwickeln oder weiter zu entwickeln. QM kämpft inzwischen (oder schon immer) auf verlorenen Boden, da der Mehrwert für eine Organisation kaum erkennbar ist (ISO 9001 passt nicht mehr in unsere Welt und enthält so gut wie keine brauchbaren Anforderungen). Man schaue nur auf die mit der ISO 9001 unterstützten SDG´s: 1, 9, 12 und 14. Wobei mir sich nicht erschließt, inwieweit der QM Standard 9001 SDG 14 (Leben unter Wasser) unterstützt.
        QS und Nachhaltigkeit zu verknüpfen sehe ich als absolut zielführend. Reduzierung von Verschwendung durch eine zielgerichtete Prüfstrategie im Sinne eines C2C Ansatzes wäre hier hilfreich. Das Thema wird heutzutage leider kaum mehr innovativ bespielt – alle konzentrieren sich nur noch auf das QM. Durch sinnvolle QS wird automatisch Nachhaltigkeit erzeugt. Das wäre der Beitrag von Q-Experten.

Schreibe einen Kommentar zu Benedikt Sommerhoff Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert