Neues Jahr, neue Vorsätze: Hin zu einer positiven Q-Kultur im Unternehmen19 | 01 | 23

Es läuft etwas schief im QM: Die Diskrepanz zwischen dem, was Qualität im Ursprünglichen meint, und dem, was im QM von Unternehmen tagtäglich angestrebt wird, wächst zunehmend und verschlechtert so das Image der Qualitätsfunktion. Anstatt als Lösungsanbieter gesehen zu werden, wird Qualität mittlerweile häufig als „Show Stopper“, „Unternehmenspolizei“ oder gar als eine Art ständig forderndes „großes, böses, Monster“ wahrgenommen. Dafür gibt es viele Gründe: etwa eine zunehmend komplexe Kommunikation innerhalb von Organisationen, unterschiedliche Organisationsstrukturen (Beispiel Matrixorganisation), eine fehlende nachhaltige Denkweise im Unternehmen oder eine langsame Anpassungsfähigkeit der Prozesse. Die Folge: Die für ein erfolgreiches QM notwendige „gute Q-Kultur“ leidet – oder ist gar nicht vorhanden.

Wir stellen uns oft die Frage, warum um die Einführung bzw. Aufrechterhaltung von QM-Systemen in Organisationen überhaupt so viel „Tamtam“ gemacht wird. Sind Unternehmen nicht grundsätzlich bestrebt, den Kunden zufrieden zu stellen? Und ist genau das nicht letztlich auch Inhalt des QM?

Qualität bewusst produzieren

Die Erfüllung von Kundenanforderungen muss von allen Unternehmen vorausgesetzt werden, die im Wettbewerb bestehen wollen. Dabei dürfte allen klar sein, dass die Anforderungen des Marktes in den vergangenen Jahren gestiegen sind: Lieferkettenabhängigkeiten, Hackerangriffe, Fachkräftemangel sind nur ein paar der aktuellen Herausforderungen. Nur wer sich auf diese Situationen einstellen kann und entsprechende Prozesse etabliert hat, wird auf Dauer erfolgreich sein – und aktiv Qualität produzieren.

Das heißt nicht, dass diesbezüglich bisher nichts getan wurde – im Gegenteil: Viele Unternehmen produzieren täglich Qualität und erreichen damit zufriedene Kunden. Nur: Sind dies bewusste Entscheidungen und Abläufe oder handeln sie intuitiv?

Ein QM-System richtig umgesetzt, beinhaltet alle Unternehmensbereiche und setzt einen ganzheitlichen Ansatz voraus. Maßstab ist immer der Kunde bzw. die Erfüllung der Kundenbedürfnisse. Die Mitarbeitenden müssen die Qualität ihrer Tätigkeit zu ihrer persönlichen Sache machen. Es geht um die täglichen Abläufe im Betrieb. Das QM-System zieht sich wie ein roter Faden durch das Unternehmen – das bedeutet: Abgestimmte, durchschaubare Kommunikationswege, klare Verantwortungsbereiche und Zuständigkeiten.

Qualität sollte kein Zufallsprodukt sein. Doppelarbeiten sollten vermieden werden; Stichwort: „Wenn das Unternehmen wüsste, was es weiß…“

Ein Blick in die Norm hilft

Wenn wir uns im Bereich der „guten Unternehmensführung“ umschauen, sehen wir sehr viele Parallelen zu den Anforderungen der ISO 9001 – zum Beispiel den Leitsatz: „Alles beginnt mit einer klaren Vision für Ihr Unternehmen“. Für erfahrene QMler ist klar: Die Unternehmenspolitik beschreibt die Vision eines Unternehmens, entwickelt und gelebt durch das Top-Management. Und Qualitätspolitik als Teil der Unternehmenspolitik ist quasi das Herzstück eines QM-Systems (vgl. Kapitel ISO 9001 2015 5.2ff).

Oder ein anderer Leitsatz: „Die richtige Unternehmensstruktur ist entscheidend“, sie ist der wesentliche Bestandteil der Unternehmensführung. Auch das ist für QMler selbstverständlich, es bedeutet: Rollen und Verantwortlichkeiten müssen festgelegt werden (Kapitel ISO 9001 2015 5.3ff), damit das Unternehmen funktioniert und profitabel wachsen kann.

Noch ein Beispiel: Ein Unternehmen kann nur erfolgreich sein, wenn Mitarbeitende und Führungskräfte für ihre jeweiligen Aufgaben qualifiziert und auch motiviert sind. Auch die Norm sieht diese Notwendigkeit und widmet dem Thema Kompetenzen ein großes Kapitel (Kapitel ISO 9001 2015 7.2ff). Was in den vergangenen Jahren immer wichtiger wurde und sich nun im Fachkräftemangel zuspitzt: die knappe Ressource Wissen rückt immer mehr in den Mittelpunkt des unternehmerischen Denkens (es ist vielleicht DER strategische Erfolgsfaktor). Die richtigen Personen an der richtigen Stelle schaffen Wettbewerbsvorteile. Und der existierende Erfahrungsschatz sollte systematisch konserviert und auch regelmäßig aktualisiert werden (siehe Kapitel ISO 9001 2015 7.1.6ff).

Sprechen wir dieselbe Sprache?

Die Frage, die wir uns als QMler stellen müssen: Kommunizieren wir im Alltag über die genannten Anforderungen so, dass auch Nicht-QMler diese verstehen und den Mehrwert für das Unternehmen, aber auch sich selbst wahrnehmen? Oder haben wir uns mit dem QM-Apparat ein „Monster“ geschaffen, das uns von anderen Abteilungen abhebt?

Wenn nur noch QMler verstehen, was da in ihrem Sinne alles dokumentiert und von den Auditoren gefordert wird, müssen wir uns nicht wundern, wenn das Verständnis für QM-Themen mancherorts zu wünschen übriglässt. Wie aber können wir mehr Bewusstsein für Qualität schaffen, damit Kolleginnen und Kollegen verstehen, warum wir QMler tun, was wir tun, und welchen Mehrwert sie dadurch erhalten – sprich: Wie können wir das ursprüngliche „Quality-Mindset“ ins Unternehmen zurückbringen?

Ein erster Schritt kann und muss sein, dass wir mit dem, was wir sagen, die anderen wieder erreichen – sprich, dieselbe Sprache sprechen und zielgruppenangepasst kommunizieren. Der benötigte „Change“ in der Q-Kultur muss also letzten Endes von uns QMlern ausgehen. Das neue Jahr kann als gute Gelegenheit dienen, diese „guten Q-Vorsätze“ anzugehen. Entscheidend dabei ist, vom Planen ins Tun zu kommen.

Über die Autoren:

Carina Siemen verantwortet das globale Qualitätsmanagementsystem bei Nexperia, einem führenden Halbleiterhersteller, als Director Quality Systems. Dort verbindet sie Qualitätsmethoden mit unternehmerischem Denken und Handeln auf Basis ihres Masters im Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Qualitätsmanagement, 7+ Jahre Erfahrung in der Luftfahrt und einem berufsbegleitenden PowerMBA©. Seit 2019 ist sie im Leitungsteam der DGQ QM Youngster und organisiert praxisorientierte Veranstaltungen für junge Qualitätsbegeisterte.

Pankaj Deo hat einen Masterabschluss in Global Production Engineering der Technischen Universität Berlin mit einem Schwerpunkt auf Qualitätsmanagement. Durch seine 10+ Jahre Berufserfahrung im Qualitätsbereich konnte er in der Praxis erfahren, wie Qualität in unterschiedlichen Industrien wahrgenommen wird. Pankaj hat ein Lean Six Sigma Black Belt und ist zertifizierter Auditor. Seine aktuelle Rolle bei Collins Aerospace konzentriert sich darauf, APQP-Standards innerhalb des Unternehmens zu implementieren.

 

Über die QM-Youngsters:

Die „QM-Youngsters“ sind eine DQG-Netzwerkgruppe aus jungen Berufseinsteiger bis 35 Jahre, die im Qualitätsmanagement Fuß fassen wollen. Die Gruppe bietet Möglichkeiten für Vernetzung, Austausch und Karriereentwicklung, immer mit dem Ziel, das Qualitätsmanagement neu und jung zu interpretieren. Unter diesem Motto finden jährlich zahlreiche Veranstaltungen, Online wie auch in Präsenz, der „Youngsters“ statt.

Sie wollen sich auch beteiligten? Wenden Sie sich gerne an mitgliederservice@dgq.de – wir freuen uns auf Sie.

Über die Autorin: Carina Siemen

Carina Siemen verantwortet das globale Qualitätsmanagementsystem bei Nexperia, einem führenden Halbleiterhersteller, als Director Quality Systems. Dort verbindet sie Qualitätsmethoden mit unternehmerischem Denken und Handeln auf Basis ihres Masters im Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Qualitätsmanagement, 7+ Jahre Erfahrung in der Luftfahrt und einem berufsbegleitenden PowerMBA©. Seit 2019 ist sie im Leitungsteam der DGQ QM Youngster und organisiert praxisorientierte Veranstaltungen für junge Qualitätsbegeisterte.

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