Fehler erwünscht – wie wir richtig üben24 | 03 | 15

Notfall

Die Notfallübung konnte erfolgreich absolviert werden. Checklisten wurden abgearbeitet – reibungslos, still und leise. Kein Fehler, kein Knirschen im Getriebe. War auch nicht vorgesehen. Die Simulationsübung des Bereichs CQE wollte man einfach nur hinter sich gebracht haben und dann weiterarbeiten.

Konfrontiert mit einer solchen Notfallsituation, können die Handelnden aber mit den besonderen Eigenschaften einer Krise umgehen lernen. Das Vertrauen in die individuellen und organisationalen Kompetenzen werden so gestärkt – und das über die Bewältigung des Ereignisses hinaus. Nur bleibt es oftmals bei den ideellen Möglichkeiten. Sofern es denn strukturierte Übungsaktivitäten gibt, fristen diese in den Organisationen vielerorts – siehe oben – ein eher stiefmütterliches Dasein. Weit entfernt von realistischen Ereignisszenarien und einer Atmosphäre, in der Fehler als wichtige Lernressource begrüßt werden.

Kritische Selbstbeobachtung

Dabei ist Fehlern als Ausgangspunkt von Lern- und Verbesserungsprozessen ein disruptiver Charakter zuzuschreiben. Prozessuale und soziale Routinen können analysiert, in Frage gestellt oder unterbrochen werden. Da Fehler aber ebenfalls als Ausdruck von Versagen und Inkompetenz wahrgenommen werden, ist ein konstruktiver Umgang mit diesem negativ konnotierten Wissen in einer Organisation oft mit Schwierigkeiten verbunden.

Fehleroffenheit und die damit einhergehende Förderung kollektiver Problemlösungs- und Handlungskompetenzen lassen sich an sogenannten Hochsicherheitsorganisationen (Feuerwehr, Flugzeugträger, etc.) gut beobachten. Der Raum und der Wille zur rigorosen Auswertung von Fehlern gehört zu den zentralen Elementen einer Kultur der Achtsamkeit, die typisch für diese Organisationsform ist.

Allzweckwaffe Übung

Neben den Befunden aus der Organisationsforschung weisen auch Ansätze aus der Welt der Normen auf den weiten Wirkungshorizont von Übungsmaßnahmen hin. In der ISO 22300er-Familie zum Business Continuity Management werden unter anderem folgende Nutzenaspekte angeführt:

  • Aufklärung und Schulung des Personals
  • Überprüfung von Leitlinien, Plänen, Verfahren, Schulungen, Ausrüstung
  • Verbesserung der organisationsübergreifenden Koordination und Kommunikation
  • Bestimmung von Verbesserungsmöglichkeiten
  • Ermittlung von Ressourcendefiziten oder
  • Schulung des Improvisationsvermögens

Die alte Kulturtechnik der Übung birgt also nicht nur für das Individuum wichtige Möglichkeiten der Selbstvergewisserung und Weiterentwicklung. Organisationale Interaktionen ernsthaft üben, kann als eine bewusste Entscheidung für ein Mehr an Komplexität verstanden werden: Auseinandersetzung mit Übungen und Fehlern um der verbreitete Tendenz entgegenzuwirken, neuen Aufgabenstellungen ausschließlich mit alten Lösungsansätzen zu begegnen.

Angstfrei mit Deming

Mit seinen 14 Managementprinzipien formulierte der QM-Säulenheilige W. Edwards Deming  Grundsätze, die eine starke Wertschätzung von Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen erkennen lassen. Das Bekenntnis zur Qualifikation der Belegschaft ist hier eng verbunden mit der Entwicklung und Pflege einer angstfreien Arbeitskultur im Sinne des Konzepts der ständigen Verbesserung, der immerwährenden Suche nach Problemursachen und Weiterentwicklungspotentialen.

Der positive Umgang mit dem Fehlerwissen einer Organisation ist Demings Gedanken über erfolgreiches Management also eingeschrieben. Dabei steht uns mit Übungen, etwa von Notfällen, ein Instrument zur Verfügung, das Fehlerwissen strukturiert nutzbar macht  und individuelle sowie organisationale Lerneffekte erzielt.

Das Forschungsprojekt

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert InnoGeSi.net. Die DGQ arbeitet im Rahmen des interdisziplinären Verbundforschungsprojektes an aktuellen Ansätzen zu Risiko- und Notfallmanagement sowie Business Continuity Management.

Über den Autor: Malte Fiegler

Malte Fiegler arbeitet im Team Innovation & Transformation der DGQ zu organisationalen Prozessen und Akteuren. Themen, die den Sozialwissenschaftler dabei besonders beschäftigen, sind der unternehmerische Umgang mit Unsicherheit und die Arbeit der Zukunft. Als Untersuchungsgegenstand, Forschungspartner und Adressat der Ergebnisse spielt bei diesen Aktivitäten das diverse Netzwerk der DGQ eine gewichtige Rolle.

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