„Durch die Fachkreisarbeit möchten wir dazu beitragen, dass interne Audits wieder einen größeren Mehrwert erzielen“22 | 09 | 23

Audit, Remote Audit, DGQ-Fachkreis

Zwischen Checklisten und Remote Audits: Die Auditwelt befindet sich im Wandel. Der DGQ-Fachkreis Audit und Assessment hat über zwei Jahre hinweg regelmäßig Umfragen im Rahmen von DGQ-Netzwerk-Veranstaltungen durchgeführt, um den Umgang mit aktuellen Trends und Herausforderungen im internen Audit zu beleuchten. Insgesamt haben rund 300 Personen aus dem QM-Umfeld teilgenommen. Die Leitungsmitglieder Marita Großer und Mathias Wernicke berichten im Interview über die Ergebnisse und geben einen Ausblick, wo die Reise beim internen Audit in den kommenden Jahren hingehen könnte.

 

Welche Erkenntnisse haben Sie aus den Umfragen abgeleitet?

Mathias Wernicke: Die Umfrageergebnisse haben uns gezeigt, dass die Menschen beim internen Audit gerne auf Bewährtes setzen: Auditoren führen immer noch sehr oft klassische Checklisten-Audits durch. Das bedeutet: Die Standards werden abgefragt, aber wenig darüber hinaus. So wird beispielsweise wenig zum Thema Risiko auditiert, auch wenig zum Thema Normerfüllung. Natürlich gibt es auch jene Auditoren, die über die Checklisten hinausgehen, mit dem Ziel, ein umfassenderes Bild von der Wirksamkeit des Geschäftssystems zu erhalten. Aber sie sind in der Minderheit.

Marita Großer: Die Ergebnisse der Umfrage spiegeln die Realität wider. Das kann einerseits ernüchternd sein, ist dann aber auch wieder Antrieb für uns: Denn durch unsere Fachkreisarbeit können wir dazu beitragen, dass Audits künftig einen größeren Mehrwert für die Organisation erzielen.

Wie wirken sich die Umfrageergebnisse auf die Fachkreisarbeit aus?

Mathias Wernicke: Die Umfrage hat unter anderem ergeben, dass kurze, risikobasierte Audits zum Großteil noch nicht systemisch eingebunden sind, obwohl sie einen hohen Mehrwert bieten. Das hat uns zu unserem mittlerweile veröffentlichten Impulspapier zu Adhoc- und Kurzbewertungen inspiriert, das in der DGQ-Mediathek auf DGQplus zu finden ist. Zudem gaben im Schnitt nur rund 15 Prozent an, das von uns empfohlene Remote Audit regelmäßig zu nutzen – das hat uns gezeigt: Auch hier gibt es noch Unterstützungsbedarf. Kurz darauf haben wir auch zu diesem Thema ein Impulspapier verfasst. Denn das ist es, was uns als Fachkreis ausmacht: Wir wollen praktische Handlungshilfen geben für die Aspekte, bei denen diese benötigt werden. Dabei geht es uns nicht mehr so sehr um das klassische Audit im Sinne der Konformitätsbewertung, sondern um eine Gesamtbetrachtung des Auditierens. Das spiegeln auch unsere Themen wider.

Das Remote Audit nimmt einen hohen Stellenwert in Ihrer Fachkreisarbeit ein – eine Folge der Corona-Pandemie?

Marita Großer: Remote Audits waren vorher auch schon ein Thema. Die Pandemie hat nur dazu beigetragen, dass mehr Menschen sie ausprobieren. Am Anfang war das für die Beteiligten natürlich ungewohnt, aber am Ende hat es vielen Spaß gemacht, weil es einfach eine andere Art des Auditierens ist.

Mathias Wernicke: Wir haben in dieser Zeit, als wir nicht mehr vor Ort auditieren durften, gelernt, dass es mehr Sinn ergibt, interne Audits viel spontaner anzugehen. Das oft genutzte statische Abfragen passt zwar gut zu einer Prüfungssituation aus dem Bereich externe Audits, denn diese brauchen ein festes Schema. Aber intern geht es mir als Auditor darum, kurzfristig zu wissen, woran es hakt – ob es der Prozess ist, die Menschen oder die Umstände. Und da will ich kurzfristig morgen früh ein Audit machen können – und das aus praktischen Gründen gerne remote. Remote Audits wiederum lassen sich exzellent mit integriertem Auditieren verbinden.

Stichwort integriertes Auditieren: Was sind die Vorteile?

Marita Großer: Beim integrierten Auditieren gibt es einen Auditor, der nur den Prozess selbst prüft, dabei aber mehrere Normen und Standards zugleich abfragen kann. In der Audit-Realität ist es oftmals so, dass vor einem Auditierten fünf Auditoren aus unterschiedlichen Bereichen stehen, obwohl es im Grunde genommen um den Prozess gehen sollte. Das ist mit Blick auf die Wirksamkeit des Audits nicht optimal.

Mathias Wernicke: Ich habe bereits seit 2010 bei meinem damaligen Arbeitgeber am gesamtintegrierten Denkansatz gearbeitet. Wir haben zehn bis 15 klassische Regelwerke analysiert, diese dann im Geschäftssystem, in den Prozessen verortet und dabei festgestellt: Wenn ich ein Prozessaudit mache, dann muss ich nicht zwingend alle Regelwerke durchgehen, sondern ich nehme nur die Elemente, die in diesem Prozess tatsächlich auch analytisch zur Anwendung kommen müssen. Das ist der Schlüssel für alles.

Integriertes Auditieren haben wir auch erfolgreich in unserem Workshop auf dem DGQ-Qualitätstag 2022 durchgeführt und festgestellt, dass es hier viel Informationsbedarf gibt.

Berufsbild Auditor

Für die Integrität und Zuverlässigkeit von Unternehmen ist das Einhalten von gesetzlichen, behördlichen und normativen Vorgaben und Anforderungen essenziell. Neben dem Feststellen der Konformität können im Rahmen eines Audits unter anderem bewährte Praktiken erkannt, Lücken identifiziert und Optimierungspotenziale aufgedeckt werden. Auditoren können so einen entscheidenden Beitrag für das Unternehmen leisten und haben gute Karriereaussichten in den verschiedensten Branchen.
Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie in unserem Berufsbild zum Auditor:

  • Welche Aufgaben betreuen Auditoren?
  • Wie werde ich Auditor?
  • Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es?
  • Was verdient ein Auditor?
  • Welche Karrieremöglichkeiten gibt es als Auditor?

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Aktuell wird die Rolle des QM im Netzwerk kontrovers diskutiert. Was ist hier der Knackpunkt?

Mathias Wernicke: Wir verbauen uns als QM die Zukunft, wenn wir immer „nur“ von QM sprechen, obwohl das Arbeitsfeld des QMlers heutzutage sehr umfassend ist. Im Alltag ist es oft so, dass man im QM auf „QM macht Zertifizierungsvorbereitung, Auditprogrammplanung und Reporting nach außen“ reduziert wird. Oder dass man sich erst dann an uns wendet, wenn es knallt, etwa im Rahmen eines externen Audits. Dann sind wir im QM plötzlich die Ultima Ratio. Das ist ein Riesenproblem, und das muss sich ändern.

Marita Großer: Das hängt auch damit zusammen, dass QM von anderen Abteilungen oft mit Qualitätssicherung gleichgesetzt wird. Das ist aus der Historie heraus entstanden, und auch heute gibt es noch viele, die beides in Personalunion machen. Das ist problematisch.

Wie muss diese Veränderung aussehen?

Marita Großer: Viele Organisationen führen einmal im Jahr ein starres Audit durch. Das ist keine risikoorientierte Vorgehensweise und damit nicht das, was das Unternehmen benötigt. Hier muss der Auditor Eigeninitiative zeigen und sagen: Stopp, es geht auch besser. Entsprechend müssen wir die Auditoren dazu befähigen, dass sie ihr Wissen auch einsetzen, um Verbesserungen zu erwirken. Es sollte nicht ausschließlich darum gehen, einen Auftrag zu erfüllen, den vielleicht der Auftraggeber einfach nicht besser definieren kann. Es muss sich auf beiden Seiten etwas tun.

Mathias Wernicke: Wir benötigen im internen Audit beides: sowohl Konformität als auch Verbesserungsimpulse. Ob man beides immer sauber hinbekommt, liegt am Auditauftrag. Der könnte idealerweise heißen: Stelle fest, ob der Prozess eingehalten ist. Ist das nicht der Fall, arbeite heraus, mit welchen Verbesserungsthemen wir in Zukunft immer noch konform, aber mit weniger Aufwand unterwegs sind. In diese Richtung müssen wir uns entwickeln.

Wenn die Grundeinstellung der Geschäftsleitung der reine Fokus auf das Zertifikat ist und sich das nicht ändern lässt, empfehlen wir: Erfahrung sammeln und die Firma wechseln.

Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis diese Veränderung eintritt?

Mathias Wernicke: Die von uns angestrebte Entwicklung wird sicher zehn Jahre dauern. Aber sie kommt, und dazu ist notwendig, dass wir als QMler in unserer tatsächlichen Rolle akzeptiert werden, mit allem, was dazu gehört. Das bedeutet, dass ich im Unternehmen, gemeinsam mit den Leitungsfunktionen, ein Bild von mir als Verantwortlichem erzeuge, das weit über das der Kontrolle der Konformität hinausgeht.

Marita Großer: Oftmals heißt es ja: Hauptsache, der Auditor ist gleich wieder weg. Es muss ein Umdenken bei vielen Führungskräften erzeugt werden, dass die internen Audits ihnen helfen und sie unterstützen können. Und dass sie als Führungskräfte auf die Auditoren zugehen können und sagen: Ich habe da ein Problem, helft mir bitte. Das heißt ja nicht, dass die Führungskraft das Problem nicht selbst lösen kann. Aber der Auditor kann unterstützen und beraten.

Welche Hilfestellung für diese Herausforderung bietet der Fachkreis Audit und Assessment?

Mathias Wernicke: Im Fachkreis geben wir den Menschen Methoden an die Hand, die sie unmittelbar in ihrem jeweiligen System einsetzen und mit denen sie eine schnellere reaktive Veränderung der Prozesswelt bewirken können. Das ist manchmal eine Herausforderung, weil wir mit so unterschiedlichen Branchen zu tun haben.

Marita Großer: Auch das DGQ-Netzwerk außerhalb des Fachkreises kann eine große Unterstützung sein: Das Netzwerken hilft, aus der eigenen Komfortzone herauszukommen, die Sichtweise von anderen zu erfahren, die Anwendung bei anderen zu sehen und dann Verbesserungen bei sich selbst erzeugen zu können. Damit haben wir schon ganz tolle Erfahrungen gemacht, die sich auch in fachkreisübergreifenden Erarbeitungen widerspiegeln.

Worauf dürfen wir uns in nächster Zukunft mit Blick auf Ihrer Fachkreisarbeit freuen?

Mathias Wernicke: Aktuell beschäftigen wir uns neben den genannten Themen noch stark mit dem agilen Auditieren und dem Thema „Auditorenkompetenz“. Unser nächstes großes Thema danach ist die Interne Revision, also die Überprüfung interner Prozesse auf Gefahren. Wir planen, über entsprechende Kontakte im Fachkreis Austausche mit Controllern und Revisoren zu organisieren. Das Ziel wäre der Abbau der Barriere zwischen internen Auditoren und internen Revisoren. Danach haben wir inhaltlich erstmal alle aktuell relevanten Themen abgearbeitet. Für uns heißt das, dass wir dann den Schwerpunkt auf die wiederholte Anwendung und Umsetzung sowie auf die Bewertung der neuen Herausforderungen legen; dass wir die Themen, die wir schon haben, entsprechend dem Zeitgeist immer weiterentwickeln.

Marita Großer: Mein Anspruch bei der Fachkreisarbeit ist immer, Dinge besser zu machen, sich zu fragen, wie funktioniert es besser, wie kann ich wirklich einen Beitrag leisten. Ich engagiere mich seit 2018 intensiv bei der DGQ und möchte gerne zurückgeben, was mir gegeben wurde. Dazu zählt, meine Erfahrungen mit einbringen zu können und dabei selbst auch weiter zu lernen. Denn es bleibt nicht immer so stehen wie es ist, die Welt verändert sich, darauf muss man reagieren. Das tun wir mit unserer Fachkreisarbeit und darauf freue ich mich.

 

Über den DGQ-Fachkreis Audit und Assessment

Der DGQ-Fachkreis Audit und Assessment setzt sich dafür ein, dass Audits als wirksames Mittel zur Unterstützung der Unternehmensführung eingesetzt und wahrgenommen werden, und nicht nur als notwendige Prüfung zum Erwerb des Zertifikats. Es ist das Ziel der Fachkreisarbeit, dass Audits als akzeptierte und wirksame Treiber in Organisationen eingesetzt werden, um Risiken und Chancen zu erkennen und Mehrwert zu erzeugen. Wenn Sie Interesse haben, sich aktiv im Fachkreis einzubringen und sich mit Experten zu diesem Thema auszutauschen, dann sprechen Sie das Leitungsteam unter fk-a@dgqaktiv.de an.

 

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Über den Autor: DGQ