Bringt die DIN 33961 Transparenz in den Boom von Fitness-Studios?20 | 09 | 16
Fast jedem ist es bereits aufgefallen: immer mehr Fitness-Studios entstehen und locken Kunden an. In jedem Bekanntenkreis befindet sich mindestens eine Person, die in einem Fitness-Studio angemeldet ist. Der eine geht mehr und der andere weniger dorthin. Diverse Youtuber locken neues und motiviertes Publikum an die Geräte und unzählige Fitness-Programme und -Apps versprechen den erhofften Erfolg.
Das Angebot an Fitness-Studios in den Städten wird immer größer, mancherorts schon fast unüberschaubar. Besonders zwei Trends lassen sich dabei feststellen: Die Aufteilung in einen Niedrig- und Hochpreissektor. Der Fitnessboom erfordert immer neue Angebote, um weiterhin Kunden zu gewinnen. So locken günstige Fitness-Studios mit immer niedrigeren Monatsbeiträgen, während hochpreisige Studios versuchen exklusivere Inhalte anzubieten.
Interessant wird es bei der Frage der Qualität und der Qualitätssicherung. Worauf sollten Betreiber von Fitness-Studios achten, unabhängig von ihrem jeweiligen Geschäftsmodell? Wir konnten zu dieser Frage ein Interview mit Simon Schrämli, Geschäftsführer der Bionic GmbH und Leiter von sieben Fitness-Studios in der Schweiz und in Schweden, durchführen.
Herr Schrämli, was halten Sie von dem Trend, dass sich immer mehr ein Niedrig- und Hochpreissegment bei Fitness-Studios durchsetzt?
Die Fülle unterschiedlicher Fitness-Studios und deren Angebote ist enorm. Gerade im unteren und mittleren Preissegment tummeln sich die meisten Anbieter. Im hochpreisigen Bereich trennt jedoch die Qualität des Angebots schnell die Spreu vom Weizen, obwohl die Zahlungsbereitschaft bei den Kunden durchaus vorhanden ist.
Ich denke, dass sich mittel- bis langfristig die Anbieter des mittleren Preissegments entscheiden müssen, ob sie ein Billiganbieter werden wollen und sich auf die Masse fokussieren, oder ob sie qualitativ hochwertige Dienstleistungen am Kunden erbringen wollen.
Wodurch zeichnet sich für Sie ein qualitativ hochwertiges Fitness-Studio aus?
Ich bin der Meinung, dass die drei Säulen Hygiene, Service und Personal den Unterschied in der Qualität ausmachen. Im Bereich Hygiene und Service können die Anbieter im mittleren Bereich noch mithalten. Die Billiganbieter kommen hier schon an ihre Grenzen. Wenn jedoch, wie bei hochwertigen Fitness-Studios, Kompetenz gefragt ist, haben die meisten Anbieter ein Problem, da die Nachhaltigkeit von Fachwissen und der hochwertige Kundenkontakt mit hohem Aufwand verbunden ist.
Sie sind selber Besitzer einer Fitness-Studiokette – welche Qualitätsmerkmale unterscheidet Sie und hebt Sie hervor? Auf welchen Aspekt legen Sie besonders wert?
Wie erwähnt, gilt es in den Bereichen Hygiene und Service permanent hohe Qualität zu liefern. Das Personal muss jederzeit in der Lage sein, dem Kunden zeigen zu können, dass neben der Infrastruktur auch die Dienstleistung am Kunden selbst top ist. Um hier fachlich und technisch immer am Ball bleiben zu können, schulen wir unser Personal kontinuierlich weiter. Das alleine reicht jedoch nicht aus. So legen wir wert auf regelmäßige Qualitätsaudits. Nur so können wir sicherstellen, dass die angebotene Leistung auch unseren Vorstellungen entspricht. Wir streben Qualität und Perfektion an. Das kostet, wird aber auch vom Kunden geschätzt.
Mit der DIN 33961 wird erstmals eine Norm zur Qualitätszertifizierung von Fitness-Studios eingeführt. Was halten Sie von solch einer Normierung und Zertifizierung?
Die Norm ist mir bekannt. In der Schweiz greift sie leider noch nicht. Aus meiner Sicht macht es jedoch Sinn, die DIN 33961 auch in der Schweiz einzuführen bzw. bereits schon anzuwenden. Bei vielen Normen und Regelwerken orientiert sich die Schweiz an bestehenden deutschen Gesetzgebungen. Wenn man sich jetzt schon vorbereitet, hat man später nicht das Nachsehen.
Anhand des DIN 33961 Zertifikats können sich die Endkunden endlich entscheiden, zu welchem Anbieter sie gehen und welche Leistungen sie dort erwarten und voraussetzen dürfen. Die Kunden laufen weniger Gefahr, an ein schwarzes Schaf zu geraten. Die Norm stellt eine dringend benötigte Transparenz im Fitnessmarkt her. Ich muss immer wieder feststellen, dass sehr viele Fitness-Studios gar nicht qualifiziert dazu sind, gewisse Dienstleistungen überhaupt anzubieten. Es sollen doch auch die Fitness-Studios belohnt werden, die der Qualität einen hohen Stellenwert geben, wovon die Kunden letztlich profitieren.
Wie wird der Prozess der kontinuierlichen Qualitätsüberprüfungen von Ihren Mitarbeitern angenommen und wie führen Sie diesen Prozess durch?
Wir haben extra eine Qualitätsbeauftragte eingestellt, die sich ausschließlich um die Qualitätserhaltung kümmert und für die Qualitätsüberprüfungen verantwortlich ist. Sie führt wöchentlich an allen Standorten die selben Prüfungen durch, um einen Vergleich zwischen den Standorten zu ermöglichen. Wir führen die Kontrollen deshalb so häufig durch, da wir permanent unser hohes Qualitätsniveau halten möchten und so sehr früh auf Qualitätsmängel reagieren können. Das Feedback unserer Kunden zeigt uns, dass diese Arbeitsweise sehr geschätzt wird. Vor allem, weil wir die Meinungen unserer Kunden im Rahmen eines Dialoges miteinbeziehen. Wir geben jedem Kunden somit die Möglichkeit, unsere Qualität aktiv mitzugestalten.
Qualitätskontrollen in Fitness-Studios erstrecken sich über die Bereiche Hygiene, Personal und Geräte. Wie schulen und unterweisen Sie Ihre Mitarbeiter?
Das Know-how unserer Mitarbeiter stellen wir durch regelmäßige interne und externe Schulungen in verschiedenen Bereichen sicher. Anhand der Schulungsinhalte und in Kombination mit unseren eigenen Qualitätsvorgaben generieren wir die Qualitätskontrollen – auch hier beziehen wir das Feedback unserer Mitarbeiter mit ein. Unsere Qualitätsbeauftragte hält gerade geschultes Wissen à jour. Unsere Qualitätskontrollen überprüfen den Umsetzungserfolg der Schulungen und dokumentieren ihn.
Mit welchen Herausforderungen werden Sie im täglichen Geschäft bei der Qualitätssicherung besonders konfrontiert und wie lösen Sie diese?
Mangelnder Personaleinsatz bzw. Druck auf die Personalkosten und Arbeitszeitverdichtung sind auch im Fitness-Studio-Bereich gang und gebe. Eine adäquate Vor- und Nachbereitung der Qualitätsaudits sowie deren Durchführung erfordert viel Zeit und kostet schließlich viel Geld. Die DIN 33961 schreibt aber regelmäßige Kontrollen vor. Wir haben uns daher lange überlegt, wie wir diesen Qualitätsprozess optimieren und schlank halten können, ohne Qualitätseinbußen hinnehmen zu müssen. Geholfen hat uns hierbei die stets fortschreitende Digitalisierung, die Einzug in unsere sämtlichen Arbeits- und Lebensbereiche erhält. Wir haben immer viel Zeit mit der Dokumentation verloren und auch unsere Mitarbeiter waren dem Papier zunehmend überdrüssig. In Zusammenarbeit mit einem jungen Startup aus Basel haben wir daher unseren Qualitätsprozess durch den Einsatz moderner Tools weiter verbessert und unsere Checklisten komplett digitalisiert. Gemeinsam mit meinen Kollegen kann jetzt jeder in Echtzeit auswerten, wo wir uns verbessern müssen.
Ich bin der Meinung, dass die Digitalisierung der Fitness-Studios nicht bei den Geräten aufhören sollte. Vielmehr sollten wir uns fragen, welche Sekundärprozesse wir optimieren können, um Zeit und Geld zu sparen. Nur so haben wir die nötigen Ressourcen frei, um den Kunden stets eine optimale Qualität durch alle Bereiche bieten zu können.
Was sind häufige Mängel bei den Fitness-Studios?
Herr Schrämli hat sehr passend beschrieben, dass im hochpreisigen Fitnesssegment besonders die Servicequalität der Mitarbeiter zählt. Ein hoher Standard bei der Infrastruktur und der Hygiene wird bei der zahlenden Kundschaft einfach erwartet. Worauf müssen sich Kunden von besonders günstigen Fitness-Studios einstellen? Unsere Erfahrung bei verschiedenen, sehr günstigen Fitnessketten hat gezeigt, dass besonders folgende Punkte immer wieder anzutreffen sind:
- Spinnweben und Staub in den Ecken- und Kantenbereichen
- fehlende Seife und Papier in den Toiletten
- defekte Spinde in den Umkleiden
- leere Empfangstresen
- nicht aufgefüllte Desinfektionseinheiten in den Cardio-Bereichen
- lockere und somit unsichere Hanteln im Freihantelbereich
- defekte Duschköpfe
- abgenutzte Seile und Gewichte
Was haben alle diese Punkte gemeinsam? Sie ließen sich alle mit relativ geringem Aufwand durch regelmäßige Qualitätskontrollen erkennen. Es ist ärgerlich, immer wieder den eigenen Trainingsablauf unterbrechen zu müssen, weil Geräte nicht mehr ordnungsgemäß funktionieren. Bei einem Monatsbetrag von unter 20 € ist es nicht verwunderlich, dass am Wochenende und in den späten Abendstunden meist kein Personal mehr anwesend ist, aber die Hygiene und Infrastruktur sollte doch zum Schutz der Kunden nicht vernachlässigt werden. Sicher gibt es Kundenkreise, die keinen Wert auf Betreuung oder Sauberkeit legen, aber genau dies soll mit der DIN 33961 für jeden (potentiellen) Kunden transparent aufgezeigt werden. Was darf der Kunden erwarten und was nicht? Es ist höchste Zeit, dass der Fitnessmarkt mit der DIN 33961 übersichtlicher wird und dass sich Betreiber fragen, wie sie ihre Prozesse vereinfachen können, um nicht an der falschen Stelle zu sparen.