Interview: Zeitgemäße Kompetenzen für zukunftsfähige Umweltmanager18 | 10 | 16
DIN EN ISO 14001 hat Geburtstag: Bereits seit 20 Jahren prägt die Umweltmanagement-Norm Unternehmen und Wirtschaft. Aus diesem Anlass habe ich zwei Experten befragt, was sich seit Entstehung der Norm getan hat. Wie müssen Umweltmanagementsysteme heute sein, um zum Unternehmenserfolg beizutragen, und welche Kompetenzen sind für Umweltmanagementbeauftragte wichtig? Christian Reckziegel und Eberhard Baran – beide seit vielen Jahren DGQ-Trainer im Bereich Umweltmanagement – haben mir diese und weitere Fragen beantwortet.
Herr Reckziegel, Herr Dr. Baran, Sie sind seit 15 Jahren als Trainer für die DGQ im Einsatz. Für die Umweltmanagementbeauftragten in unseren Lehrgängen sind Sie wichtige erste Ansprechpartner rund um ISO 14001. Wenn Sie auf diese Zeitspanne zurückblicken, was hat sich aus Ihrer Sicht in den Unternehmen und ihren Lösungen im Umweltmanagementsystem verändert?
EB: In den Anfängen ging es primär um eigenständige Umweltmanagementsysteme, der Ansatz zu integrierten Managementsystemen war noch nicht so ausgeprägt. Das hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Die neue High Level Structure aus der Normrevision wird diesen Prozess noch weiter beschleunigen. Auch das Thema Compliance hat sich aus meiner Sicht positiv weiterentwickelt. Die Identifikation von nicht nur umweltrechtlichen Pflichten wird mittlerweile in vielen Unternehmen sehr viel professioneller und detaillierter durchgeführt. Auch die Führungsebene ist hier deutlich sensibler geworden.
CR: In den Lehrgängen hat sich dementsprechend die Teilnehmer-Zusammensetzung verändert.Während in den ersten Jahren primär die klassischen Umweltbeauftragten in den Lehrgängen vertreten waren, sind es heute zunehmend Teilnehmer aus dem Qualitätsmanagement, die im Rahmen von integrierten Managementsystemen das Thema mitbetreuen. Dazu möchten sie Fach- und Methodenkompetenz zum Umweltmanagement vermittelt bekommen. Das ist auch ein Ausdruck der zunehmenden Verschlankung von Unternehmen in den Unterstützungsfunktionen. Mehr Arbeit auf weniger Schultern. Positiv ist die Entwicklung, dass das Umweltmanagement von einem Rand zu einem Mainstreamthema mutiert ist. Jeder hat es – ob nun gemocht oder erzwungernermaßen – auf dem Radarschirm und tut sein Bestes, Umweltmanagement professionell organisationsintern auszusteuern.
Wie haben sich diese Veränderungen auf die Umweltmanagementbeauftragten und ihre Aufgaben bis heute ausgewirkt? Hat sich auch deren Rolle und Leistung im Unternehmen verändert?
CR: Das ist natürlich sehr branchen- und organisationsgrößenabhängig: Die Bedeutung des Themas Energie hat aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre einen neuen Fokus bekommen und der Umweltmanagementbeauftragte hat mit dem Energiemanagementbeauftragten, oftmals in Form des Facility Managers, einen weiteren Kollegen auf der Managementsystemebene bekommen. Oftmals sind die Rollen auch miteinander kombiniert. Die low hanging fruits sind nach nunmehr 22 Jahren ISO 14001 geerntet und die Anforderungen seitens des Gesetzgebers tun ihr Übriges, um mit Blick auf das Anforderungsniveau an Organisationen und ihr Umweltmanagement keine Langeweile aufkommen zu lassen. Die höher hängenden Früchte sind Supply Chain und Produktdesign. Hier gibt es nach wie vor viel zu tun und der Umweltmanagementbeauftragte ist hier viel stärker in der Rolle des Moderators und Katalysators. Die revidierte ISO 14001:2015 hilft, auch hier stärker zu fokussieren.
EB: Die Rolle hat sich klar von dem Aufgabenpaket des betrieblichen Umweltbeauftragten weiter in Richtung Integration entwickelt. Der Systemansatz in Hinsicht auf die Integration ist je nach Branche, Unternehmensgröße, und Komplexität der Prozesse unterschiedlich ausgeprägt. Neben der Vollintegration aller Systeme lässt sich aber auch immer noch die fachspezifische Trennung zwischen dem Bereich Qualität und den zusammengefassten Bereichen Umwelt, Arbeits- und Gesundheitsschutz und Energie beobachten. Es macht aus meiner Sicht auch keinen Sinn, eine Vollintegration in allen Aspekten anzustreben, wenn die Schwerpunkte und Anforderungen in den Unternehmen eigentlich andere Lösungen erfordern. Deswegen sollte immer eine unternehmensspezifische Gestaltung der Managementsysteme erfolgen.
Die DGQ zielt darauf, die Unternehmen und Normexperten mit solcher Flexibilität auszurüsten. Welche Aspekte sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten in den Lehrgängen der DGQ, um Umweltmanagementbeauftragte in ihrer Praxis zu unterstützen?
CR: Den Teilnehmern gefällt das durchdachte Lehrgangskonzept mit inhaltlich hochwertigen Lehrgangsunterlagen und ein garantierter hochwertiger Standard. Sie schätzen, dass die Trainer aus der Praxis kommen, Beispiele einbringen und Norminterpretationen relativieren. Positives Feedback erhalten wir auch von den Teilnehmern, wenn wir ihren Erfahrungsaustausch untereinander interessant und lebendig gestalten. Insofern ist bei aller Standardisierung von Lehrgängen die Auswahl der richtigen Trainer auch ein Garant für gute Lernerfolge und positive Rückmeldungen der TN. Und da hat die DGQ offensichtlich ein gutes Händchen …
EB: Als positive Rückmeldungen von den Teilnehmern werden tatsächlich immer wieder das Einüben des Lehrgangsstoffs anhand von praktischen Beispielen, in Gruppenarbeit und der Erfahrungsaustausch aus den Praxiserfahrungen der Teilnehmer und Trainer genannt. Auch die zur Verfügung gestellten Hilfsmittel werden als hilfreich eingeschätzt. Mir ist es schon wiederholt passiert, dass ich einige Jahre nach einem Lehrgang in das Unternehmen eines Teilnehmers gekommen bin, und dort die im Lehrgang vermittelten Werkzeuge – mittlerweile weiterentwickelt – im Einsatz vorgefunden habe. Da erkennt man z. B. Tools zur Ermittlung und Bewertung von Umweltaspekten oder Kataster für Gefahrstoffe oder Genehmigungen.
Für viele Teilnehmer ist übrigens der Abschluss mit einem Zertifikat sehr wichtig. Das DGQ-Zertifikat wird als persönlicher Nachweis der Umweltmanagement-Kompetenz an den Standorten des eigenen Unternehmens genutzt oder auch mal gerne im Audit zu Kunden und Lieferanten kommuniziert.
Hinter den DGQ-Zertifikaten stehen professionelle Tätigkeitsprofile. Wichtig ist aber auch, wer eine solche Tätigkeit übernimmt. Wer wird eigentlich Umweltmanagementbeauftragter? Hat sich die Personenauswahl für diese Tätigkeit in den letzten 15 Jahren verändert?
CR: Ich greife da gerne noch einmal den Hinweis des Kollegen Baran auf: Die zunehmende Integration, so sinnvoll und zum Teil ökonomisch erforderlich sie auch sein mag, führt zu einem deutlich veränderten und sehr heterogenen Teilnehmerfeld. Es sind sehr viele Teilnehmer aus dem Qualitätsmanagement vertreten und die Vorkenntnisse zu umweltspezifischem Fach- und Methodenwissen sind z.B. beim Mitarbeiter aus der Produktion und aus dem Controlling sehr unterschiedlich. Diese Heterogenität bringt natürlich Herausforderungen im Training mit sich. Letztendlich spiegelt das aber die betrieblichen Realitäten wider. Ich sehe darin keinen Nachteil für die Akzeptanz und Leistungsfähigkeit von Managementsystemen in Organisationen: Die Akzeptanz eines Managementsystems hängt wesentlich stärker von der Persönlichkeit des Managementbeauftragten, seinem Standing in der Organisation, seinen Soft Skills und der öffentlich gezeigten Unterstützung durch die Organisationsleitung ab. Weniger davon, ob die Primärqualifikation Qualitäts- oder Umweltmanagement ist.
EB: Unternehmen sollten eher darauf achten, dass keine fachliche und zeitliche Überlastung der „Beauftragten für alles“ entsteht. Dieser negative Trend ist mittlerweile in vielen Unternehmen zu beobachten. Mehr Erfolg werden Unternehmen zukünftig haben, wenn sie die verschiedenen Fachkompetenzen in gut funktionierenden Teams bündeln.
Welche weiteren Erwartungen werden in Zukunft an die Kompetenzen von Umweltmanagementbeauftragten gestellt? Haben Sie eine Empfehlung für die DGQ-Weiterbildungen?
EB: Neben den Systemkenntnissen ist nach wie vor eine fundierte Basis Umweltfachwissen erforderlich. Die rechtlichen Kenntnisse werden zunehmend wichtiger, wobei es nicht darum geht, die Umweltmanagementbeauftragten zu Umweltjuristen zu qualifizieren sondern sie dahingehend zu schulen, wie z.B. einfache umweltrechtliche Anforderungen aus dem praktischen Alltag anzuwenden sind. Beispielsweise wie ich einen Abfall nach der Abfallverzeichnisverordnung einstufen muss oder unter welchen betrieblichen Rahmenbedingungen das Lagern von wassergefährdenden Stoffen auf einer Auffangwanne erforderlich ist. Das Wissen ist nicht selbstverständlich in Unternehmen und rechtliche Rahmenbedingungen ändern sich doch häufiger als gewünscht.
CR: Eine Neuerung tritt aus meiner Sicht mit der Forderung zur Lebenszyklusbetrachtung von Produkten und Dienstleistungen von ISO 14001:2015 ein. Meine Erfahrung als interner und externer Auditor zeigt mir, dass im Supply Chain Management, der Produktentwicklung und im Heben der tatsächlichen Potenziale im Lebensweg noch große Verbesserungen in der Umweltleistung zu erzielen sind. Organisationen beschäftigen sich 10, 15 oder 20 Jahre nach Einführung der ISO 14001 noch zu stark damit, nach dem letzten kg Abfall und der letzten kWh innerhalb des eigenen Werkszauns zu suchen. Statt dessen sollten sie den Blick heben und erkennen: Das ökologische Potenzial liegt vor dem Werkstor. Lasst uns die Supply Chain und die Entwicklung aktivieren, um dieses Potenzial zu heben. Der Fokus der Umweltmanagementbeauftragten muss daher noch viel stärker in Richtung SCM und Produktentwicklung ausgerichtet werden.
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