Still, still, still…22 | 12 | 15

Oh, du Fröhliche…

Viel Kluges, Besinnliches, Philosophisches, Religiöses, Wissenschaftliches wurde anlässlich der Weihnachtszeit geschrieben und gesagt. Zur Familie, zur Stille, zu Licht und Dunkelheit, zur Kommerzialisierung, zum Glauben und Nichtglauben und zu vielem mehr. Etwas Lustiges dürfte ich hier schreiben, hieß es. Das fand ich eine gute Idee. Dann erst wurde mir klar, ich kann und will das gar nicht. Man kann sich ja über alles und jeden lustig machen und das ist auch gut so. Humor muss ja nicht brachial und verletzend, er darf ja auch respektvoll und feinsinnig sein. Aber mich macht die Zeit am Jahresende eher nachdenklich als fröhlich oder gar lustig.

…alles ruht, einsam wacht…

Die Weihnachtszeit ist für mich immer eine herausragende Zeit des Jahres gewesen und ist es immer noch. In der Kindheit waren es die Spannung, die wohligen Rituale, das Zusammenrücken der Familie, die diese Zeit prägten. Jetzt, als Berufstätiger, ist es in erster Linie die Andersartigkeit der freien Zeit, die diese Zeit besonders macht. Da wir in der DGQ um Weihnachten herum keine Kranken versorgen, keine Produktion aufrechterhalten, nicht Brandwache halten und keine Züge fahren müssen, machen wir alle miteinander eine Woche, manche auch zwei Wochen frei. Und nichts brennt beruflich an in der Zeit, weil alle für ein paar Tage Ruhe geben. Wer keine Antwort auf seine E-Mail bekommt, niemand am Telefon erreicht, weiß warum und geduldet sich bis nach Neujahr. Die Weihnachtsferien sind eine Zeit der Ruhe. Endlich Ruhe. Ruhe!

Alle Jahre wieder…

„Zwischen den Jahren“ heißt die Zeit zwischen Weihnachten und Sylvester auch und schon als Kind fand ich es faszinierend, mich zwischen den Jahren zu befinden. Zwischen den Jahren habe ich Zeit zum Nachdenken und Zeit zum Vordenken. Die Arbeit lässt mich also gar nicht vollständig los, aber ich allein bestimme darüber, wie ich Zeit damit verbringe. Dabei muss ich weder effektiv noch effizient sein, ich darf diese Zeit verschwenderisch einsetzen, muss niemandem in der Firma Rechenschaft darüber ablegen. Ich ziehe mein Fazit über das vergangene Jahr. Da kommt nichts mehr, also kann ich es abschließend betrachten. Und weil ich mich zwischen den Jahren befinde, habe ich viel mehr kritische Distanz, als sich sie im Jahr noch hatte.

Was soll das bedeuten…

Ich sehe klarer, als in den Monaten zuvor, was gut und was schlecht war, weil in den kurzen dunklen Tagen mit ihrem anderen, angenehmen Rhythmus schnell eine wohltuende Distanz entsteht. Ich ziehe meine Schlüsse daraus, ziehe die Bilanz eines ganzen Jahres. Meine individuelle Gesamtbilanz, keine reine Unternehmensbilanz, keine rein private Bilanz. Das Private und das Berufliche bedingen einander so stark, dass ich auf Beides schauen muss, um mein Fazit ziehen zu können. Was will ich erhalten, was will ich vergessen, was muss, was will und was kann ich ändern. Was habe ich bewirkt, was habe ich nicht erreicht. Wer war mir wichtig, welche Kontakte will ich erhalten, welche beenden.

Morgen, Kinder, wird’s was geben…

Und ich kann das neue Jahr betrachten. Seine Grundstruktur liegt ja schon vor mir, ist vertraut. Wieder zwölf Monate, einige Meilensteine, vertraute und neue, sind gesetzt, viele Pläne schon skizziert. Ich sehe Dinge vor mir, die ich mir wünsche, die ich erreichen möchte, die ich erleben möchte. Ich mache neue Pläne, nehme mir Projekte vor. Über den Sinn und Unsinn, sich gerade zu Jahresbeginn Neues vorzunehmen, gar sein Verhalten ändern zu wollen, ist alles gesagt. Das kann ich gut ignorieren, denn es ist mein Bedürfnis, mir jetzt die Dinge vorzunehmen. Jetzt, zwischen den Jahren.

…wie treu sind deine Blätter…

Und ich kann eine Inventur machen, die Stapel an noch ungelesenen Büchern, Zeitschriften durchforsten, die Beute meiner Sammelleidenschaft, die wenigen unter Murmeln verschütteten Perlen herausziehen, betrachten und das andere ein für alle Mal weglegen, so dass es keine Last mehr ist, den Blick aufs Wesentliche nicht mehr verbaut. Ich kann meine Dateien ordnen, meine Vortragsfolien, die vielen Grafiken und Bilder. Vergessenes und verschollen Geglaubtes wird dabei zum Vorschein treten, das ist wie Geschenke auspacken, das ist wie Weihnachten. Das ist Weihnachten.

Fröhliche Weihnacht überall…

Ich wünsche Ihnen, Ihren Familien und allen, die Ihnen nahestehen eine gute, besinnliche und auch fröhliche Weihnachtszeit. Lassen Sie uns in guten Zeiten nie vergessen, dass es nicht allen so gut geht wie uns. Und lassen Sie uns in schlechten Zeiten darauf hoffen, dass die, denen es gut geht, für uns da sind.

Ihr

Benedikt Sommerhoff

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.