Durchbruch mit Qualitätspotenzial24 | 11 | 25

Seit Ende Januar gibt es im GKV-Hilfsmittelverzeichnis die Untergruppe „modulare Assistenzsysteme“. Darin sind bereits einige Produkte und Systeme gelistet. Zurückzuführen ist das auf eine Initiative der DGQ. Gemeinsam mit anderen Normungs-Expert:innen hat der DGQ-Fachbereich Pflege in 2024 einen Entwurf für diese Untergruppe geliefert, der vom GKV-Spitzenverband umgesetzt wurde.
Damit besteht nun für Hersteller die Möglichkeit, eine Aufnahme ihrer Produkte in das Verzeichnis zu beantragen. Dienstleister können mit den Kassen auf Basis der Produktlistung einen Leistungsvertrag schließen.
Zwischen Hoffnungen und Hindernissen
Die Pflege steht von allen Seiten massiv unter Druck. Die Bedarfe steigen aufgrund des demographischen Wandels, die moderne Kleinfamilie bietet keine generationenübergreifende Sorge mehr und die Politik fährt für die Sozialkassen einen strikten Kostendämpfungskurs. Gleichzeitig wandeln sich die Ansprüche in der Gesellschaft.
In dieser Zwangslage gibt es viele schlechte Lösungen, die in jedem Fall die Qualität der Pflege beeinträchtigen würden:
- Leistungen kürzen,
- noch mehr Pflege in den Laienbereich verlagern,
- Qualitäts-Anforderungen senken.
Die Situation ist ernst und gleichzeitig fehlen Ressourcen, um dem ungeheuren Bedarf hierzulande gerecht zu werden. In diesem Dilemma gelten technische Lösungen zunehmend als Hoffnungsträger.
Die gibt es aber nicht umsonst. Gerade die Finanzierung ist eine Hürde für die flächendeckende, nachhaltige und dauerhafte Nutzung. Auch schlechte Kooperation zwischen Herstellern und Anwendern, fehlendes Know-how bei der Implementierung und die mangelnde Standardisierung behindern den Einsatz. Und nicht zuletzt gibt es einen fortdauernden Diskurs an der Schnittstelle zu Medizinprodukten, die noch weitreichenderen Auflagen unterliegen.
Facettenreiches Angebot
Die Bedarfe sind groß und das Angebot ist vielfältig. Assistenzsysteme sind längst keine Zukunftsvision mehr, sondern bereits fester Bestandteil vieler Einrichtungen und Privathaushalte. Besonders relevant sind derzeit fünf Anwendungsfelder: Notrufsysteme, Präventionsmonitoring, Tracker, digitale Dokumentation sowie assistive Smart-Home-Technologien. Sie erhöhen Sicherheit und Selbstständigkeit, unterstützen Pflegekräfte durch frühzeitige Erkennung von Risiken, erleichtern die Betreuung orientierungseingeschränkter Personen, verringern den Verwaltungsaufwand und fördern durch Automatisierung den Alltag Pflegebedürftiger.
Zahlreiche Beispiele zeigen, dass intelligente Systeme nicht die Beziehungsarbeit ersetzen, sondern die Pflege- und Lebensqualität für Pflegende wie auch für Pflegeempfangende verbessern können.
Hohe Hürden für Anerkennung und Finanzierung
Die Zulassung von Assistenzsystemen im Rahmen der gesetzlichen Versicherungen ist eine Voraussetzung für eine dauerhafte Finanzierung. Nach wie vor stellt die aber für Hersteller und Leitungserbringende eine häufig unüberwindbare Hürde dar. Es gibt dafür vor allem zwei Wege:
- Die vorangegangene große Koalition hat 2021 die sogenannten Digitalen Pflegeanwendungen (DiPA) eingeführt. Das sind Applikationen für elektronische Geräte wie Smartphones oder Tablets, die personenbezogene pflegerelevante Daten auswerten und entsprechende Interventionen vorschlagen. Das Zulassungsverfahren für DiPAs liegt beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). In den fünf Jahren seit der Einführung ist keine DiPA zugelassen worden. Der Hauptgrund liegt in dem Zulassungsmechanismus, der sich an Medizinprodukten orientiert. Die damit verbundenen Anforderungen sind für Pflegehilfsmittel ungeeignet und stellen eine unüberwindbare Hürde für Herstellende dar.
- Kranken- und Pflegeversicherung verfügen über ein gemeinsames Hilfsmittelverzeichnis. Sind Produkte oder Systeme in dem entsprechenden Katalog verzeichnet, so können die Kosten dauerhaft von der Pflegekasse übernommen werden. Voraussetzung ist auf Basis dieser Zulassung ein entsprechender Dienstleistungsvertrag mit der jeweiligen Kasse. Solche Regelungen gibt es für eine Reihe von Systemen wie zum Beispiel für den Hausnotruf oder für Sturzerkennungssysteme. Für intelligente, pflegebezogene Assistenzsysteme gab es bisher kein entsprechendes Zulassungsverfahren.
Wendepunkt für Assistenzsysteme in der Pflege
Die Potenziale für die Qualität in der Pflege sind erheblich. Sie reichen vom Effizienzgewinn über eine Steigerung der Lebensqualität bei Pflegenden und Pflegeempfangenden bis zur Stärkung der Autonomie von Menschen mit Unterstützungsbedarf.
Nun sind Herstellende und Leistungserbringende am Zuge. Es ist an ihnen, die Chancen zu erkennen, die eine Zulassung als Pflegehilfsmittel bringen und sich Handlungsspielräume durch entsprechende Leistungsverträge mit den Kassen sichern.
| Teilnahme am DGQ-Fachkreis Qualität in der Pflege Der DGQ-Fachkreis Qualität in der Pflege hat sich zum Ziel gesetzt, die interdisziplinäre Vernetzung und den sektorenübergreifenden Austausch zu aktuellen fachbezogenen Themen zu fördern. Der Fachkreis versteht sich als engagierte und dynamische Gemeinschaft von DGQ Mitgliedern, die sich leidenschaftlich für die Förderung von Qualität und Innovation in der Pflege einsetzen. Er vertritt eine integrierte Sicht der Qualität, indem die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden. Wenn Sie Interesse an einer Mitarbeit im DGQ-Fachkreis Qualität in der Pflege haben, informieren Sie sich hier. |