12 Sätze, die Ihr QM verbessern – 3. Satz: Das ist gut genug6 | 04 | 23
Kontinuierliche Verbesserung ist ein bedeutendes Grundprinzip unserer menschlichen Zivilisation. Nicht nur die evolutionäre natürliche Varianz und Auslese hat uns über zehntausende Generationen immer leistungs- und anpassungsfähiger gemacht. Mit eigener Kreativität haben die Menschen innerhalb ihrer vergleichsweise dazu kurzen Lebensspanne Werkzeuge und andere materielle und immaterielle Güter geschaffen und immer weiter verbessert.
Kontinuierliche Verbesserung wurde auch zum Grundprinzip des Qualitätsmanagements. Dennoch muss es, zumindest temporär, auch immer ein Gut-genug geben. Ein Quality Freeze entsprechend einem Design Freeze, das Einfrieren eines Qualitätsniveaus. Zunächst einmal muss der Grad der Produktqualität strategiekompatibel sein. Und die Strategie marktkompatibel. Ist es markttaugliche Strategie, wenige und geringe Anforderungen zu erfüllen, dann ist in unserem Verständnis bei Erfüllung dieser Anforderungen einhundert Prozent Qualität gegeben. Dennoch ist unser Produkt dann in den Augen vieler schlechter als eines, welches mehr und höhere Anforderungen erfüllt.
Anforderungen überzuerfüllen wird wahrscheinlich das Anforderungsniveau steigern und kann uns in eine Verbesserungsspirale treiben, die uns bis zum ökonomischen Ruin und prozessualem Versagen überfordern kann. Also Vorsicht, wo und wann wir kontinuierliche Verbesserung wollen und zulassen.
Auch im beruflichen Alltag muss oft gelten, „das ist gut genug“. Wir müssen ja auch einmal fertig werden. Viel und schnell gut genug statt selten und langsam das Beste, was mir möglich gewesen wäre, ist die Prämisse meiner Arbeit. Agiles QM ist für mich auch ein QM, das Experimente mit Unfertigem („Das ist für ein erstes Ausprobieren gut genug.“) zulässt – dann aber schnell lernen und auch verbessern muss. Zu oft ist der Anspruch, alles vorab zweihundert Prozent durchdacht und abgesichert zu haben – wodurch viele Projekte nie fertig werden oder letztlich verkopft und praxisuntauglich ausfallen. Das QM kenne ich als besonders anfällig dafür.
Statt „schneller, höher, weiter“ zu streben, können wir einmal überlegen, was Minimum Viable Quality (MVQ), die minimal lebensfähige Qualität unseres Produktes oder Tuns sein muss. Diese Überlegung adaptiert die Idee des Minimum Viable Products, des (neuen) Produktes, das zunächst einmal nur seine Basisfunktion erfüllt, auf das Qualitätsmanagement. Sie stammt aus der Start-up Szene, wo Schnelligkeit wichtiger als Funktionsvielfallt, interaktives Lernen wichtiger als präventives Durchdenken ist.
Kontinuierliche Verbesserung treibt uns voran und wir sollen und dürfen sie nicht stoppen. Wir müssen manchmal nur besser überlegen, wann, wo und wie lange wir sie ruhen lassen. Das ist gut genug.
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Die Idee für diese Reihe habe ich dem Buch „50 Sätze, die das Leben leichter machen“ von Karin Kuschik (rororo 2022) entnommen. Ich fand sie großartig und deshalb habe ich sie für uns aufgegriffen.
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