Vergessen Sie’s! – die neue DGQ-Reihe29 | 01 | 20
Viele Artikel starten heutzutage mit der Aussage „In Zeiten der Veränderung…“, usw., Sie kennen das, haben es oft genug gehört und gelesen. Es ist ja auch wirklich so, dass wir eine Anzahl, Tiefe und Verbreitungsgeschwindigkeit von Innovationen haben, wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Und diese enorme Innovationsdynamik führt in eine extreme Veränderungsdynamik. Wir erleben neuartige Technologien und daraufhin neuartige Produkte, Dienstleistungen und Prozesse. Wir sind mit neuartigen Geschäftsmodellen konfrontiert. Organisationen suchen und experimentieren mit neuen Führungsansätzen und Organisationformen. Das alles stellt auch das Qualitätsmanagement in Frage und löst den Ruf und die Suche nach geeigneten neuen QM-Ansätzen aus. Das klassische, etablierte Qualitätsmanagement entstand schließlich in ganz anderen Zeiten für ganz andere als die heutigen Herausforderungen.
Zwei Aspekte sind wichtig, wenn wir uns überlegen, ob und wie wir das Qualitätsmanagement innovieren und verändern wollen. Was machen wir anders? Und wovon trennen wir uns, um Platz für Neues zu schaffen? Ein Aspekt des Trennens ist das Vergessen von nicht mehr Relevantem, mittlerweile Überflüssigem, und damit wollen wir uns 2020 in einer kleinen Beitragsreihe im DGQ-Blog befassen. Denn wir haben den Kopf voll, eigentlich übervoll. Und wie das in Zeiten großer Innovationsdynamik ist: auf uns strömt immer mehr neues, relevantes Wissen ein, lässt unsere Köpfe rauchen. Da sollten wir doch einmal entrümpeln, „entlernen“, wie es Pädagogen und Psychologen nennen. Denn nicht selten hindert uns unser altes Wissen daran, neue Lösungsräume zu öffnen und zu betreten. Wir folgen auch unter Innovations- und Veränderungsdruck eher den eingetretenen Pfaden. Wüssten wir einiges nicht, was wir wissen, wäre es leichter, Neuartiges zu erfinden, auszuprobieren und zu etablieren.
In Zeiten des Umbruchs ist das „Entlernen“ in unserem Fachgebiet demnach eine notwendige Voraussetzung für das Lernen von Neuem. Zwar haben wir in den letzten Jahren einiges vergessen, aber aus den falschen Motiven und unter fragwürdigen Umständen. Wir haben Wissen und Können aufgegeben, weil es schwierig und anstrengend war. Wir haben die meisten der ehemals im Fachgebiet vorhandenen mathematischen Kompetenzen verloren – und suchen jetzt Mathematiker als Data Scientists. Wir können dutzende Werkzeuge nennen, dafür aber die sieben Qualitätswerkzeuge, einfachste Visualisierungs- und Analysewerkzeuge, im Alltag nicht mehr anwenden. Die Qualitätsingenieure waren vor 40 Jahren Vorreiter der Computerisierung. Heute sind wir digital abgehängt. Wir haben uns den Kopf mit Normentexten und Auditfragen vollgepackt, lernten, wie wir Abweichungen wegdiskutieren, Probleme schönreden, Reklamationen ablehnen. Doch die dringend benötigte pädagogische, psychologische, sozialwissenschaftliche Kompetenz, die unsere Aufgaben zur Herstellung systemischer Qualitätsfähigkeit des Unternehmens heute erfordern würden, die haben wir uns viel zu wenig angeeignet.
Mit „Vergessen Sie‘s!“ wollen wir mit Humor, aber vor und mit ernstem Hintergrund, regelmäßig im DGQ-Blog Vorschläge zum Entlernen, dem Vergessen von unnütz gewordenem Wissen machen. Und schaffen so Platz für das, was wir neu wissen und können müssen.
Sie können sich gerne einbringen. Machen Sie uns doch bitte selbst Vorschläge, was für Sie zum Vergessen, zum Entlernen in Frage kommt. Wir greifen Ihre Ideen gerne in unserer kleinen Blogserie auf.
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