Umgang mit der Krise – wie sehr verändert sich unsere Wirtschaft und damit QM und QS?1 | 04 | 20

Im Netzwerk der DGQ setzen wir uns seit einigen Jahren intensiv mit den Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft auseinander. Daraus leiten wir ab, welchen neuen Anforderungen sich unser Fachgebiet gegenübersieht und welche neuen Möglichkeiten entstehen und entwickeln daraufhin neue Ansätze. Als Deutsche Gesellschaft für Qualität leisten wir somit einen Beitrag zur Innovation und Transformation von Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung. Gerade versuchen wir zu verstehen und Schlüsse daraus abzuleiten, was die aktuelle Lage bedeutet und ob und wie sie die Innovation und Transformation von QM und QS verändert oder beschleunigt.

Unser Blogbeitrag Umgang mit der Krise – was müssen Sie in QM und QS nun beachten? offerierte eine Liste mit Handlungsempfehlungen. Ein Kommentar dazu hat mich zum Nachdenken gebracht. Er stammt vom DGQ-Mitglied Jörg Roggensack, den ich aus der Zusammenarbeit in unseren Fachkreisen kenne und schätze. Er schrieb unter anderem:

„Nach einer Krise wird ggf. einiges anders sein, jedoch muss nach der Krise eine Organisation weitestgehend wieder in den bisherigen Modus gehen, um zu funktionieren. Denn jede Organisation ist ein Teil des gesamten Systems „Erde“. Also nicht alles über den Haufen schmeißen, sondern auch an bisherigen funktionierenden Abläufen festhalten. Panik und Chaos sind die größten Feinde einer Krise.“

Wir haben als Qualitätsmanager unseren Anteil daran gehabt, gut funktionierende und qualitätsfähige Organisationen zu gestalten. Unser Idealbild einer Organisation ist die schlanke Prozessorganisation, die „Operational Excellence“ erreicht oder auf dem Weg dahin zu großer Reife gekommen ist. Einen derartigen Zustand schnell wieder zu erreichen streben die Unternehmen zurecht an. Im oben verlinkten Blogbeitrag zum Thema Krise gehörte zu den Handlungsempfehlungen auch, nun Innovationen in QM und QS voranzutreiben und das bisherige Qualitätsmanagement in Frage zu stellen. Jörg sah wohl auch auf Basis dieser Empfehlung die Notwendigkeit, darauf hinzuweisen, dass wir „nicht alles über den Haufen schmeißen“ dürfen.

Wir dürfen allerdings nicht idealisieren, was war. Wir hatten und haben massive Qualitätsprobleme, Rekordrückrufzahlen, eine zu langsame Digitalisierung, besonders zu wenig innovative digitale Geschäftsmodelle, was uns weltweit ins Hintertreffen setzte. Schlüsselbranchen stecken im Umbruch fest. Überreglementierung und Überformalisierung führen in vielen Branchen in den alltäglichen Regelbruch, die Qualitätsehrlichkeit hat immer weiter abgenommen. QM hat an Wirksamkeit und Akzeptanz eingebüßt. In der DGQ haben wir das analysiert und beschrieben. (Siehe dazu „Von der Qualitätspolitik zur Qualitätsstrategie“ und „Slowware oder Quickware“)

Die weltweite Krisenreaktion trifft nun eine in weiten Bereichen fragile Wirtschaft und offensichtlich fragile globale Gesellschaft ins Mark. Als es vor einigen Tagen hieß, danach werde nichts mehr so sein, wie vorher, war ich skeptisch. Bisher sind wir nach Krisen doch auch wieder in den alten Zustand zurückgekehrt, zu denselben Mechanismen, die uns in die Krise geführt hatten. Und das soll jetzt anders sein? Die Nachrichtenlage entwickelt sich allerdings rasant weiter, mehr und mehr Ökonomen, Mediziner und Politiker erwarten eine lange schwierige Phase, sodass es wirklich sein kann, dass wir einiges dauerhaft verändern werden. Ich halte das für eine große Chance.

Daher will ich mich an Jörgs Rat halten und besser differenzieren. Wir haben die Pflicht, in vor der Krise funktionierende Modi der Organisation zurückzufinden. Zusätzlich aber werden wir vor der Herausforderung stehen, unsere Organisationen und mit ihnen das Qualitätsmanagement und die Qualitätssicherung neu erfinden zu müssen. Die Notwendigkeit bestand eigentlich schon vor Beginn dieses denkwürdigen Jahres. Die aktuelle Lage und ihre massiven zu erwartenden Folgen bekräftigen sie nur. In der Managementsystemgestaltung wird organisatorische Resilienz eine große Rolle spielen müssen. Darüber hinaus geht es um die Steigerung der Resilienz der verwobenen Liefer- und Partnernetzwerke, von denen jede einzelne Organisation abhängig ist. Mehr Resilienz zu bekommen wird neue und neuartige Anforderungen an das Managementsystem bedeuten. Viele bisherige Anforderungen hingegen werden wir aufgeben wollen und müssen.

Faszinierend ist für mich jetzt schon, in unserer DGQ zu sehen, wie Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Mitglieder, Trainerinnen und Trainer in der schweren Zeit zusammenstehen, wie groß die Bereitschaft und der Mut zu grundlegenden Veränderungen ist. Wie schnell gerade unsere eigene Digitalisierung voranschreitet und wie schnell wir neue Produkte entwickeln.

  • Wie sieht es in Ihrem Unternehmen aus?
  • Was sind Ihre Ideen und woran arbeiten Sie gerade?
  • Was werden wir anders machen müssen?
  • Welche Chancen erkennen und ergreifen Sie in der Krise?

Über den Autor: Benedikt Sommerhoff

Benedikt Sommerhoff leitet bei der DGQ das Themenfeld Qualität & Innovation. Er beobachtet, analysiert und interpretiert die Paradigmenwechsel und Trends in Gesellschaft und Wirtschaft sowie ihre Wirkungen auf das Qualitätsmanagement. Seine zahlreichen Impulse in Form von Publikationen und inspirierenden Vorträgen geben Orientierung in Zeiten des Wandels. Sie ermutigen zur Neukonzeption des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten des DGQ-Netzwerks aus Praxis und Wissenschaft arbeitet Sommerhoff in Think Tanks und Pionierprojekten an der Entwicklung, Pilotierung und Vermittlung innovativer Konzepte und Methoden.

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