Tag der Pflegenden 2021 – Wer bleibt dabei?12 | 05 | 21

Durch die Corona-Pandemie hat die Pflege aktuell eine öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, die ihr trotz Pflegenotstand und sich weiter verschärfender Ressourcenlage zuvor nie zuteilwurde. Mit dem nahenden Sommer und dem Impffortschritt wird die Zahl der Intensiv-Patienten hoffentlich sinken. Wenn sich die Situation entspannt, wird aber auch der mediale Hype um die Pflege voraussichtlich ein schnelles Ende finden. Dann ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Zu Buche schlagen eine unsägliche Diskussion über Corona-Zulagen, mehrere politische Initiativen zur Verbesserung der Vergütungssituation mit unklarem Ausgang sowie die weiterhin drängenden Probleme durch die Überregulierung, vor allem in der Langzeitpflege. Kurz gesagt: Bislang zwar viel Applaus, aber insgesamt wenig Änderung. Stattdessen stellt sich ein gravierendes Problem ein: die Zahl der Berufsabbrecher steigt.

Herausforderung Mitarbeiterbindung

Tatsächlich stehen jetzt Einrichtungsleitungen von der ambulanten Pflege über das Heim bis hin zum Krankenhaus vor der Frage: wie halte ich meine Mitarbeiter in der Pflege?

Es gibt zu diesem Thema nicht erst einen Lösungsansatz. Klar ist auch, dass Fragen wie die gesellschaftliche Bewertung sozialer Berufe, die Vergütung systemrelevanter Dienstleistungen und die Emanzipation ganzer Berufszweige öffentlich diskutiert und zu massiven Veränderungen führen müssen. Selbst wenn in dieser Hinsicht krisenbedingt etwas in Gang gekommen ist, so ist davon im Moment noch keine Pflegekraft gewonnen.

Die Hochschule Kempten hat die Ergebnisse einer Untersuchung vorgestellt, die auch die aktuellen Veränderungen durch die Corona-Situation in der Mitarbeiterbindung untersucht (s. hier). Dabei wurden Pflegekräfte über die Pflegesegmente hinweg befragt, schwerpunktmäßig aus der Klinik. Die Erhebung sollte ermitteln, was die Arbeitszufriedenheit der Pflegenden verbessert und unter Berücksichtigung der Corona-Situation zur Mitarbeiterbindung beiträgt.

Interessant ist, dass die untersuchte Region bei der Frage des allseits beklagten Personalmangels im Vergleich bisher noch relativ gut wegkam. Beigetragen dazu hatten im Allgäu verschiedene erfolgreiche Initiativen. Trotzdem stößt man auch dort nun an Grenzen.

Geld spielt eine Rolle

Die Studienresultate zeigen eine Handvoll von Lösungsmöglichkeiten auf, welche die Tendenz von Pflegekräften zum Weggang verringert. Auffällig ist, dass ausdrücklich die Vergütung die größte Rolle spielt. Das wurde bisher von vielen Seiten nicht so gesehen und eine bessere Bezahlung allenfalls als gleichwertig mit anderen Kriterien eingestuft. Wenn das aber schon für das ehedem besser bezahlte Klinikpersonal gilt, welches die Ergebnisse maßgeblich beeinflusst hat, dann wohl erst recht für die Gehälter in Heimen und in der ambulanten Pflege, die im Durchschnitt 600 Euro im Monat niedriger liegen.

Psychologische Effekte und allen voran die Kommunikation sind ein weiterer Schlüssel für die Mitarbeiterbindung. Erwartungsgemäß spielt dabei Führungskultur eine große Rolle. Zu den Instrumenten, die hier gefragt sind, gehören Maßnahmen zum „Team-Building“, aber auch eine agile Dienstplangestaltung. Insgesamt sollte die Unternehmenskultur auch individuellen Bedürfnisse berücksichtigen und eine familienfreundliche Umgebung schaffen.

Und schließlich kann auch die Nutzung von Technik eine große Rolle für die Mitarbeiterzufriedenheit und die Personalbindung spielen. Voraussetzung ist, dass Technik maßvoll eingesetzt wird und die Mitarbeiter den praktischen Nutzen für den Pflegeprozess unmittelbar erfahren können. Außerdem müssen die entsprechenden Kompetenzen und das Know-how mit dem Einsatz von Technik wachsen.

Andere Länder machen es vor

Die Äußerung von Wertschätzung hat sich abgenutzt, weil sich doch zu wenig tut. Obwohl die Attraktivität für Interessenten an Pflegeberufen nicht allein dadurch steigt, ist doch eines ganz klar: für diejenigen, die dort Wurzeln schlagen wollten und den Laden nun am Laufen halten, stellt eine sehr ordentliche Vergütung einen wichtigen Wert dar. Dass dies funktioniert, zeigt ein Blick in Länder wie die Schweiz, Schweden und Norwegen oder die Niederlande, wo überall mehr für die Attraktivität der Pflegeberufe getan wird. Mit dieser Perspektive könnte man die hoffentlich langfristig abflauende Corona-Pandemie als Chance für dringend notwendige Änderungen im Pflegesystem sehen. Dann könnte man vielleicht schon beim nächsten „Internationalen Tag“ den Pflegenden die zuversichtliche Antwort auf die eingangs gestellte Frage geben: es bleiben vielleicht immer noch nicht genug, aber wir sind auf einem guten Wege!

Über den Autor: Holger Dudel

Holger Dudel ist Fachreferent Pflege der DGQ. Er ist gelernter Krankenpfleger und studierter Pflegepädagoge und Pflegewissenschaftler. Er hat zuvor Leitungsfunktionen bei privaten, kommunalen und freigemeinnützigen Trägern der Langzeitpflege auf Bundesebene innegehabt. Qualität im Sozialwesen bedeutet für ihn, dass neben objektiver Evidenz auch das „Subjektive“, Haltung und Beziehung ihren Platz haben.

2 Kommentare bei “Tag der Pflegenden 2021 – Wer bleibt dabei?”

  1. 44067b1c1599613806a90347d510bf07 Regina Roos sagt:

    Guten Tag, Holger,
    Sehr motivierende Publikation.
    Lassen Sie uns alle gemeinsam den Tag der Pflege zu einem Tag der persönlichen Ziele machen. Pflege hat nichts mit Alter zu tun. Jeder von uns kann in die Lage der Pflege kommen, ein Unfall verschultet oder unverschuldet, oder eine Krankheit oder ein Herzinfarkt.

    Es muss bereits bei der Ausbildung beginnen. Mein Wunsch wäre es, dass jeder Arzt vor seinem Studium fünf Jahre in der Pflege arbeitet – „Back to the roots“ . Erst persönliche Erfahrung sammeln, dann kann man mitreden

    Digitalisierung und Einführung von Robotern in der Pflege sind notwendig. Wir sollen dies nicht als einen Avatar betrachten, sondern diese Mobilität foerdern.

    Mein persönliches Commitment für 2021 ist das eine Fokusierung auf den ländlichen Raum notwendig ist.
    Um Seniorinnen und Senioren einem digitalen Alltag näher zu bringen, sollte der informationsorientierte Verbraucherschutz hin zu einer regionalen und gemeinsamen Nutzerbefähigung ausgerichtet werden. Hier kann auch DGQ im Rahmen der Normen mit beinflussen.
    Für die Übertragung normativer Politikleitlinien in lokale Gegebenheiten wäre eine Lernumgebung, in der Verbraucherinnen und Verbraucher gemeinschaftlich teilnehmen, geeignet. Hier sind mehr Fördergelder gefordert.
    Für eine solche Neuausrichtung sollte die Zusammenarbeit von Verbraucherpolitik,  -forschung und -bildung weiter verstärkt werden. Ich werde mich daran beteiligen.
    Die Überwindung der ‚digitalen Kluft‘ bekommt im ländlichen Raum eine besondere Qualität. Konsum und Nutzung sozialer Medien bedeutet vor allem auch gesellschaftliche Teilhabe der Individuen , Zugang zu digitalen Lebenswelten immer wichtiger.
    Besonders im Zuge der Pandemie wurde alters-unabhängig für Menschen in der Reha oder Haus-Pflege der menschliche Kontakt zu einer Herausforderung, die bereits jetzt psychische Wunden hinterlassen. – Mit digitalen Konzepten können wir hier positiv entgegen wirken.

  2. Danke für Deinen Beitrag, Holger!
    Der Blick über die Grenzen Deutschlands zeigt übrigens auch, dass es neue Narrative zur Pflege gibt. Während unsere (Alten-)Pflege noch im Jammermodus ist, hat es in den von Dir benannten Ländern eine Entwicklung in Konzepten und Inhalten, der Finanzierung und Professionalisierung gegeben. Dabei sind die Löhne also nur ein Teilaspekt. Damit also neue Geschichten erzählt werden können gilt es, Modelle des Gelingens zu schaffen.

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