So sieht’s aus: Mensch bleiben trotz oder mit Digitalisierung27 | 10 | 21
Als Homo Faber, „schaffender Mensch“, gestalten wir seit Jahrtausenden unsere Umwelt. Natürlich stoßen wir dabei auch an die Grenzen mächtiger Naturgewalten – und an eigene Grenzen. Doch sehr weitgehend haben wir unsere Lebensräume selbst gestaltet. Allerdings nicht immer zum Vorteil aller.
Viele sind wir geworden, 7.897.625.112 sind es jetzt, während ich dies schreibe und pro Sekunde werden vier bis fünf Menschen geboren, zwei sterben. In Deutschland mit seinen „nur“ 83.212.728 Menschen stehen uns überdurchschnittlich viele Ressourcen zur Verfügung, die meisten Menschen auf der Welt haben weniger, auch sehr viel weniger als wir.
Machen uns unser Errungenschaften eigentlich glücklich? Manchmal scheint es mir, als passen das Maß an zivilisatorischen Errungenschaften einerseits und das Maß an Glücklich sein andererseits nicht zusammen. Unsere Errungenschaften, die uns eigentlich entlasten sollen, haben neue Ängste, Sorgen und Belastungen geschaffen. Einerseits ist es ohne Digitaltechnik in Landwirtschaft, Infrastrukturmanagement, Logistik, Produktion, Dienstleistung und Handel schon heute nicht mehr möglich, die fast 8 Milliarden Menschen zu ernähren und darüber hinaus mit dem Nötigsten zu versorgen. Andererseits erzeugt sie Dynamiken, denen viele Menschen psychisch nicht mehr gewachsen sind.
Wir laufen insbesondere im Arbeitsleben Gefahr, die Menschen an den Rand zu drücken oder sie gar überflüssig zu machen. Denn im Laufe der Geschichte haben wir, vor allem durch die Digitalisierung, immer mehr unserer Fähigkeiten (s. Grafik) substituiert: Maschinen haben uns von schwerer körperlicher Arbeit entlastet. Nach und nach haben sie auch unsere Fähigkeit zur Feinmotorik ersetzt. Künstliche Intelligenz (KI) greift jetzt sogar unser Wissensmonopol an. Zwar bietet diese Entwicklung zahlreiche Vorteile, so z.B. die Bewahrung vor körperlichen und psychischen Schäden durch schwere, stupide oder auf andere Weise belastende Arbeit. Doch sie beraubt auch immer mehr Menschen der Möglichkeit, sich mit ihren spezifischen Fähigkeiten nützlich und sinnvoll einzubringen.
Ein Alleinstellungsmerkmal kann uns erhalten bleiben: die Fähigkeit zur Empathie. Ich will nicht glauben, dass wir das jemals an KI delegieren können und werden.
In unseren Rollen als Qualitätsingenieur:innen und Qualitätsmanager:innen sind wir oft beteiligt an der fortschreitenden Technisierung und Digitalisierung unserer Unternehmen. Wir können und sollen diese nicht aufhalten. Im Gegenteil, wir sind dazu verpflichtet, alle Register zu ziehen, um Ressourcenverbrauche zu senken, Fehler und Schäden zu verhindern und Produktqualität für Menschen zu steigern. Die Digitalisierung schafft dafür beindruckende neue Möglichkeiten. Wir haben aber auch Verantwortung für unsere eigene Arbeits- und Lebensqualität. Und wir haben Mitverantwortung für die von anderen Menschen, Mitarbeitenden, Kolleginnen und Kollegen im eigenen Unternehmen, bei Kunden und bei Lieferanten.
Die Technik, Unternehmen und die Wirtschaft sind keine fühlenden Akteure. Wenn wir postulieren, der Wirtschaft oder den Unternehmen müsse es gut gehen, dann nur, damit es Menschen gut geht. Geht es einem Unternehmen gut aber seinen Menschen schlecht, haben wir etwas falsch gemacht. Wir müssen Menschen wieder stärker in den Fokus nehmen.
In der DGQ wollen wir den „Fokus Mensch“ setzen und Themen und Inhalte sammeln und ausarbeiten, die uns helfen, menschengerechte Produkte, Prozesse, Managementsysteme und Organisationen zu gestalten. Und solche Themen und Inhalte, die uns ganz persönlich helfen uns gesund zu erhalten, Arbeits- und Lebensfreunde zu gewinnen und auch anderen eine Ressource dafür zu sein.
Was sind Ihre Erfahrungen und Bedürfnisse zum „Fokus Mensch“?
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