Was sagt der Koalitionsvertrag zum Thema Qualität27 | 01 | 22
Als am 24. November die Koalitionäre den Abschluss ihres Vertrages mitteilten, haben sie ihn unmittelbar digital veröffentlicht. In den Redaktionen begann sofort die Lektüre und nur Minuten später gingen schon erste schnelle Meldungen und Einschätzungen heraus. Da die Verhandlerinnen und Verhandler diesmal wirklich dichtgehalten hatten, hatte niemand einen Informationsvorsprung.
So ein Koalitionsvertrag ist faszinierend. Es ist der zweite seit 2018, den ich gelesen habe. Ich finde ihn ein in vielerlei Hinsicht erstaunliches Dokument. Er hat enormes Gewicht für unser Land, kommt aber in Form, Sprache und durchaus streckenweise auch inhaltlich doch nahezu profan daher.
Einiges ist recht konkret und detailliert. Vieles wirkt eher vage, geradezu unverbindlich – und gibt den so unterschiedlichen Partnern auf diese Weise weiterhin Spielräume für wohl notwendige schwierige Konkretisierungen und Konsensbildungen. Einige Themen ziehen rote und strategische Fäden durchs ganze Dokument: Klimaschutz, Digitalisierung, Innovation. Ein Thema hingegen, unser Thema, fehlt weitgehend: „Qualität“. Ja, der Begriff kommt vor, an etwas mehr als drei Dutzend Stellen, als Substantiv oder Adjektiv („qualitativ“). Häufig bildet er Wortkombinationen, wie Struktur-, Gewässer-, Umwelt-, Versorgungs- oder Lebensqualität. Immer geht es dabei eher um Details oder Teilaspekte eines eigentlichen Themas. Zusätzlich findet sich der Begriff „Verbraucherschutz“ ein Dutzend Mal, natürlich viele Male das Adjektiv „gut“. Einmal erscheint der Begriff Made in Germany, ich zitiere: „Wir setzen uns für High-Medizintechnik [sic!] „made in Germany“ ein.“ Eine Weile habe ich überlegt, ob „High-Medizintechnik“ im Kontext der Cannabisfreigabe zum Einsatz kommt. Auch ein Thema im Koalitionsvertrag mit Qualitätsbezug: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein. Dadurch wird die Qualität kontrolliert, die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet.“ Nun denn, wohl bekomms.
Fazit: Qualität, Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung sind im Koalitionsvertrag kein bedeutendes Thema. Wir hätten nichts Anderes erwartet, trotzdem haben wir lieber einmal nachgeschaut. Qualität der Pflege, Qualität der Bildung, Qualität der Infrastruktur sind schließlich Teil der permanenten öffentlichen und auch politischen Diskussion. Mir fällt jedoch auf, wie wenig in diese Diskussion einfließt, dass es wirksame Techniken der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements gibt. Wir kennen die Stellhebel für Qualität in den jeweiligen Fachgebieten und Branchen durchaus und sie sind eine essentielle Säule des wirtschaftlichen Erfolgs. Der ist wiederum die Voraussetzung für unseren Wohlstand, die Freiheit und unser herausragendes Sozialwesen, also ein politischer Auftrag allemal!
Vielleicht hat das über viele Jahrzehnte anerkannt hohe Qualitätsniveau deutscher Produkte – und übrigens auch der deutschen Verwaltung – uns dahin gebracht, für selbstverständlich zu erachten, was man sich mit Fleiß und Kompetenz hart und immer neu erarbeiten muss: Qualität. Ich finde einen politisch-strategischen Fokus auf Qualität nicht weniger bedeutend als den auf Innovation, zumal beide ohnehin Hand in Hand gehen müssen. Andere Volkwirtschaften haben diesbezüglich enorm aufgeholt – und wir müssen leider feststellen, dass wir in einigen Bereichen nachgelassen haben. Wenn dazu also schon nichts im Koalitionsvertrag steht, sollte die DGQ dazu durchaus ihre Stimme erheben. Höflich, aber bestimmt.